Was für ein absurder Gedanke: Menschen, die täglich ihre Gesundheit und die der eigenen Familie aufs Spiel setzen, werden von Mitmenschen gemieden. Eine Mitarbeiterin des Hauses Don Bosco für Demenzkranke ist bereit, aus dem Innenleben der Caritas-Pflegeeinrichtung zu berichten.

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Unter der Voraussetzung, dass sie weder mit Namen noch mit Bild erscheint. „Wenn jemand erfährt, dass ich beruflich Kontakt habe mit so vielen an Covid-19 erkrankten Bewohnern, geht man uns als Familie aus dem Weg“, sagt sie. Das habe sie bei Kollegen in anderen Pflegeheimen beobachtet. „Und das möchte ich auf keinen Fall.“

Caritas-Geschäftsführer Andreas Hoffmann hat dem Gespräch wohlwollend zugestimmt und es aktiv unterstützt, „denn die Pflegekräfte leisten Übermenschliches. Das sind wirkliche Helden“, wie er sagt.

Bild 1: Arbeit mit demenzkranken Menschen, die zudem an Covid-19 erkrankt sind: Eine Pflegekraft aus Konstanz gewährt einen Einblick in ihren harten Alltag
Bild: Schuler, Andreas

Die examinierte Pflegekraft liebt den Kontakt mit Menschen und den Aufbau von Beziehungen mit ihnen. Deshalb hat sie diesen Beruf gelernt. „Daran ändert auch die aktuelle Situation nichts“, sagt sie.

Die aktuelle Situation. Corona im Haus. 24 positiv getestete Bewohner, 25 positiv getestete Mitarbeiter. Zumindest die Mitarbeiter befinden sich in häuslicher Quarantäne und stellen keine Ansteckungsgefahr dar. Die Bewohner können nicht gehen. Sie wohnen hier. Also müssen sie in der Einrichtung isoliert werden. „Demenzkranke Menschen verstehen das aber nicht“, sagt die Mitarbeiterin. „Da müssen wir viel leisten auf dem Gebiet der Emotionen.“

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Infizierte Personen dürfen ihre Zimmer nicht verlassen. Geht eine Pflegekraft hinein, muss sie die komplette Schutzkleidung anziehen, Handschuhe und FFP2-Maske inklusive. „Wir arbeiten mit der gleichen Schutzausrüstung wie in der Klinik auf der Covid-Station oder einer Intensivstation, das ist körperlich sehr anstrengend und kräftezehrend“, erklärt die Mitarbeiterin.

Der Haupteingang zum Haus Don Bosco.
Der Haupteingang zum Haus Don Bosco. | Bild: Schuler, Andreas

Eine große Schwierigkeit ist die Nahrungsaufnahme der Bewohner. „Der Aufwand ist immens“, sagt die Frau. „Normalerweise geben wir einen Impuls, indem wir unseren Mund öffnen und ‚aaahhh‘ sagen.“ Wie bei kleinen Kindern. „Doch das geht ja nicht wegen der Masken“, sagt sie. Dinge, die intuitiv gemacht wurden, funktionieren unter diesen Umständen nicht mehr. „Wir müssen dann sehr viel über auditive und taktile Reize gehen“, erklärt die Mitarbeiterin. „Eine beruhigende Atmosphäre ist sehr wichtig und hilfreich.“

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Taktile Wahrnehmung bezeichnet die Oberflächensensibilität der Haut, den Tast- und Empfindungssinn. Über unterschiedliche Rezeptoren der Haut werden Reize wie Berührung, Druck, Temperatur und Schmerz wahrgenommen.

„Wir halten die Hand und streicheln sie“

Über diese Körperwahrnehmung und taktile Reize ist es möglich, Menschen mit Demenz zu entspannen und zu beruhigen. Nervöse Energie wird auf diesem Weg abgeleitet und spezielle Spielzeuge fördern die Beruhigung und Konzentration. „Wir halten die Hand der Bewohner oder streicheln über die Hand. Das beruhigt.“

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Doch wer kümmert sich eigentlich um die Menschen, die sich um die Bewohner kümmern? „Wir in der Pflege haben einen ausgeprägten Sinn für Gemeinsamkeit“, erklärt die Mitarbeiterin. „Wir geben aufeinander acht, schauen, dass es anderen sowie uns selbst gut geht und geben uns Kraft.“

Bevor sie vor einigen Jahren bei der Caritas anfing, arbeitete sie als Pflegerin in einer Klinik. „Das hat mir ebenfalls sehr viel Spaß gemacht“, blickt sie zurück. „Doch ich wollte eine Beziehung zu den Menschen aufbauen und mithelfen, ihnen ein Zuhause zu geben.“

„Wir haben eine soziale Verantwortung“

Treffen mit engen Freunden hat die Familie der Pflegekraft derzeit aufs Eis gelegt. „Wir haben ja eine hohe soziale Verantwortung“, sagt sie. Eine Tatsache, die sie bei Mitmenschen, die Corona herunterspielen oder gar verleugnen, vermisst. „Wir arbeiten rund um die Uhr hart, damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet und die Infizierten trotzdem ein würdevolles Leben haben.“

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Es gibt nach wie vor Menschen, die die aktuelle Infektionssituation nicht ernst nehmen, die sich nicht an die Abstands- und Hygieneregeln halten, und den Mund-Nasen-Schutz nicht korrekt tragen – aus den unterschiedlichen Gründen. „Wenn Personen dann sagen: Das ist doch halb so schlimm, dann sagen sie ja damit auch: Eure Arbeit ist umsonst, ihr arbeitet für nichts.“

Diese Geringschätzung ärgert sie zwar, doch damit möchte sie sich nicht allzu lange beschäftigen, „denn unser Alltag ist derzeit hart genug. Wir benötigen unsere ganze Energie aber für die Bewohner, nicht für Querdenker“.

Gestiegene Wertschätzung – aber wie lange?

Insgesamt spürt sie mehr Wertschätzung von der Gesellschaft für die Pflegeberufe. „Entscheidend ist aber die Frage: Wie lange hält das an?“