„Mittelfristig wird es ziemlich dramatisch“, ist sich Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, sicher. Schon jetzt wenden sich Inhaber kleiner und mittelständischer Unternehmen an ihn, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen soll. „Die Menschen haben Angst“, stellt er fest. „Diese explosionsartige Kostensteigerung. Preise, die fern jeglicher Vorstellungskraft liegen,“ sagt er und fügt an: „Das Dramatische: Es trifft Familienbetriebe, die ordentlich gewirtschaftet haben. Sie stehen jetzt völlig unverschuldet an der Wand.“
Existenzsorgen während der Pandemie
Martin Valovy hatte eigentlich gedacht, er hätte alles richtig gemacht und sein Unternehmen sei ideal für die Zukunft gerüstet. Von seinen Eltern hat er die 1972 gegründete Großwäscherei Valovy im Jahr 2003 übernommen. „Als meine Mutter 2015 in den Ruhestand ging, habe ich den kompletten Betrieb in Allensbach modernisiert. Neue Mangelstraße mit Faltrobotertechnik, Ende 2018 die neue vollautomatische Waschstraße“, gibt er Beispiele. Dann kam Corona mit den Lockdowns. „Da hatte ich Existenzsorgen. Ich habe mich gefragt, wie soll ich meine Schulden bezahlen.“

„Elf Monate lang haben wir komplett geschlossen gehabt“, resümiert Martin Valovy die Pandemie-Jahre. Aber er hat gekämpft. Gekämpft für seine Frau und seine drei Kinder und für seine zehn Mitarbeiter, die ebenfalls Familien zu ernähren haben. Aufträge von Hotellerie, Gastronomie und Industrie waren während der Pandemie Mangelware, denn auch diese Betriebe hatten pandemiebedingt geschlossen.
Valovy nahm dann auch Aufträge von Ferienwohnungsbetreibern und Privatleuten an und dehnte sein Portfolio mit Reinigung von Bootsverdecken, Persenningen und Sonnenschirmen aus, um ein weiteres Standbein zu haben. Das hat ihn und sein Unternehmen über die Zeit gerettet.
Klimaschutz kommt ihn teuer zu stehen
Martin Valovy wollte den Familienbetrieb für die Zukunft sichern und Energie und damit Kosten einsparen. „Im Januar 2021 habe ich den großen ölbetriebenen Dampfkessel gegen einen effizienten Gaskessel getauscht. Das Nonplusultra in der Dampfkesseltechnik mit extrem niedrigen Emissionswerten. Damit spare ich mehr als 90 Tonnen CO2 pro Jahr ein.“ Damals hätte er von dieser umweltschonenden Technologie schwärmen können.
Jetzt ist ihm eher zum Verzweifeln zumute, denn der Einsatz dieser vermeintlich tollen, klimaschonenden Technologie kommt ihn jetzt teuer zu stehen. Vorher habe er etwa Energiekosten von 65.000 bis 70.000 Euro im Jahr gehabt. Mit Gas und Strom werde er künftig „bei etwa 400.000 Euro im Jahr liegen. Das ist nicht mehr leistbar“, sagt er tonlos und meint bedauernd: „Hätte ich doch besser den Ölbrenner behalten, dann könnte ich drei Monate sicher produzieren.“ Das Damokles-Schwert Namens Gasmangellange schwebe zusätzlich zum Gaspreis über seinem Geschäft.
Dazu noch Kostenexplosion an allen Ecken und Enden – „Waschmittel und Chemie sind 40 bis 60 Prozent teurer geworden“ – und Lieferengpässe machen Martin Valovy, der längst alle Ersparnisse investiert hat, das Leben zusätzlich schwer. Sein Betrieb aber sei so modern aufgestellt, dass es keine Kostenschraube mehr gebe, an der er noch drehen könne.
„Man fühlt sich hilflos und ausgeliefert“, beschreibt er seine Situation. Und er ist sauer auf die Politik: „Ich frage mich, warum die Politiker die Situation so locker sehen. Naja, Politiker müssen ja keine Insolvenz anmelden.“ Er sieht die wirtschaftliche Situation nicht locker. Im Gegenteil: „Ich bin sprachlos. Ich habe schlaflose Nächte, obwohl der Laden gut läuft.“
Angst vor Corona und Geldsorgen
Sie lächelt, auch wenn sie sich große Sorgen macht: Pritsadang Ruzicka führt seit 2009 eine seriöse Thai-Massagepraxis, zwischenzeitlich in der Hussenstraße. Auf das seriös legt sie Wert, wohlwissend, dass gerade in Deutschland in dem Bereich Erotik impliziert wird, der definitiv deplatziert ist.
Sie ist ausgebildete Thai-Masseurin, ein anständiger Beruf, wie sie betont. Ihr Geschäft lief gut. Sie hat sich über ihre zufriedenen Kunden gefreut, denen sie mit Massage und Akupressur, beispielsweise bei Rückenschmerzen oder Nackenverspannungen, helfen konnte. Doch dann kam Corona. „Die Kunden sind lange nicht gekommen aus Angst vor Corona“, berichtet Pritsadang Ruzicka.

Die Kunden kommen aber immer noch nicht. Corona gibt es immer noch. Und aufgrund der Inflation „sparen viele Leute schon jetzt“, so Ruzicka. Vor Corona war der Terminkalender voll, jetzt gibt es Tage, an denen sie nicht eine Massage hat. Hinter ihrem Lächeln verbirgt sie Trauer und Zukunftssorgen. Sie spricht sich selbst Mut zu: „Ich atme. Ich lebe. Ich kann arbeiten. Ich kann putzen gehen, ich kann nähen.“ Irgendwie wird sie Geld verdienen können, weil vom Staat will sie nicht abhängig sein. „Ich mache den Beruf gerne. Es ist schön, wenn ich Menschen helfen kann. Das macht mich auch ein wenig stolz“, sagt Pritsadang Ruzicka.
Aber auch sie weiß nicht, wie es weitergehen soll. Zum einen fehlen die Kunden, zum anderen schlägt auch bei ihr die Energiekostenexplosion hart ins Kontor. „Die Preise kann ich nicht noch niedriger machen“, stellt sie fest. Jetzt rinnt ihr doch eine Träne über die Wange. Sie fasst sich aber sofort wieder, lächelt und sagt, eher zu sich selbst: „Ich muss kämpfen!“
Es sind keine Einzelfälle
Eben um diese Existenzen kämpft auch die Handwerkskammer Konstanz, denn es handle sich mitnichten um Einzelfälle. „Es trifft jede Branche“, stellt Georg Hiltner fest. Auch die eigentliche Boom-Branche Bauhandwerk. Aufgrund der heftigen Preissteigerungen und Lieferengpässe sind auch diese Gewerke in der Bredouille. „Hinzu kommt die Leitzinserhöhung, welche eine massive Verteuerung von Krediten zur Folge hat“, fügt Hiltner an. „Private Haushalte stellen fast geplante Bauvorhaben zurück, ebenso die öffentliche Hand“, berichtet Hiltner.
Auch er übt Kritik an der Politik, die zum großen Teil die Bodenhaftung verloren habe, so Georg Hiltner, der sich für Umdenken der Regierung einsetzt. Nicht nur die Handwerkskammer, auch die Industrie- und Handelskammer engagiere sich auf politischer Ebene. So hat gerade die deutsche IHK eine Resolution zur Energiekrise verfasst. Hiltner sagt deutlich: „Ich vermisse die Sensibilität der Politiker und hoffe, dass die Politik schnell in die Gänge kommt, Ideologien über Bord wirft und den Menschen eine Lösung zeigt.“