Kurz nach 18 Uhr passiert der verhängnisvolle Unfall. Ein Lastwagenfahrer möchte noch schnell die Gastanks auf dem Gelände der Stadtwerke beladen, eigentlich ist das tägliche Routinearbeit: Doch dann gibt es einen unerwarteten Defekt, flüssiges Gas tritt aus, entzündet sich, es kommt direkt bei den Tanks zu mehreren Explosionen. Plötzlich stehen Teile der Stadtwerke unter lodernden Flammen, beißender Rauch vernebelt die Sicht, aus dem Feuer sind laute Schreie von Verletzten zu hören.

Es ist ein Szenario, das sich niemand wünscht – auf das man aber trotzdem vorbereitet sein muss: Am Montagabend haben die Feuerwehren Konstanz und Kreuzlingen gemeinsam mit THW, DRK und Maltesern auf dem Gelände der Stadtwerke den Ernstfall geübt. Knapp 220 Einsatzkräfte waren bei der Übung vor Ort, um den Gasbrand zu löschen und Verletzte zu evakuieren – unter möglichst realistischen Bedingungen.

Um 18.19 Uhr geht der Notruf bei der Feuerwehr ein: Ein Zwischenfall mit einem Gas-Transporter auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke Konstanz. Noch fehlen die konkreten Informationen – es soll brennen, einige Verletzte wurden gemeldet. Knapp fünf Minuten später trifft der Wagen des stellvertretenden Kommandanten Thilo Kreuzer auf dem Betriebsgelände ein. Er übernimmt an diesem Abend die Einsatzleitung.

Knappe fünf Minuten nach dem ersten Notruf trifft die Feuerwehr ein, die schweren Atemschutzgeräte werden angelegt, um die Verletzten zu ...
Knappe fünf Minuten nach dem ersten Notruf trifft die Feuerwehr ein, die schweren Atemschutzgeräte werden angelegt, um die Verletzten zu bergen. | Bild: Alban Löffler

Die Flammen haben sich da bei den Gastanks schon ausgebreitet, der Feueralarm heult auf, es riecht verbrannt – mit Pyrotechnik, Nebelmaschinen und einem „brennenden“ Lastwagen versuchen die Organisatoren, die Einsatzlage zu simulieren. „Können Sie mir sagen, wie viele Personen sich noch in den Gebäuden befinden?“, versucht sich Kreuzer einen ersten Überblick zu verschaffen.

Ein Mitarbeiter der Stadtwerke dient ihm als erster Ansprechpartner. „Beim Tankwagen hat es irgendwie eine Explosion gegeben, ich habe noch acht Mitarbeiter, die in dem Gebäude sind“, berichtet er. Doch die Lage bleibt zunächst unübersichtlich.

„Können Sie mir sagen, wie viele Personen sich noch in den Gebäuden befinden?“: Kommandant Thilo Kreuzer (rechts) möchte sich einen ...
„Können Sie mir sagen, wie viele Personen sich noch in den Gebäuden befinden?“: Kommandant Thilo Kreuzer (rechts) möchte sich einen ersten Überblick von der Lage verschaffen. | Bild: Alban Löffler

Nach und nach fahren immer mehr Mannschaftswagen der Feuerwehr auf das Gelände: Die Rolltore der Autos werden aufgerissen, die Kameraden legen sich gegenseitig die schweren Atemschutzgeräte an, das Gelände der Stadtwerke flackert im Blaulicht der Einsatzwagen. Zunächst möchten die Feuerwehrleute sich zu dem Brandherd vorarbeiten, um nach Verletzten zu suchen – das hat jetzt höchste Priorität.

Eine der verletzten Personen ist Fabienne Metzner: In ihrer Rolle spielt sie eine Ersthelferin, die den Brand von außen gesehen hat und helfen wollte – dabei wurde sie aber angefahren und hat sich ihr Handgelenk gebrochen. Metzner ist zum ersten Mal als Mime bei einer solchen Übung dabei. „Das macht echt Spaß, und es ist cool, den Einsatz zu beobachten“, sagt Metzner, die selbst beim Deutschen Roten Kreuz aktiv ist. Schnell treffen zwei Feuerwehrleute ein und holen die Verletzte aus der Gefahrenzone.

