Die Stadtwerke Konstanz kaufen das Gas für ihre Kunden ab sofort bei einem Staatskonzern: Die Übernahme des Gashändlers Uniper durch den Staat wirkt sich bis in die letzte Verästelung des Gasnetzes an der Staatsgrenze aus. Dazu hat der SÜDKURIER die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wird meine Gasrechnung niedriger, wenn der Lieferant der Stadtwerke verstaatlicht wird?

Das ist nicht direkt zu erwarten, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter. Sein Unternehmen kauft, wie viele andere kommunale Versorger, Erdgas bei Uniper. Nur weil dieses Unternehmen in Staatsbesitz kommt, kann es allein deshalb seinerseits nicht billiger einkaufen und auch in der Folge nicht automatisch niedrigere Preise weitergeben. Die Verstaatlichung von Uniper soll ja auch eher sicherstellen, dass diese Aktiengesellschaft nicht kollabiert und gar nicht mehr liefern kann.

Er schaut mit Sorge auf die nächsten Monate: Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz.
Er schaut mit Sorge auf die nächsten Monate: Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz. | Bild: Hanser, Oliver

Bleibt es dabei, dass sich der monatliche Abschlag durch die Gasumlage weiter erhöht?

Ja, erklärt Stadtwerke-Chef Norbert Reuter. Trotz der inzwischen immer lauter werdenden rechtlichen Bedenken gegen die Gasumlage wird diese ab der November-Abschlagszahlung für die privaten Gaskunden mit eingerechnet. Darauf haben sich die Stadtwerke vorbereitet, und kurzfristig könnten sie das auch gar nicht so einfach ändern. Die Gasumlage beträgt 2,4 Cent pro Kubikmeter Gas. Bei einer vierköpfigen Familie mit dem Standard-Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr macht das rund 500 Euro aus, also über 40 Euro pro Monat. Und dazu kommen ja auch noch die stark gestiegenen Preise für das Gas selbst.

Das könnte Sie auch interessieren

Gibt es auch Aussichten, dass die Kosten wieder sinken?

Durchaus, denn die Bundesregierung will die Mehrwertsteuer auf Gas von derzeit 19 auf sieben Prozent senken, so lange auch die Gasumlage kassiert wird. Je nach Preis für die einzelne Kilowattstunde ist es sehr gut möglich, dass die Entlastung bei der Mehrwertsteuer mehr ausmacht als die Belastung durch die Gasumlage. Hier gibt es also Hoffnung. Dennoch sind die Preise pro Kilowattstunde so hoch wie nie. Gas bleibt auf lange Zeit sehr teuer, sagt auch Norbert Reuter.

Wie sieht es für die Gewerbebetriebe in der Stadt aus?

In Konstanz gibt es nur wenige Großunternehmen, bei denen Strom oder Gas einen erheblichen oder gar überwiegenden Teil der Kosten ausmacht – das ist in Regionen mit starker Industrie oft anders. Dafür ist aber die Lage bei kleinen, energieintensiven Gewerbebetrieben sehr schwierig, so der Stadtwerke-Chef. Die Sorge um die Wirtschaft sei lange etwas im Hintergrund gestanden, bedauert er im SÜDKURIER-Gespräch. Die Stadtwerke hätten diese aber im Blick und versuchten, die örtliche Wirtschaft so gut wie möglich zu unterstützen.

Hier lagert Gas, aber der Vorrat reicht an einem kalten Wintertag leider gar nicht lang: Der Kugelspeicher der Stadtwerke Konstanz hat ...
Hier lagert Gas, aber der Vorrat reicht an einem kalten Wintertag leider gar nicht lang: Der Kugelspeicher der Stadtwerke Konstanz hat leider nur einen kleinen Einfluss auf die Versorgungssicherheit. | Bild: Maurice Sauter

Sind die Stadtwerke als wichtigster Versorger der Stadt Konstanz in Gefahr?

Die Städte, Gemeinden und ihre Stadtwerke fordern nicht umsonst einen staatlichen Schutzschirm, erklärt Norbert Reuter. Auch die breit aufgestellten Stadtwerke Konstanz seien nicht vor einer Zahlungsunfähigkeit gefeit. Wenn fünf Prozent der Haushalte ihre Energierechnung einfach nicht mehr zahlen können, könnte das ein Loch von zehn Millionen Euro pro Jahr in die Stadtwerke-Kasse reißen – wobei diese Kunden nicht nur nicht zahlen, sondern auch noch weiter versorgt werden müssen. Allein das ist bedrohlich.

Welche Risiken kommen im Winter auf uns zu?

