In der Bütt herrscht Narrenfreiheit. Wer hier poltert, darf dafür nicht belangt werden – so lange es nicht persönlich wird oder unter die Gürtellinie geht. Was dereinst bei jeder Fasnacht gelebt und geliebt wurde, spielt längst eine untergeordnete Rolle: Narren, die Gesellschaft und Politik den Spiegel vorhalten.

Redeten beim Frühschoppen der Quaker Klartext: Christoph Vayhinger (ganz rechts) sowie Wolfgang Gerstenauer (daneben). Links Kurtle ...
Redeten beim Frühschoppen der Quaker Klartext: Christoph Vayhinger (ganz rechts) sowie Wolfgang Gerstenauer (daneben). Links Kurtle Köberlin sowie Male Vayhinger. | Bild: Schuler, Andreas

„Das gehört doch zum Urgedanken der Fasnacht“, sagt Wolfgang Gerstenlauer, Rat der Allmannsdorfer Quaker-Zunft. Beim Frühschoppen der Quaker lederte er auf der Bütt so richtig los. Fast jede politische Richtung rund um den Globus bekam bei der beeindruckenden Rede des einstigen Direktors der Allmannsdorfer Grundschule Schuldirektors ihr Fett weg. Hier ein paar Auszüge:

Vladimir Putin: „Führt gerne Krieg in andren Ländern, um dort die Dinge so zu ändern, dass sie nach seinem Willen gehen. Dies können wir in Libyen sehen, in Syrien, auch in der Ukraine. Ein Verbrecher, wie ich meine.“

Donald Trump: „Er kann die dümmsten Sachen machen, man kann schon nicht mehr drüber lachen. Zum Beispiel sagt er dem Militär, dass es nicht verwerflich wär, Landminen zu verteilen, auch wenn sie Kinder zerreißen zuweilen.“

Recep Tayyip Erdogan: „Auch er erzählt dem Volk Geschichten, Gedankenfreiheit gibt‘s mitnichten. Wahrheit sperrt er in den Kerker, er wird durch Märchen täglich stärker.“

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Bundespolitiker: „Doch wer nimmt jetzt in seine Hand, die Führung hier in unsrem Land? Beim Lass-et sagt‘s der Name schon, der Spahn hat auch ne Ambition, außerdem fänd‘ ich noch blöder, käm‘ aus Bayern dieser Söder“ oder „Ein letztes Mal gilt es noch zu sagen, ein Märchen aus längst vergangenen Tagen, ein Horrormärchen macht mir Sorgen, von Leuten, die sich Lösungen borgen, die schon damals nicht funktioniert. Die AfD hat‘s nicht kapiert, dass auch heut der damalige Wahn nur in den Abgrund führen kann.“

Gemeinderäte: „Man ruft den Klimanotstand aus, sorgt jeden Samstag dann für Staus, man sagt rasch ab das Seenachtfest, gibt dem Feuerwerk den Rest, eröffnet eine Fahrradstraße, führt die Autofahrer an der Nase und um den Zähringerplatz herum und sagt, das sei fürs Bürgertum. Die Radfahrer werden recht hofiert, auch wenn sie meistens ungeniert, die Regeln, die bei uns hier gelten, gar nicht halten oder selten.“

Hielt beim Frühschoppen der Gesellschaft den Spiegel vor: Quaker-Präsident Christoph Vayhinger.
Hielt beim Frühschoppen der Gesellschaft den Spiegel vor: Quaker-Präsident Christoph Vayhinger. | Bild: Schuler, Andreas

Und auch Quaker-Präsident Christoph Vayhinger entschied sich im Vorfeld des Frühschoppens, ein paar kritische Worte anzuklingen. Er sagte unter anderem: „Da packt mich manchmal fast die Wut. Uns goht‘s doch allenen recht gut. Wir bräuchten nur von Zeit zu Zeit ä bissle mehr Gelassenheit. Und kleiweng Resthirn wär‘ okee – dann wär‘ die Welt nomol so schee.“ Er begründet dies mit dem Zeitgeist, der ihm zu schaffen macht: „Wir beschweren uns über alles und sehen nicht das Gute“, sagt er. „Und wenn wir nicht bei der Fasnacht in der Bütt so reden müssen – wo denn sonst?“

„Fasnacht ist eigentlich nur noch triviale Unterhaltung, weil es von der Gesellschaft so gewünscht ist.“ Andreas Kaltenbach.
„Fasnacht ist eigentlich nur noch triviale Unterhaltung, weil es von der Gesellschaft so gewünscht ist.“ Andreas Kaltenbach. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Andreas Kaltenbach, Zunftmeister der Blätzlebuebe, vermisst solche Reden wie die von Wolfgang Gerstenlauer oder Christoph Vayhinger. „Fasnacht ist eigentlich nur noch triviale Unterhaltung, weil es von der Gesellschaft so gewünscht ist“, erzählt er. „Diese politische Spitzfindigkeit fehlt leider mittlerweile sehr oft.“ Halbprofessionelle Saalfasnacht sei eine Ausnahme, „denn hier reagieren die Protagonisten von einem Tag zum anderen auf aktuelle Themen. Bei der Straßenfasnacht ist das nicht möglich. Da musst du dich schon Monate vorher vorbereiten.“ Der ursprüngliche Sinn der Narretei sei es eben, den Politikern den Spiegel vorzuhalten.

„An die eigene Nase fassen“

Andreas Kaltenbach gibt offen zu: „Ich muss mir da an die eigene Nase fassen. Vielleicht kommt die politische Rede ja wieder vermehrt zurück.“ Es sei gut, dass Landrat Zeno Danner sich zur politischen Büttenrede bekannte: „Er kündigte öffentlich an, dass er sich über meine Sprüche am Schmotzige Dunschtig zu den Bussen des Öffentlichen Nahverkehrs freue. Das zeigt doch, dass die Politik gewisse Dinge zur Fasnacht einfordert.“

„Wenn ich mir Norbert Heizmann anschaue: Der nimmt auf der Bühne politisch alles auseinander.“ Mario Böhler.
„Wenn ich mir Norbert Heizmann anschaue: Der nimmt auf der Bühne politisch alles auseinander.“ Mario Böhler. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Mario Böhler, Präsident der Niederburg, betrachtet die klassischen Büttenreden zwar ebenfalls als Seltenheit. Doch an ein Aussterben mag er nicht glauben: „Wenn ich mir Norbert Heizmann anschaue: Der nimmt auf der Bühne politisch alles auseinander.“ Auch der Auftritt von Simon Schafheitle und Martin Tschaki bei der Fernseh-Fasnacht als Flip und Willi, die vor dem Klimawandel und dem damit verbundenen Aussterben von Tierarten warnten, sei eine klare politische Aussage.

„Unbekannte lokalpolitische Themen“

„Was auf jeden Fall zurückgeht, ist das lokale, auf Stadtteile bezogene Thema. Lokalpolitische Themen sind vielen Menschen nicht mehr bekannt. Das ist schade.“ Als Narren-Präsident gibt Mario Böhler offen zu: „Diese Form der politischen Rede in der Bütt gibt es bei uns gar nicht mehr.“