Herr Zeller, tolles Weinbauwetter in den vergangenen Wochen, oder?
Stimmt. Im Moment ist es, als ob man einem Pakt mit dem Wettergott geschlossen hat. Die Temperatur stimmt, es gibt genügend Feuchte in den Böden und von Frösten und Hagel sind die Winzer bislang weitgehend verschont geblieben. Es kündigt sich gerade ein rundum tolles Weinjahr an.
Dass Sie das sagen, wundert mich?
Warum das denn?

Normalerweise finden die Winzer doch immer ein Haar in der Suppe, und sei es ein ganz kleines…
Ich kann auch ins Detail gehen und sagen, dass es im Markgräflerland schon die eine oder andere Frostnacht gab. Und klar ist auch, dass erst Ende September abgerechnet wird. Und bis dahin kann natürlich noch eine Menge passieren. Aber vielleicht ist es auch mal an der Zeit, einfach positiv gestimmt zu sein.
Gilt das auch fürs Klima? Baden und der Rheingraben ist schon heute das wärmste Fleckchen Deutschlands und es wird immer heißer...
Langfristig stehen wir vor gewaltigen Herausforderungen. Der Lesebeginn verschiebt sich in den letzten Jahren immer stärker in den Sommer. Zuletzt ging es Mitte August los und damit mehrere Wochen früher als normal. Für die Trauben und die Stilistik des Weines ist das nicht gut.

Warum?
In Baden keltern die Winzer traditionell junge und fruchtige Weine, die vom Alkoholgehalt eher moderat sind. Die hohen Temperaturen der letzten Jahre fördern allerdings frühe und hohe Zuckereinlagerungen in den Trauben und damit alkoholstarke Weine. Gleichzeitig sind die Trauben bei der Lese physiologisch oft noch nicht voll ausgereift. Es fehlt ihnen dann schlicht an Säure, die der Wein braucht. Nicht zu gehaltvolle Weine zu bekommen und gleichzeitig voll ausgereifte Trauben zu ernten, ist jedes Jahr eine Gratwanderung.
Erwartet die Kunden in Zukunft statt fruchtiger Frische schwere Bräsigkeit im Spätburgunderglas?
Wenn wir nicht gegenhalten würden, wäre das die Folge. Aber die Winzer und insbesondere auch die Kellermeister, sind ja keine Anfänger. Noch haben wir die klimatischen Veränderungen im Griff. Für den Kunden bleibt der badische Wein unverkennbar das was er ist.