Oberste Priorität: Menschenleben retten. Auf dem gesamten Gelände sind Verletzte verteilt, manche werden von „echten“ Mimen gespielt, ...
Oberste Priorität: Menschenleben retten. Auf dem gesamten Gelände sind Verletzte verteilt, manche werden von „echten“ Mimen gespielt, daneben sind auch Puppen im Einsatz. | Bild: Alban Löffler

„Die Übung ist für uns ein echtes Highlight“

Neben echten Mimen werden auch Puppen benutzt, um bewusstlose Personen zu simulieren. Eine Frau liegt nur wenige Meter vor den brennenden Gastanks: Mehrmals müssen die Feuerwehrleute sie wieder auf dem Boden ablegen, mit Atemschutzgerät und Sauerstoffflasche geht die Belastung bis an die Höchstgrenzen – schließlich können sie die Verletzte an den Rettungsdienst übergeben.

„Die Übung ist für uns ein echtes Highlight“, sagt Márton Krolopp vom DRK Konstanz: Neben den hauptberuflichen DRK-Sanitätern rücken auch die ehrenamtlichen Helfer vom Bevölkerungsschutz aus, um die Kräfte zu unterstützen. „Der Bevölkerungsschutz hat deutlich weniger Einsätze im Jahr, da sind solche Übungen wichtig, um leistungsfähig zu bleiben“, erklärt Krolopp.

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Die Versorgung der Verletzten, der Gasbrand und die Gefahr einer weiteren Eskalation: Die Feuerwehr Konstanz benötigt Verstärkung, die Leitstelle meldet sich bei den Nachbarn in Kreuzlingen. Die Schweizer kommen ihren Kollegen mit zwei Löschzügen und rund 50 Einsatzkräften zur Hilfe.

Kreuzlinger Feuerwehr packt mit an

Im Ernstfall muss das reibungslos funktionieren: So unterstützte die Kreuzlinger Wehr in diesem Sommer die Konstanzer auch beim Großbrand in der Altstadt. „Wir haben da eine sehr enge Zusammenarbeit und üben die Abläufe immer wieder mit verschiedenen Übungen“, erzählt der ehemalige Kreuzlinger Feuerwehrkommandant Kurt Affolter – der an dem Abend als Beobachter dabei ist.

Die Aufgabe der Schweizer ist es, den großen Gastank zu kühlen, denn eine Ausbreitung des Brands wäre fatal. Mit ihrer Drehleiter spritzen sie aus rund 40 Metern Höhe Wasser auf die Kugel, um eine Explosion zu verhindern. Daneben sind sie für den Verkehr zuständig, Teile der Oberlohnstraße sind an diesem Abend gesperrt.

Die Kreuzlinger Feuerwehr kühlt die große Erdgaskugel. Bilder: Alban Löffler
Die Kreuzlinger Feuerwehr kühlt die große Erdgaskugel. Bilder: Alban Löffler | Bild: Alban Löffler

Nach rund zwei Stunden Einsatz versammelt Thilo Kreuzer ein letztes Mal das Leitungsteam um sich, die Lage ist jetzt unter Kontrolle. Dann gibt Michael Müller von den Stadtwerken Konstanz das Schlusssignal: „Ich darf euch mitteilen, dass wir das Übungsende bekanntgeben.“ Auch für ihn sei dieser Abend etwas Besonderes, sagt er, seit dem Frühjahr sind die Stadtwerke an den Planungen beteiligt gewesen.

Einsatzleiter Kreuzer lobt die Zusammenarbeit aller Beteiligten: „Wir konnten alle bekannten Vermissten auffinden und retten, den Tanklastzug ablöschen und die anderen Gasbehälter kühlen – das hat sehr gut funktioniert.“