Auf den ersten Blick sieht das Lager imposant aus. Palettenweise leere Weinflaschen stehen mit Folie umwickelt auf dem Hof der Spitalkellerei Konstanz. Es wirkt, als würde ein halber Weinberg in dieses Glas passen. Doch weit gefehlt, was wirkt wie ein langfristiger Vorrat, ist schnell verbraucht. Und was dann kommt? Da kann Stephan Düringer nur hoffen. Denn Weinflaschen sind knapp geworden.

Ein paar Paletten leere Flaschen stehen auf dem Hof der Spitalkellerei. Doch für einen Jahresvorrat wäre hier gar kein Platz. Und das ...
Ein paar Paletten leere Flaschen stehen auf dem Hof der Spitalkellerei. Doch für einen Jahresvorrat wäre hier gar kein Platz. Und das könnte noch zum großen Problem werden. | Bild: Rau, Jörg-Peter

„Bisher hat unser Lieferant uns die Treue honoriert und geliefert“, sagt der Kellerei-Pächter. Aber nicht immer bekommt er, was er haben will. Die nächsten Chargen Rosé wird er nicht in schickes Klarglas, sondern wie früher in grüne Flaschen abfüllen. Und selbst um die beneiden ihn viele Kollegen aus der Region wie auch aus dem Bundesgebiet.

Sorge um die Versorgung

Auch Thomas Sättele bekommt immer wieder Anrufe. Ob man vielleicht mit Flaschen aushelfen könne? Doch das ist nicht einfach, sagt der Kellermeister des Winzervereins Reichenau. Auch er profitiert jetzt davon, dass die Inselwinzer nicht immer dort kaufen, wo die Flasche einen halben Cent billiger ist, sondern beim langjährigen Geschäftspartner. Deswegen kann er regelmäßig die Mengen abrufen, die er braucht. Noch, sagt Winzerverein-Geschäftsführer Manfred Krämer. Denn auch er macht sich Sorgen um die Versorgung mit Leergut.

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„Keine Flaschen, keine Abfüllung, kein Verkauf, keine Einnahmen – und kein Platz in den Fässern“ – so bringt es Stephan Düringer auf den Punkt. Ein Engpass beim Glas kann, da ist er sich mit seinen Reichenauer Kollegen einig, einen ganzen Wirtschaftszweig zum Stillstand bringen. Grund sind die hohen Energiekosten, die bei der Schmelze von Glas besonders hart ins Gewicht fallen. Da produzieren manche Glashütten nur noch gebremst oder lieber andere Produkte als vergleichsweise billige Weinflaschen.

Die Qualität der Trauen ist super, das stimmt Stephan Düringer von der Spitalkellerei Konstanz zuversichtlich. Weniger optimistisch ist ...
Die Qualität der Trauen ist super, das stimmt Stephan Düringer von der Spitalkellerei Konstanz zuversichtlich. Weniger optimistisch ist er, wenn er an die rapide steigenden Kosten denkt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Wobei – billig sind Flaschen überhaupt nicht mehr. Etwas über 20 Cent kostet die Leichtglas-Literflasche für die Gastronomie-Abfüllung, über einen Euro die edle Bordeaux-Flasche für den Wein aus dem Barrique-Fass. Dazu kommen noch Etikett und Verschluss. Kork verwenden die Winzer in der Region kaum noch. Kein Wunder, der kostet in anständiger Qualität gleich noch 50 Cent zusätzlich.

Alle Flaschen wandern in die Tonne

Doch warum werden Weinflaschen eigentlich nicht wieder befüllt? So, wie es jahrhundertelang üblich war? Noch vor wenigen Jahrzehnten hatten sowohl die Spitalkellerei als auch der Winzerverein Reichenau eine Spülanlage für Leergut. Heute wandert alles in die Altglastonne, wird zu Scherben geschlagen, gereinigt, eingeschmolzen und neu gegossen.

Im Keller des Reichenauer Winzervereins stehen massenhaft Flaschen in Plastik-Mehrwegkisten. Doch die sind alle schon mit ...
Im Keller des Reichenauer Winzervereins stehen massenhaft Flaschen in Plastik-Mehrwegkisten. Doch die sind alle schon mit Müller-Thurgau, Spätburgunder und Co. befüllt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Abgefüllt wird bei den beiden großen regionalen Betrieben nur in fabrikneue Flaschen. Was lange Zeit als billig und praktisch galt, wird nun zum Problem. Denn auf die schnelle ist Mehrweg kein Ausweg, weil fast alle dafür erforderlichen Maschinen längst verschrottet sind und eine neue Genehmigung für eine Spülanlage mit massivem Chemikalieneinsatz kaum zu erhalten ist, wie Kellermeister Sättele sagt.

Auch die Spitalkellerei befüllt zwar Literflaschen, die theoretisch mit zwei Cent Pfand belegt sind, nimmt aber kein Leergut mehr zurück. Bis vor einigen Jahren hatte der Glaslieferant es noch angenommen und zu einer Großspülerei gebracht, sagt Stephan Düringer, „doch dieser Kreislauf ist nun unterbrochen – obwohl wir daran vielleicht noch sehr froh wären.“

Großhändler sagt: Mehrweg ist kein Ausweg

Rückfrage beim Großhändler: Das Familienunternehmen Zimber aus Müllheim im Markgräflerland beliefert die beiden regionalen Weinbaubetriebe. Seniorchef Wilhelm Zimber gibt Pfandsystemen keine große Chance, denn Transport- und Reinigungskosten seien hoch, das Sortieren aufwendig und das Ablösen der Etiketten schwierig.

Er setze auf eine sehr enge Partnerschaft mit seinen Lieferanten und Kunden und könne derzeit noch zuverlässig liefern. Neue Kunden könne die Firma Zimber aber nicht mehr annehmen. Und: „Flaschen werden teurer, der Energiezuschlag wird schon bald von rund 18 auf 35 Prozent steigen.“

Die Konsequenz: Der Wein wird teurer

Und was heißt das alles für die Kunden? Dass der Wein ganz ausgeht, die Fässer nicht mehr leer werden und die Winzer in Konstanz und auf der Reichenau ihre Lese 2023 nicht mehr lagern können, ist nach Aussagen der regionalen Experten derzeit eher nicht zu befürchten. Aber teurer wird der regionale Wein wohl auf jeden Fall. Auch Erzeuger auf der anderen Seeseite haben schon angekündigt, dass sie unter anderem wegen der Flaschenknappheit die Preise erhöhen werden.

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Denn die preiswerteste und wohl auch ressourcenschonendste Form der Abfüllung, der Plastikschlauch in der Kartonkiste, wie er bei Saft zunehmend verwendet wird und in Italien oder Frankreich auch für höherwertigere Weine nicht mehr tabu ist, wird es zumindest bei der Spitalkellerei nicht geben. „Bag-in-Box? Nein!“, entfährt es Stephan Düringer, „Wein in Plastik, das ist mit mir nicht zu machen.“ Noch hat er auf dem Hof ja noch ein paar Paletten Leergut stehen.