Nicht nur jetzt im Sommer wird in Konstanz viel Fahrrad gefahren. Und dabei geht einiges kaputt. Umso ärgerlicher, dass die Situation in den Fahrradwerkstätten der Stadt momentan so angespannt ist. Ein schneller Reparaturtermin? Fast unmöglich!
Zwei bis sechs Wochen warten
Bei der Fahrradwerkstatt Langenbach heißt es: Zwei Wochen Wartezeit. Beim Fahrradladen Rocco sind es nach Auskunft des Zweiradmechanikers Walter Weber gar vier bis sechs. Und Martin Elbs von Radial in der Innenstadt findet ein aussagekräftiges Bild: „Notfälle gehen immer. Wer blutet, kommt dran!“ Der Rest: Ab ins Wartezimmer, wo man dann zurzeit bis September sitzt.
Und wie ist das gerade mit Ersatzteilen? Auch nicht berauschend. Luciano Rossetti, zusammen mit seinem Bruder Paolo Inhaber vom Rocco, analysiert die Situation: Material zu bekommen, sei schwierig. Äußerst schwierig. Er habe vergangenes Jahr im Juni Zehner- bis Zwölfer-Zahnkranz-Kassetten bestellt. „Die sind immer noch nicht eingetroffen“, nennt er ein Beispiel.

Schläuche und Mäntel seien schon jetzt zehn Prozent, E-Bikes circa fünf Prozent teurer. „Und bestelle ich 80 Stück, bekomme ich nur zehn geliefert.“
Martin Elbs von Radial rät den Kunden teilweise, sich ihre Ersatzteile online im Ausland zu bestellen. Er baut sie dann ein. Auch die Frachtkosten für ein Fahrrad haben sich laut Elbs mehr als verdoppelt. Von 25 auf fast 60 Euro. Aber es sei nicht so, dass es keine E-Bikes mehr gebe. „Wir haben genug Räder da.“ Sollte der Kunde ein bestimmtes Modell wünschen, das nicht auf Lager ist, wird es allerdings schwierig.
Paolo Rossetti berichtet aus seinem Alltag: „Heute brauchst du für Bestellungen fünfmal so lang.“ Früher habe er bei zwei Großhändlern alles geordert, inzwischen schreibe man bis zu 30 Händler an und suche auch wieder bei kleinen Manufakturen nach Ersatzteilen. „Man bekommt letztlich fast alles, aber es hat seinen Preis.“
Wenigstens sind genug Helme da
Es sei frustrierend, einen kleinen Teil der Kunden gar nicht mehr bedienen zu können, so Rossetti. Zumindest bei den Kassetten hat Rocco eine gleichwertige Alternativfirma gefunden. Und die Sicherheit ist auch gewährleistet: „Fahrradhelme haben wir noch mehr als genug da!“
Doch es gibt auch einen Geheimtipp in Konstanz. Dort ist alles etwas anders als in anderen Fahrradläden der Stadt. Das geht schon bei der Lage los. Am Schnetztor ist das Geschäft gar nicht so leicht zu finden, da es in der ehemaligen Unterführung liegt.

„Von der Stadt aus dürfen wir außen nichts Aufwändiges als Werbung aufstellen“, erklärt Albert Molea, der Werkstattleiter. „Als ich mich auf die Stelle beworben habe, bin ich hier auch erst zweimal dran vorbeigefahren.“
In der Werkstatt geht es meist noch beschaulich zu. Einen Reparaturtermin bekommen? Kein Problem. Ein Kunde holt gerade sein repariertes Rad ab. „In Radolfzell hatte ich ein Problem mit der Gangschaltung. Die Fahrradläden dort haben es sich nicht einmal angeschaut.“ Hier sei er sofort drangekommen.
Probleme werden kurzfristig gelöst
Als nächster kommt an diesem Donnerstag Günter Seimet, der an der Mosel lebt. Er macht in Konstanz Urlaub und will mit seiner Frau eine Bodenseeumrundung starten. Mit dabei sein 30 Jahre altes Tourenrad, mit dem er schon in ganz Europa unterwegs war und das beim Transport beschädigt wurde. Dienstag hat er es gebracht, nun ist alles gerichtet.
„Wir müssen eben nicht so gewinnorientiert arbeiten wie andere Fahrradwerkstätten.“ Molea weiß diesen Vorteil zu schätzen. Denn bei Indigo arbeiten behinderte und nicht behinderte Menschen zusammen. Der Hilfsverein für seelische Gesundheit Konstanz und die Paritätischen Sozialdienste haben in Kooperation diesen Fahrradladen ermöglicht.
„Für die Räumlichkeiten zahlen wir nur eine ganz geringe Miete an die Stadt“, sagt Molea. Überschüsse können teilweise für besseres Werkzeug oder andere Hilfsmittel investiert werden. Deshalb gibt es auch mal ein Einstellen der Gangschaltung als kostenlosen Service. „Werfen Sie etwas in die Kaffeekasse“, heißt es dann.

Molea, seit März hier angestellt, schätzt die Arbeitsatmosphäre: Das sei wertschätzend, von allen Seiten und für alle Seiten. Christof Pileczyk hat vorher auf Akkord für eine große Fahrradkette Neuräder montiert. „Das ging auf die Gelenke, bis sie kaputt waren.“
Bei Indigo ist die Arbeit abwechslungsreicher, so sei er auch mal im Verleih oder in der Kundenberatung beschäftigt. „Ich muss nicht mehr den ganzen Tag schrauben.“ Und es werde auf seine gesundheitlichen Bedürfnisse eingegangen.
Besonders erst auf den zweiten Blick
Andreas Dietrich montiert an einem alten Fahrrad alles vom Rahmen ab. Eine Dame möchten diesen als Erinnerungsstück behalten. „Ich kümmere mich um die Schönheit der Räder.“ Will heißen: Polieren, putzen, pflegen. Und er darf sich dabei Zeit lassen.
Dazwischen berät Dietrich beim Kauf eines Fahrradständers und kassiert ab. „Das mache ich am liebsten.“ Kundenbetreuung. Manche Kunden, so Werkstattleiter Molea, würden oft erst im Laufe ihres Aufenthaltes bemerken, dass sie in einem integrativen Betrieb seien.

Dass man in dieser Unterführung kaum Tageslicht hat, stört niemanden. Und jetzt, in diesen heißen Julitagen, ist es sogar angenehm kühl da unten.
Räder an Flüchtlinge für 50 Euro
Von den Entsorgungsbetrieben bekommen sie öfter alte Fahrräder, die sie auseinanderbauen, um wiederverwendbare Ersatzteile an gebrauchte Räder zu bauen. „Gerade an Flüchtlinge können wir dann Räder für 50 Euro verkaufen“, sagt Molea. In letzter Zeit hätten einige Ukrainer davon Gebrauch gemacht.
Und vergangenen Winter konnten sie sich dank der Spenden von SÜDKURIER-Lesern auch einen elektrischen Fahrradreparaturständer leisten. Für die schweren E-Bikes. Damit sich niemand hier einen Bruch heben muss. Den überließ ihnen der Hersteller auch noch deutlicher billiger, als er erfuhr, was für ein Betrieb Indigo ist.