Noch wird gebannt auf die Infektionszahlen geblickt, doch der Blickwinkel könnte sich in den nächsten Wochen stark ändern. In einer Sondersitzung des Gemeinderats wurde am Freitagnachmittag die aktuelle Entwicklung der zweiten Corona-Welle in Konstanz präsentiert, vor allem die Aussagen des ärzlichen Direktors des Klinikums müssen als Hinweis auf einen deutlichen Anstieg bei der Zahl von Patienten mit Bedarf an Intensivbetreuung gewertet werden.

Marcus Schuchmann will zum Beispiel für die Aufnahme von Patienten aus der Schweiz, wo die Fallzahlen noch dramatischer steigen als hierzulande, keine generelle Zusage machen. Nach seiner Einschätzung unterscheidet sich die derzeitige Situation deutlich von jener im Frühjahr. „Ich wäre derzeit sehr zurückhaltend bei Zusagen für die Aufnahme von Patienten aus der Schweiz oder Frankreich„, sagte er, er hält allenfalls Einzelfallentscheidungen für denkbar. Zur Erinnerung: Im Frühjahr wurden in Konstanz fünf Corona-Patienten aus Mulhouse/Frankreich behandelt, die sonst vermutlich gestorben wären.
Inzidenzwert weit über dem Durchschnitt
Grund für die Zurückhaltung sind die deutlich gestiegenen Infektionszahlen. In der Stadt stiegen sie im Zeitraum vom 23. Oktober bis zum 4. November von 45 auf 161. Der Inzidenzwert – also die Quote der Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche – schnellte von rund 59 auf etwa 186 hoch und liegt dabei deutlich über Durchschnitt des Landkreises mit 145. Laut Thomas Traber, in der Stadtverwaltung für die Bereiche Personal und Organisation zuständig, liegt Konstanz beim landesweiten Vergleich des Inzidenzwertes in einem sehr hohen Bereich.
Auf den Alltag im Klinikum hat das laut Marcus Schuchmann schon jetzt dramatische Auswirkungen. Die zweite Corona-Welle sei seit dem vergangenen Wochenende mit 30 Patienten angekommen, wobei drei Patienten auf der Intensivstation behandelt werden müssten – einer von ihnen wird beatmet. Insgesamt gibt es in Konstanz 22 Intensivbetten, im absoluten Notfall könnte man 27 Plätze zur Verfügung stellen. In Singen stehen bis zu 46 Betten für eine Intensivbehandlung zur Verfügung, doch wenn diese Kapazitäten abgerufen werden müssten, erreiche man das Niveau von Bergamo.
Rechnerisch bewegen sich Konstanz und die Region somit im sicheren Bereich, doch angesichts des Infektionsgeschehens kann sich das schnell ändern. Als problematisch stuft Marcus Schuchmann dabei längst nicht die technische Ausstattung ein. Auch bei der Schutzkleidung oder den Masken herrsche – anders als im Frühjahr – kein Mangel, aber irgendwer müsse die Betreuung übernehmen. Und beim Personal sieht‘s in Konstanz ähnlich aus wie in so gut wie allen Kliniken. Es fehlt.
Besuche bleiben möglich
Kurz vor der zu erwartenden zweiten Welle mit schweren Erkrankungen kann man im Konstanzer Klinikum immerhin auf die Erfahrungen im Frühjahr setzen. So hat man sich laut Marcus Schuchmann organisatorisch so aufgestellt, dass der Regelbetrieb aufrecht erhalten werden kann. Das reicht bis hin zur Besuchsregelung. Im Frühjahr wurde sie sehr streng gehandhabt, was zu enormen seelischen Schäden geführt habe. Eine Sonderregelung gibt es demnach auch bei der Begleitung von Sterbenden. Die Isolation in so einem Fall bezeichnete der Klinik-Chef als „wirklich furchtbar“.
Infektionen und Quarantäne: So ist die Situation in Konstanzer Pflegeheimen
Auch vor Pflegeheimen macht das Virus nicht halt. In mindestens drei Konstanzer Einrichtungen ist nach Informationen des SÜDKURIER Corona ausgebrochen.
Parkstift Rosenau: Eine Bewohnerin des Wohnstifts ist während eines Krankenhausaufenthalts positiv getestet worden, sie befindet sich in häuslicher Quarantäne. Sie sollte gestern noch aus dem Krankenhaus entlassen werden und in ihrer Stiftswohnung die Quarantäne einige Tage fortführen. Eine Mitarbeiterin des Pflegestifts wurde ebenfalls positiv getestet, auch sie befindet sich in häuslicher Quarantäne. Darüber hinaus ist ein Ehepaar des Wohnstifts, das Kontakt zu einer infizierten Person hatte, in Quarantäne. Die Entwicklung bereitet Direktor Herbert Schlecht Sorge: „Keiner weiß, wer unwissentlich das Virus ins Haus trägt. Das kann ein Mitarbeiter sein, aber auch ein Bewohner oder Besucher. Dennoch können und wollen wir unsere Einrichtung nicht abriegeln.“ Er setze auf den gesunden Menschenverstand und gegenseitige Rücksichtnahme. In Anlehnung an die Landesverordnung hat Herbert Schlecht bekanntgegeben, dass ein Besuch des Restaurants nur noch für die Bewohner möglich ist. Die Automatikfunktion der Eingangstür ist deaktiviert, sodass sichergestellt ist, dass Besucher klingeln müssen und ihre Daten erfasst werden können. Um die Bewohner des Pflegestifts besonders zu schützen, wird bei jedem Besucher Fieber gemessen.
Haus Don Bosco: Wie im SÜDKURIER berichtet, erkrankten im Laufe des vergangenen Wochenendes sechs Mitarbeiter an Covid 19. Daraufhin wurde sämtliche übrigen Mitarbeiter sowie insgesamt 28 Bewohner, die zum Teil über Symptome klagten, getestet. Die Ergebnisse liegen nun vor: Fünf Bewohner einer Wohneinheit haben sich infiziert, keine weiteren Mitarbeiter sind positiv getestet worden. „Es stehen aber noch Ergebnisse aus“, berichtet Caritas-Geschäftsführer Andreas Hoffmann. 57 Menschen wohnen im Don-Bosco-Haus in vier Wohneinheiten. Die infizierten Bewohner werden in ihren Einzelzimmern isoliert. Auch im Haus Don Bosco sind Besuche mittlerweile untersagt – lediglich palliativ betreute Menschen dürfen Besuch empfangen.
Spitalstiftung: Zwei Mitarbeiterinnen wurden positiv getestet und befinden sich in häuslicher Quarantäne. Auch eine Bewohnerin hat sich infiziert und wurde isoliert. Die Ergebnisse der Tests weiterer Personen fielen negativ aus. Am Montag sollen jedoch weitere Corona-Tests durchgeführt werden. Das bestätigte Stiftungsdirektor Andreas Voß dem SÜDKURIER am Freitag.
Andreas Schuler