Täglich steigen Lars Mühlnikel und Isabelle Rhliouch in ihre Ganzkörperanzüge, ziehen die Masken über Mund und Nase. Angenehm ist das für sie nicht. Doch sie ertragen es. Denn sie setzten sich freiwillig dem Virus aus, dass das Leben aller seit einem dreiviertel Jahr bestimmt.
Der Assistenzarzt und die Stationsleitung kämpfen jeden Tag im Klinikum Konstanz um das Leben von Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind. Sie arbeiten am Limit und wünschen sich nichts sehnlicher, als dass der Kampf mit dem Virus endlich ein Ende nimmt.
Dass sich ihr Arbeitsalltag einmal so grundlegend verändern würde, damit hätten beide nicht gerechnet. Doch dann kam dieses „fiese hinterlistige Virus“, wie es Mühlnikel beschreibt, und stellte die beiden sowie das restliche Team, das auf der Covid-Station arbeitet, vor zuvor ungeahnte Herausforderungen.
Langsam beruhigt sich die Lage auf der Intensivstation
Inzwischen habe sich die Lage auf der Station wieder etwas beruhigt. Das Team hat nun endlich Zeit aufzuatmen. Doch von Weihnachten bis Ende Januar habe auf der Station Ausnahmezustand geherrscht, so Rhliouch. Viele Patienten seien auf der Intensivstation gelandet, oft habe die Krankheit im Tod geendet. Nicht immer seien Vorerkrankungen im Spiel gewesen gewesen.
Rhliouch arbeitet bereits seit 38 Jahren in der Pflege. Sie sagt: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Immer wieder erlebe sie es, dass es den Patienten auf der Station innerhalb von nur wenigen Stunden schlechter ging. Oft sei dann auch schon klar gewesen, dass er seine Erkrankung nicht überleben wird.
Stationsleiterin: „Hier sterben Menschen ganz alleine...“
Nicht nur bei älteren Patienten habe sie das mitbekommen, sondern auch bei welchen, die gerade einmal um die 50 Jahre alt gewesen seien. „Wenn wir ein Patientenzimmer betreten, schwingt immer die Sorge mit, dass er vielleicht tot in seinem Bett liegen könnte“, beschreibt sie die Situation des Pflegepersonals.
Hinzu komme, dass Infizierte oft auch unter Todesangst litten und aus Angst, allein zu sterben, die Pfleger darum bitten zu bleiben. Diese Sorge und die Tatsache, dass Angehörige ihre Liebsten nicht am Krankenbett besuchen dürfen, auch dann nicht, wenn es darum geht, sich zu verabschieden, mache ihr sehr zu schaffen. „Hier sterben Menschen ganz alleine und werden dann in einen Sack gepackt“, schildert sie.
Deswegen ärgert sie sich über Leute, die das Virus noch immer verharmlosen. Das sei nicht nur respektlos gegenüber denjenigen, die jeden Tag um das Leben von Covid-Erkrankten kämpfen müssen, sondern auch denjenigen gegenüber, die ihre Angehörigen an die Krankheit verloren haben.
„Hinter jedem Verstorbenen steht eine Familie, die trauert“, gibt sie zu bedenken. Wie schwer diese Krankheit ausfallen kann, sehe sie jeden Tag und nicht immer seien nur Menschen betroffen, die an Vorerkrankungen litten.
Arbeit auf der Covid-Station schränkt Privatleben stark ein
Weil Isabelle Rhliouch und Lars Mühlnikel wissen, wie gefährlich das Virus ist, haben beide auch ihr Privatleben stark eingeschränkt. Denn immer schwebt bei ihnen auch die Sorge mit, ob sie sich trotz der hohen Sicherheitsstandards mit Corona angesteckt haben und sie das Virus womöglich weitertragen.
„Ich weiß auch von Kollegen, die Ausgrenzung erfahren haben, bei denen er Bekanntenkreis ein Treffen ablehnt, weil sie mit Covid-Patienten zu tun haben“, erzählt Rhliouch. Auch im Krankenhaus selbst würde um die Mitarbeiter aus der Covid-Station ein Bogen gemacht. Das findet sie schade.
Doch es helfe, mit den Kollegen, die ebenfalls auf der Station arbeiten, darüber zu sprechen, was Rhliouch und alle anderen tagtäglich erleben. Das habe das Team zusammengeschweißt, sagt sie. Und weiter: „Wir geben uns gegenseitig Kraft.“
Ein bisschen Trost durch einen Händedruck
Das bestätigt auch Lars Mühlnikel. Der Arzt sagt: „Das ist auch anders gar nicht möglich. Diese körperliche und psychische Belastung kann man nur zusammen bewältigen.“ Für ihn sei die Distanz zu den Patienten, die durch die Schutzkleidung entsteht derzeit die größte Herausforderung. Im normalen Alltag versuche der Arzt seinen Patienten die Angst zu nehmen, indem er ihnen die Hand drücke. Durch den Schutzanzug seien solche Versuche, Trost zu spenden, sehr unnatürlich.
Generell könne auf der Covid-Station vielen Menschen auch geholfen werden. Doch Mühlnikel sagt auch: „Es ist immer noch ein erschreckend hoher Anteil der Patienten, der es nicht schafft.“ Denn man dürfe nicht vergessen, dass es noch immer kein Heilmittel für Covid-19 gibt. Das Einzige, was die Ärzte auf der Covid-Station tun könnten, sei die Linderung von Symptomen. Doch nicht immer reiche das aus.
Mühlnikel hofft daher, dass das Impfen in Baden-Württemberg bald mehr Menschen möglich gemacht werden kann. Dadurch, dass das derzeit so schleppend laufe, gehe Zeit verloren, die Menschen retten könne. Denn er sagt: „Jeder Geimpfte ist jemand, der nicht wegen der Krankheit ins Krankenhaus muss.“
Bis dahin hofft er darauf, dass sich die Menschen weiterhin an die Beschränkungen und die AHA-Regeln halten. Denn Mühlnikel ist überzeugt: Die Regeln helfen, die Erkrankungen geringer zu halten. Das sei besonders wichtig vor dem Hintergrund, dass nicht klar ist, wie sich die auftretenden Mutationen des Virus künftig auswirken werden.
Bis das überstanden ist, werden Mühlnickel, Rhliouch und das gesamte Team weiter dafür kämpfen, dass Corona für möglichst viele Patienten nicht tödlich endet.