Das Winterwetter ist dieses Jahr von so großer Bedeutung wie vielleicht noch nie. Die Stadtwerke kaufen Gas in der Menge, die sich aus der durchschnittlichen Temperatur der zehn vergangenen Jahre ergibt. Wird es diesen Winter besonders kalt, müssen sie die zusätzliche Menge zu einem dramatisch höheren Preis einkaufen. Diese Mehrkosten können sie aber nicht an ihre Kunden weitergeben, weil deren Preis ja vertraglich fixiert ist.

Auch die Stadtwerke Konstanz sind hier Kunde: Der Gas-Großhändler Uniper muss vom Staat gerettet werden, damit der Gasmarkt nicht ...
Auch die Stadtwerke Konstanz sind hier Kunde: Der Gas-Großhändler Uniper muss vom Staat gerettet werden, damit der Gasmarkt nicht kollabiert. | Bild: Oliver Berg

Ein einzelner extrem kalter Monat kann die Stadtwerke laut Norbert Reuter nochmals drei bis vier Millionen Euro kosten. Drittens kommt hinzu, dass die Lieferanten der Stadtwerke ihr Geld schneller sehen wollen als bisher. Die Kunden zahlen aber ihr Gas übers Jahr verteilt. Ein Teil des Geldes, das die Stadtwerke zum Beispiel im Dezember bezahlen müssen, bekommen sie von ihren Abnehmern erst im Frühjahr mit dem Abschlag. Das drückt auf die Liquidität.

Das könnte Sie auch interessieren

Können Stadtwerke als öffentliche Unternehmen in eine ähnliche Lage geraten wie jetzt Uniper?

Grundsätzlich können Stadtwerke wie jede GmbH insolvent werden, sagt Stadtwerke-Chef Norbert Reuter. Wenn Banken keine Kredite mehr geben, werden städtische Bürgschaften oder Zuschüsse benötigt, denn der Versorgungsauftrag besteht ja weiterhin – und der Bedarf auch. Ohne Energie- und Wasserversorgung geht es schließlich nicht, ohne Busverkehr und Bäder nur sehr schwerlich. Die Stadtwerke Konstanz sind dabei in einer unguten Lage: Die Geschäfte rund um den Tourismus und die Erholung (Weiße Flotte, Bäder) haben schon unter Corona gelitten. Und ins Glasfaser-Netz wurde massiv investiert, aber die Einnahmen sprudeln noch nicht entsprechend. Schon 2021 beendete das Unternehmen mit einem Verlust von 13,5 Millionen Euro – bei einem Umsatz von 167,8 Millionen Euro.

Müssen wir als Bürger durch den Energie-Preisschock auf Leistungen der Stadt verzichten?

Das ist leider keineswegs ausgeschlossen. Um Heizkosten zu sparen, könnten bekanntlich ganze Einrichtungen geschlossen werden. Die Stadt wird aber auch sehr viel zusätzliches Geld brauchen, um die Stadtwerke (die über viele Jahre immer ordentlich Dividende und Gewerbesteuer gezahlt haben) über die schwere Zeit zu bringen. Das wird Konstanz zumindest teilweise an anderer Stelle wieder einsparen müssen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es diesen Winter zu Abschaltungen kommt?

Hier hat Stadtwerke-Chef Norbert Reuter gute Nachrichten. Er hat eben von einer Tagung des Verbands Kommunaler Unternehmen die Information mitgebracht, dass die Gasspeicher aktuell zu 90 Prozent voll sind, das erste Terminal zur Anlandung von Flüssiggas (LNG) in Betrieb geht und dass die Branche derzeit hofft, dass nicht die letzte Stufe der Gasmangellage ausgerufen werden muss. Auch dass der Druck im Netz so weit sinkt, dass die Kunden am Ende der Konstanzer Gasleitungen, also auf dem Bodanrück und auf der Schweizer Seite des Untersees, aus technischen Gründen nicht mehr beliefert werden können, sei aktuell nicht zu erwarten.

Was raten die Stadtwerke den Verbrauchern jetzt?

Drei Dinge: Erstens – wenn es eng wird mit dem Abschlag, nicht den Kopf in den Sand stecken und Kontakt zu den Stadtwerken aufnehmen. „Wir sind vor Ort, wir sind offen, wir finden mit unseren Kunden eine Lösung. Kopf in den Sand stecken ist die schlechteste Idee“, so Norbert Reuter. Zweitens – nicht um Gas zu sparen via Heizlüfter mit Strom heizen, denn das ist noch viel teurer und könnte einen Kollaps im Stromnetz auslösen. Drittens – Energie sparen.

Das könnte Sie auch interessieren

Norbert Reuter versteht die Aufregung nach der Waschlappen-Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht. Er sagt: Wenn alle sparen, sind die Kosten nicht nur für jeden Einzelnen, sondern für alle geringer. Beim Gas betrifft dies vor allem den Heizen und den Warmwasserverbrauch. Also in nicht genutzten Räumen die Heizung runterdrehen. Und, so Norbert Reuter, „ja, auch kürzer duschen hilft.“