Susanne Armbruster ist erschöpft. Seit ihrem Entschluss geht es ihr aber besser. Den Second-Hand-Laden „Second Heaven“ an der Theodor-Heuss-Straße in Petershausen, den sie seit etwa drei Jahren dort führt, wird sie wohl aufgeben. „Wenn nicht noch ein Wunder geschieht“.

Mal 15, dann mal 25 Euro

Die vergangenen Wochen haben die Radolfzellerin frustriert. „Umsätze von 15, dann 25 Euro, dann wieder 100 Euro – davon bekommt man keine Miete gezahlt“, sagt sie. Sie sei es gewohnt, in den Laden auch Geld zu investieren, sich zu engagieren. Aber man müsse auch von seiner täglichen Arbeit leben können – irgendwie.

Susanne Armbruster reduziert schon mal die Preise auf ihre Waren. Vermutlich wird sie ihren Second-Hand-Laden aufgeben.
Susanne Armbruster reduziert schon mal die Preise auf ihre Waren. Vermutlich wird sie ihren Second-Hand-Laden aufgeben. | Bild: Wagner, Claudia

Susanne Armbruster will nicht unrealistisch sein. Auch die Vorjahre seien schwierig gewesen. Vor ihrem Wechsel nach Petershausen habe sie ein Second-Hand-Geschäft desselben Namens in der Innenstadt geleitet, die bessere Lage habe sich ausgewirkt. Die drei Jahre in Petershausen seien härter gewesen, aber allmählich habe sich auch hier eine Stammkundschaft herausgebildet. „Ich dachte gerade, dass es jetzt doch läuft“, sagt Armbruster. „Und dann kam Corona.“

„Dann passierte erstmal nichts“

Zwischen dem 17. März und 20. April sei gar nichts gelaufen, sie habe ja auch keinen Online-Handel. Am 20. April öffnete sie den Laden wieder für Kunden. „Dann passierte erstmal nichts. Es kamen so gut wie keine Kunden“, sagt Susanne Armbruster. Auch die Stammkunden blieben weg. „Es war wie abgeschnitten.“

Die genauen Gründe kennt sie nicht. Manches liege sicher an der Maskenpflicht – im Second-Hand-Laden müsse man sich Zeit lassen, stöbern, das vertrage sich nicht gut mit dem Mundschutz.

Steuerberater: „Ziehen Sie die Notbremse!“

Armbruster setzt sich mit ihrem Steuerberater zusammen. Er rät: „Ziehen Sie die Notbremse, ehe es eine Privatinsolvenz gibt.“ Susanne Armbruster hat sich entschieden: bis Ende des Jahres will sie aus den Ladenräumen ausziehen. Vor dem Auszug graut ihr schon. Sie habe so viel Liebe in das Geschäft investiert.

Susanne Armbruster in ihrem Second-Hand-Geschäft „Second Heaven“
Susanne Armbruster in ihrem Second-Hand-Geschäft „Second Heaven“ | Bild: Wagner, Claudia

Wie vielen Inhabern kleiner Geschäfte geht es so wie Susanne Armbruster? Die Situation sei bisher noch schwierig zu überblicken, Zahlen gibt es noch keine, schreibt Claudius Marx, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee, auf Anfrage des SÜDKURIER.

Geschäfte halten weiter durch

„Aktuell sehen wir eher, dass die Unternehmen auch da, wo die Situation prekär ist, noch weiter durchhalten. Wir sehen darin durchaus einen Erfolg der staatlichen Hilfsprogramme“, schreibt Marx. Wieweit es den jeweiligen Betrieben gelinge, einen regulären Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen, werde wohl erst das zweite Halbjahr 2020 zeigen.

Mit der Aufgabe von Geschäften ist zu rechnen

„Umgekehrt bedeutet das, dass vielerorts noch mit Geschäftsaufgaben gerechnet wird, sollte sich das Konsumverhalten der Menschen nicht verändern“, schreibt Marx weiter. Das gelte vor allem für den Textileinzelhandel und alle Handelssparten, die keine Güter des täglichen Bedarfs anböten.

In der Neugasse in der Innenstadt sieht man einige Leerstände. Nicht alle haben einen gescheiterten Betrieb als Ursache – manchmal stand schlicht ein Umzug an. Und manchmal wissen die Nachbarn nichts über den Leerstand.

Was aus den XXL-Schuhen in der Neugasse wurde, weiß niemand von den benachbarten Geschäftsinhabern.
Was aus den XXL-Schuhen in der Neugasse wurde, weiß niemand von den benachbarten Geschäftsinhabern. | Bild: Wagner, Claudia

Bei der Recherche kommt der SÜDJURIER ins Gespräch mit Sybille Werner. Sie verkauft seit vielen Jahren Deko-Artikel.

Sybille Werner vor ihrem Deko-Geschäft „einzigartig“ in der Neugasse. Den Ladenraum hat sie zu Ende Dezember gekündigt.
Sybille Werner vor ihrem Deko-Geschäft „einzigartig“ in der Neugasse. Den Ladenraum hat sie zu Ende Dezember gekündigt. | Bild: Wagner, Claudia

„Als ich 2009 in der Wessenbergstraße anfing, passten die Umsätze“, erinnert die Inhaberin sich. Später musste sie umziehen, die Miete in der Neugasse ist geringer, die Kundenfrequenz auch. Nach dem Corona-Lockdown erlebt sie dasselbe wie Susanne Armbruster. Die Umsatzsummen im Keller: mal 30, mal 100, mal 60 Euro. Und ihr Verständnis für die Kunden: „Wer braucht denn schon Deko, wenn man in Kurzarbeit ist?“

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Eine Aushilfe könne sie sich nicht mehr leisten, also stehe sie jeden Tag im Geschäft, habe keinen freien Tag, keinen Urlaub mehr. Mit ihrem Steuerberater habe sie die Zahlen angesehen und entschieden: „Ich kündige zum 31. Dezember die Ladenmiete“. Die Arbeitslosigkeit fürchtet Werner nicht, sie werde etwas finden.

Bild 5: Die ersten Konstanzer Geschäfte müssen aufgeben, weil sie die Corona-Verluste nicht mehr auffangen können
Bild: Wagner, Claudia

Es ist nicht die Angst vor der Zukunft, die die beiden Frauen umtreibt. Sondern das Bedauern, das aufzugeben, worin sie viele Jahre lang Energie, Engagement, Geld und Sinn investierten. Den Traum zu verwirklichen, die eigene Existenz zu gestalten, das war ohnehin schwierig – jetzt hat ihn das Virus zunichte gemacht.