Die Bundesregierung zeigt sich großzügig und macht den Weg frei für Wohngeld Plus, Heizkostenzuschuss und mehr. Eine Flut an Neuanträgen wird erwartet. Probleme wird es aber bei der Umsetzung geben, denn die gesetzlichen Neuerungen treten kurzfristig in Kraft.
Der Konstanzer Gemeinderat hat jetzt einen Härtefallfonds beschlossen, der allerdings nicht den staatlichen Leistungen vorgreifen oder diese ersetzen soll. Bis geprüft ist, ob eine Wohngeldberechtigung besteht oder der Härtefallfonds beansprucht werden soll, könnte der eine oder andere Bürger schon in finanzielle Not geraten sein. Die Erarbeitung der Regularien für den Härtefallfonds könnte daher zur Quadratur des Kreises werden.
Jürgen Herbst vom Sozial- und Jugendamt hat bereits im Sozialausschuss gestöhnt, schließlich rechnet der Gesetzgeber mit einer Verdreifachung der Wohngeldberechtigten. „Im Jahr 2021 hatten wir 1.795 Anträge für Wohngeld“, sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Wenn der Gesetzgeber Recht behält, dann muss sein Team im Jahr 2023 etwa 5400 Anträge bearbeiten.
Zaubern und hexen können sie nicht
Wie groß dieses Team aktuell ist? „Vier Köpfe, aber nur 3,58 Stellen“, sagt er. Zaubern und hexen können die Mitarbeiter nicht, deshalb weist Herbst jetzt schon darauf hin: „Mit einer mehrmonatigen Bearbeitungszeit ist zu rechnen.“ Ob Antragssteller sich drei oder gar sechs Monate gedulden müssten, das werde sich zeigen. Sicher aber sei: „Das Geld wird nachgezahlt“, beruhigt Jürgen Herbst; wichtig aber sei, dass die Anträge gestellt werden.
Nachzahlung ist ja schön und gut, aber die Überbrückungszeit könnte einige Mitbürger doch in die Bredouille bringen, findet der Deutsche Mieterbund Bodensee, der überdies auch Geringverdiener im Blick hat, die keine Sozialleistungen erhalten. „Es ist toll, dass der Oberbürgermeister und die SPD mein Ansinnen aufgegriffen haben“, sagt Herbert Weber, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Bodensee. Er habe die Idee des Härtefallfonds aufgebracht.

Wichtig aber sei ihm die Umsetzung. „Wir wollen keinen Fördertopf. Wir wollen nichts schenken“, stellt Weber fest. Vielmehr solle das Geld des Fonds als zinsloses Darlehen Mietern und Vermietern zur Verfügung gestellt werden, die ohne eigenes Verschulden aufgrund der Energiekostennachzahlung in finanzielle Not kämen. Jene, die bereits Sozialleistungen erhielten, hätten aufgrund der Energiepreissteigerung das geringste Problem, denn die Kosten würden zu einem Teil übernommen. Aber es gebe auch Menschen, die eben keine Sozialleistungen erhielten, weil sie knapp über der Bemessungsgrenzen lägen, aber doch jeden Euro umdrehen müssten.
Der Fonds als notwendige Ergänzung
„Der Härtefallfonds ist als Ergänzung dringend notwendig, denn es besteht hoher mietrechtlicher Handlungsdruck“, betont Winfried Kropp, Pressesprecher des Mieterbundes. „Wer zwei Monate hintereinander mehr als eine Monatsmiete Schulden hat, dem kann fristlos gekündigt werden.“
Dann kommt er auf die Nebenkosten und die damit verbundene Crux zu sprechen. „Betriebskosten sind 30 Tage nach Zugang fällig.“ Eine Nachzahlung in Höhe von zwei bis drei Kaltmieten seien aufgrund der drastischen Energiepreissteigerung durchaus zu erwarten. „Und das ist richtig viel Geld“, sagt Kropp und fügt an: „Viele sind nicht so flüssig, dass sie so viel Geld auf einen Schlag zahlen können. Und sofort sind sie mit dem Zahlungsrückstand rasch über dem kritischen Betrag.“

Eine böse Falle, so Kropp, denn: „Der Vermieter kann wegen des Zahlungsverzugs eine fristlose Kündigung aussprechen.“ Die könne mit einer Rückzahlung abgewendet werden. Aber aus Erfahrung weiß Kropp: Bei Zahlungsverzug würden zumeist zwei Kündigungen ausgesprochen; die fristlose und die ordentliche Kündigung. „Eine ordentliche Kündigung kann ich nicht abwenden“, so Kropp.
Damit jeder seine Wohnung behält
Um Wohnungsverlust zu verhindern, solle mittels des Härtefallfonds „schnell und unbürokratisch reagiert werden“, findet Winfried Kropp. Er kommt auf die „Verdreifachung der Wohngeldempfänger“ und damit verbunden auf die „Verzögerung in der Bearbeitung“ sowie auf das Bürgergeld zu sprechen. „Eine Reihe von Erleichterungen, aber die Verwaltung wird Zeit brauchen, das umzusetzen. Wenn die Kündigung droht, dann hat man die Zeit nicht“, stellt Winfried Kropp in aller Deutlichkeit fest. Der Härtefallfonds solle – so stellt sich der Mieterbund das Konstrukt vor – die Finanzierungslücke in Form eines zinslosen Kredits decken.
„Wenn man damit Kündigungen verhindert, schont man die Stadt um ein Vielfaches“, meint Herbert Weber. „Würden die Leute obdachlos, müsste die Stadt eintreten.“ Er denkt aber auch an die Vermieter, welche die Nebenkosten vorstreckten, aber ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, denn nicht jeder Immobilienbesitzer schwimme im Geld; vielmehr seien einige auf die Einnahmen angewiesen. „Mietern und Vermietern: Beiden soll geholfen werden“, findet Herbert Weber.
Die Verwaltung erarbeitet derzeit gemeinsam mit dem Sozial- und Jugendamt Vergaberichtlinien für den Härtefallfonds, die dem Gemeinderat zu Beginn des Jahres 2023 vorgelegt werden sollen. „Das schnelle und unbürokratische Agieren bekommt nur eine Kommune hin“, ist Winfried Kropp überzeugt. Und er ist optimistisch: „Das Geld für den Fonds wurde schon außerplanmäßig bewilligt. Das zeigt, dass die Verwaltung sehr wohl flexibel und schnell handeln kann.“