Es war ein im ganzen Land ziemlich einmaliger Vorgang: Die knapp 100 Bewohner eines Flüchtlingsunterkunft fühlen sich wohl plötzlich als Häftlinge, Sicherheitskräfte und Polizisten bewachten das gesamte Osterwochenende über das Gebäude, in dem sie wohnen „Keiner darf raus, keiner darf rein“, umschrieb ein Polizist durch seine Schutzmaske seinen Auftrag.
Drei weitere Personen wurden positiv getestet
Am Abend des Ostermontags steht dann fest: Aus einer einzelnen Infektion ist ein Ausbruch geworden, aber die ganze große Katastrophe ist nicht eingetreten. Drei weitere Bewohner wurden positiv getestet, teilt die Stadt Konstanz auf Anfrage mit, unter ihnen zwei Mitglieder einer neunköpfigen Familie. Die drei Infizierten sowie ihre Kontaktpersonen müssen weiter in Quarantäne bleiben, sie wurden inzwischen aus dem Atrium weggebracht.
Das Leben normalisiert sich, aber Besuch bleibt verboten
Für alle anderen beginnt am heutigen Dienstag ein normaleres Leben. „Es ist geplant, den Zaun am Morgen abzubauen“, so Rathaus-Sprecher Walter Rügert. Was bestehen bleibt, ist ein schon vor dem aktuellen Fall verhängtes Betretungsverbot aller Konstanzer Gemeinschaftsunterkünfte für Außenstehende.
Stadt: Bewohner hielten sich schon zuvor nicht an Regeln
Die Stadtverwaltung sah nach eigenen Angaben keine andere Möglichkeit als die Totalsperrung, um die Bewohner, aber auch die Öffentlichkeit vor einer weiteren Ausbreitung des Virus zu schützen. „Trotz des Besuchsverbots und umfassender Informationen über die Gefahren des Coronavirus konnte in der Folge weiterhin ein reger Besucherverkehr in den Gemeinschaftsunterkünften festgestellt werden“, schreibt die Stadt Konstanz in einer Stellungnahme.

Zum Aufbau des Zauns habe es keine Alternative gegeben
Um die Kontrollen zu umgehen, sei dieser Besuchsverkehr, „wie öfter beobachtet wurde“, über die Balkone des Flachbaus verlaufen. Auch deshalb habe die Stadt, fachlich beraten durch das Gesundheitsamt des Landkreises, die Aufstellung des Bauzauns nebst Bewachung für erforderlich gehalten.

Organisation Seebrücke spricht von „Internierung“ und „Rassismus“
An diesem Schritt gibt es auch harsche Kritik. Die Organisation Konstanzer Seebrücke, die sich für Solidarität mit und Rechte für Geflüchtete einsetzt, spricht von einer „Internierung“ und verlangte „die zeitnahe Unterbringung nicht nur der negativ Getesteten, sondern aller
Geflüchteten in Hotels und Ferienwohnungen.“
Flüchtlingshelfer sagen: Alle wissen schon lange von Zuständen in Unterkünften
Der Vorwurf in dem am Sonntag verschickten offenen Brief lautet: Nur weil es Flüchtlinge sind und diese unter Generalverdacht von Regelverletzungen stehen, greift die Stadt in bisher einmaliger Weise in deren Freiheitsrechte ein. „Ihr Vorgehen“, schreiben die Seebrücke-Aktivisten an Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU), Landrat Zeno Danner (parteilos) und weitere Behördenvertreter, „ist deswegen von Rassismus gekennzeichnet und aus unserer Sicht eine reine Panik-Reaktion der Verwaltung“. Dass in Sammelunterkünften „die Gefahr von Epidemien besonders groß ist“, sei lange bekannt.

Sozialbürgermeister Osner weist die Kritik der Seebrücke scharf zurück
Der Konstanzer Sozialbürgermeister Andreas Osner (SPD) wies die am Sonntag Kritik aufs Schärfste zurück: „Der Rassismus-Vorwurf ist abwegig und geht an der Sache völlig vorbei.“ Es gehe in der Bekämpfung von Corona um Menschenleben, weshalb für sehr viele Bürger die Freiheitsrechte eingeschränkt seinen, zum Beispiel auch für Patienten in Krankenhäusern und Bewohnern von Pflegeheimen sowie für deren Angehörige.
Verwaltung: Wir haben auf fachlicher Basis entschieden und wollen jetzt nicht unfair kritisiert werden
Aus rein fachlichen Gründen und ohne politische Ziele habe ein großes Team von Verantwortlichen in Stadt und Kreis während der Feiertage eine Entscheidung getroffen und umgesetzt. Daran Generalkritik zu üben, sei „schlicht unfair“.