Dem Riesling wird es an der Mosel zu warm, welche Perspektive hat die deutscheste aller Reben dann noch in Baden?
Irgendwann müssen wir uns generell in Deutschland nach Alternativen umschauen, also klimaresistente beziehungsweise Klima-angepasste Sorten pflanzen. Noch sind wir da sicher nicht, aber wer weiß, wie es in zehn oder 15 Jahren aussieht.
Welche Sorten wären das?
Nach meinem Dafürhalten wäre es ideal, wenn wir unsere Burgundersorten, also Weiß- und Grauburgunder sowie Chardonnay und Spätburgunder und natürlich den Riesling halten könnten. Am Bodensee gilt das sicher auch für den Müller-Thurgau oder den Gutedel im Markgräflerland. Die weinbaulichen Möglichkeiten sind da noch nicht ausgeschöpft und diese Sorten sind beim Kunden bekannt und beliebt.
Gibt es denn schon Winzer, die diese Sorten aus Klimagründen ausreißen und durch andere ersetzen?
Das gibt es schon, aber das sind noch Einzelfälle. Wir erkennen aber einen Trend zu sogenannten PiWis, also schädlingsresistenten Rebsorten, die sich besonders für den Bioanbau eignen. Das Problem liegt hier eher in der Vermarktung der Weine. Die Sorten sind beim Kunden im Moment noch nicht voll etabliert.
Das letzte Jahr war so nass wie lange nicht mehr. Da mussten Sie viel Fungizide spritzen, oder?
Ja, das ist so, leider. 2021 standen wir vor der Riesenherausforderung, die Trauben gesund zu halten. Der Krankheitsdruck, gerade bei Pilzen wie dem falschen Mehltau, war enorm. Speziell Biowinzer haben im vergangenen Jahr richtig gelitten.
Dürfen die überhaupt spritzen?
Bestimmte Wirkstoffe, etwa Kupfer, sind auch im Bio-Weinbau zugelassen. Aber diese Mittel sind weniger wirksam. Es gibt nicht wenige Bio-Winzer, die 2021 Totalausfälle bei der Ernte zu beklagen hatten, auch weil in solchen Extremwetterlagen wichtige Wirkstoffe wie Kaliumphosphonat keine EU-Zulassung mehr haben.
Wie viele Winzer verwenden eigentlich noch Glyphosat?
Wir Winzer gehen generell sehr behutsam mit Spritzmitteln um und das aus zwei Gründen. Die Wirkstoffe haben erstens Wahnsinnspreise, so dass keiner gerne viel davon einsetzt. Zweitens stehen wir Weinbauern auch für Nachhaltigkeit und Biodiversität und setzen daher ungern Pestizide ein. Das Aus für Glyphosat Ende 2023 ist aber dennoch ein Problem.
Warum?
Die Bewirtschaftung von Steillagen-Weinbergen ist ohne den Wirkstoff schwer vorstellbar. Glyphosat wird ja verwendet, um den Bewuchs eng begrenzt direkt unter der Rebe zu entfernen. Wenn das nicht mehr möglich ist, weiß ich nicht, wer die Steillagen noch bewirtschaften will.
Das Unkraut per Hand zu mähen ist bei Stundenlöhnen ab 12 Euro keine Alternative. Erstens finden Sie niemanden, der das macht und zweitens werden ja schon heute Steillagen reihenweise aufgegeben, weil sich ihre Bewirtschaftung nicht mehr lohnt. Wenn das Glyphosatverbot Ende 2023 kommt und die Winzer keine Alternative haben, befürchte ich das Schlimmste. Wir werden massive Brachflächen in Steillagen sehen. Und damit auch eine große Veränderung unserer Kulturlandschaft.
Warum lassen die Winzer das Gras unter den Rebstöcken nicht einfach stehen?
Wir brauchen da keinen Wembley-Rasen, aber stehen lassen geht auch nicht. Das würde Reife, Ernte und Qualität zu stark beeinträchtigen.
Als sie ihr Amt angetreten haben, hatten sie das Ziel, Genossenschaften, Keltereien und Einzelweingüter zusammenzuführen. In der Branche wogt ein Streit um neue Etiketten auf Weinflaschen, Lagenbezeichnungen und Öchslegrade. Waren sie erfolgreich?
Ich würde sagen, dass das Verhältnis der Weinbauverbände in Baden nach den Unstimmigkeiten der vergangenen Jahre wieder im Lot ist. Wir reden regelmäßig miteinander und versuchen, bestehende Diskussionspunkte auszuräumen. Das gelingt auch.

Aber in der Substanz bleibt, dass bekannte Großlagen wie Haberschlachter Heuchelberg oder Ihringer Vulkanfelsen bald weitaus seltener die Etiketten schmücken werden als früher…?
Trotz des neuen Weinbaugesetzes, das nun mal gilt und das übrigens von der EU initiiert wurde, wird es immer noch Möglichkeiten geben, solche bekannten Großlagen-Namen auf den Etiketten zu erhalten. Die Welt wird dadurch nicht untergehen, auch nicht für die Genossenschaften. Die guten Betriebe werden auch unter den veränderten Bedingungen erfolgreich sein. Am Ende wird uns das neue Weingesetz auch helfen, unser Profil als Weinbauland Baden zu schärfen und unsere tollen Lagen in Baden besser zu vermarkten. Das ist gut für die Winzer und auch für ihre Kunden. Es muss Lust machen, Wein aus Baden, aus dem Garten Deutschlands zu trinken.