Manche Fährependler dürften sich gewundert haben:. Ein neues Fährschiff für die Linie Konstanz-Meersburg geht heimlich, still und leise in Dienst, als wäre es nicht erst das 14. Mal in fast 100 Jahren, dass so ein Ereignis passiert. Ohne Ankündigung, ohne Blaskapelle und ganz bewusst auch ohne Medienvertreter kam an diesem Oktobermorgen ein Kapitel zu einem vorläufigen Ende, das die Stadtwerke viel Zeit, enorm viel Geld und auch einiges Ansehen gekostet hatte.

Niemand sollte Zeuge sein, falls etwas schiefgeht

So war es, als am Mittwoch, 4. Oktober, die „Richmond“, das neueste und erste gasbetriebene Fährschiff für die Linie Konstanz-Meersburg, den Liniendienst aufnahm. Die Anspannung muss nach den vielen Rückschlägen in der Vergangenheit enorm gewesen sein: Sicherheitshalber, so war zu hören, hatten die Stadtwerke die Jungfernfahrt nicht angekündigt und auch keinen der vielen interessierten Medienvertreter mitgenommen. Immerhin hätten diese zu Zeugen neuerlicher Probleme hätten werden können.

Die Sorge erweis sich zunächst allerdings als unbegründet. Der erste halbe Betriebstag verlief störungsfrei, teilte Stadtwerke-Sprecher Josef Siebler auf Anfrage mit. Die „Richmond“ mit ihrer besonders anspruchsvollen Technik soll nun regelmäßig eingesetzt werden. Fahrgäste, die nun auch einmal mit dem neuen Schiff übersetzen wollen, haben am Donnerstag und Freitag, 5. und 6. Oktober, von 5.50 bis 12 Uhr darauf eine Chance, so Stadtwerke-Sprecher Siebler. Der längerfristige Einsatzplan für die „Richmond“ seht dagegen noch nicht fest.

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Wer unbedingt mit der „Richmond“ fahren will: Sie ist unverkennbar

Wer es unbedingt darauf anlegen will, auf die neue Fähre zu warten, kann sie schon aus der Entfernung am acht Meter hohen Kamin erkennen. An Bord erwartet die Passagiere dann eine ausnehmend ruhige Überfahrt, denn der Erdgas-Motor ist am ehesten mit einem Benzinmotor im Auto vergleichbar, der mit seinen Zündkerzen systembedingt ruhiger läuft als ein vergleichbarer Dieselantrieb.

Damit betreten die Stadtwerke Neuland. Gasbetriebene Schiffe sind, anders als beim Projektstart vor vielen Jahren, zwar keine Seltenheit mehr. Dennoch ist die Technik beeindruckend, wie auch viele Gäste bei der damals öffentlichen Schiffstaufe im Juli miterleben konnten. Die Freigabe durch die Schifffahrtsuntersuchungskommission, ohne die keine Passagiere transportiert werden dürfen, scheiterte im ersten Anlauf Ende August überraschend, was weitere Verzögerungen auslöste.

Neue Gas-Fähre legt in Meersburg an Video: Julian Kögel

Die „Richmond“ ist nach Angaben der Stadtwerke umweltschonend, weil der Motor besonders sparsam ist und den Treibstoff sehr sauber verbrennt. Auch werde schon mit zehn Autos an Bord weniger Abgas ausgestoßen, als wenn diese um den Überlinger See herumfahren würden. Allerdings muss das verflüssigte Erdgas einmal pro Woche in einem Container per Lastwagen von den Nordsee-Häfen bis an den Bodensee gefahren werden. Ursprüngliche Ideen, das Schiff klimaneutral mit Biogas aus der Region zu betreiben, sind vorerst gescheitert, eine spätere Umstellung ist aber möglich.

Mit der „Richmond“ sind nun drei besonders leistungsfähige Schiffe auf der Verbindung unterwegs. Wie die „Lodi“ und die „Tabor“ kann sie deutlich mehr Fahrzeuge und Personen transportieren als die Fähren der früheren Generationen. Die Stadtwerke rechnen damit, dass sie nun weniger Zusatzkurse fahren müssen, was Kosten spart und auch die Umwelt entlaste, so das Unternehmen. Durch die erhöhten Kapazitäten sollen die zuletzt immer wieder erheblichen Wartezeiten dennoch kürzer werden, hieß es bei der Schiffstaufe im Juni.

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13 Jahre nach der „Lodi“ ist der Schiffsbau fast dreimal so teuer

Wenn die nach der Konstanzer Partnerstadt in England benannte „Richmond“ sich nun im Liniendienst bewährt, wäre dies auch ein Happy End nach einer beispiellosen Serie von Problemen. Das neueste Mitglied der Flotte war über drei Jahre nach dem zunächst vorgesehenen Termin fertig geworden – und es kostete dreimal so viel wie das zweitjüngste Fährschiff: Hatte der Vorgängerbau, die „Lodi“ von 2010, noch zehn Millionen Euro gekostet, waren für das neue Schiff zunächst 17 Millionen Euro veranschlagt.

Am Ende kostete die „Richmond“ nach Angaben der Stadtwerke Konstanz rund 27,5 Millionen Euro. Auswirkungen auf den Bau hatte laut einer Pressemitteilung neben der Insolvenz der Hamburger Werft Pella Sietas auch die Corona-Pandemie und der Ausbruch des Ukraine-Kriegs: „Der Krieg hat sich weltweit auf Liefer- und Produktionsketten sowie Rohstoffpreise ausgewirkt. Uns haben besonders die Preissteigerungen für Aluminium und Edelstahl getroffen“, wird Christoph Witte, technischer Leiter der Fähren, zitiert.

(Archivbild) Sie wird nicht mehr zwischen Konstanz und Meersburg zu sehen sein: Die Fähre „Fontainebleau“ ist nicht mehr im ...
(Archivbild) Sie wird nicht mehr zwischen Konstanz und Meersburg zu sehen sein: Die Fähre „Fontainebleau“ ist nicht mehr im Dienst. | Bild: Stadtwerke Konstanz | SK-Archiv

Die Stadtwerke nehmen für die „Richmond“ das 1970 vom Stapel gelaufene Schiff „Fontainebleau“ außer Dienst, so dass die älteste Konstanzer Städtepartnerschaft zunächst nicht mehr mit einer Schiffsbenennung geehrt ist. Die „Fonti“, wie viele Fähre-Fans sie nennen, sollte nach früheren Plänen zu einem Event-Schiff umgebaut werden. Inzwischen ist ihr Schicksal besiegelt: Sie wird zukünftig in Österreich als Vereinsheim genutzt werden.