Das Geschehen in Kürze
- Feuer im Spaltgaswerk war der größte Brand in der Konstanzer Geschichte
- In 40 Meter Entfernung begann es zu brennen, weil die Hitze so stark war
- Das Wichtigste war, das Feuer vom nahegelegenen 600.000-Liter-Gastank fern zu halten
Vorweihnachtstag. Während die einen wie jedes Jahr nochmal kurz los mussten, um bei Nieselregen über die Markstätte zu hetzen und die letzten Geschenke für ihre Liebsten zu kaufen, stimmten sich andere vielleicht schon zu Hause mit Plätzchenbacken, Christbaumschmücken oder Weihnachtsliedern auf Heiligabend ein.
Für die Feuerwehrmänner aus Konstanz aber sollte der 23. Dezember 1967 ein Tag werden, den sie so schnell nicht wieder vergessen: Zusammen mit knapp 350 anderen Einsatzkräften vom gesamten Bodanrück, Kreuzlingen, Weinfelden und Singen bekämpften sie unter Einsatz ihres Lebens den größten Brand in der Geschichte der Stadt.
Weder davor, noch jemals wieder hatte es die Feuerwehr Konstanz mit einem Feuer dieser Dimension, wie im Falle des Spaltgaswerkbrandes der Stadtwerke Konstanz, zu tun. Durch ein undichtes Ventil war Gas aus einem der Behälter entwichen und hatte mit einer offenen Flamme in der Nähe der Tanks reagiert. Konrad Schatz erinnert sich noch sehr gut an den Unglückstag.

Damals noch als er im Konstanzer Münster tätig, war er bereits am frühmorgens mit den Vorbereitungen für den weihnachtlichen Festgottesdienst beschäftigt, als gegen 8.30 Uhr sein Alarm losging. Alles stehen und liegen lassend, eilte Schatz zum Gerätehaus am Stephansplatz, von dem aus bereits das erste Einsatzfahrzeug mit zwei diensthabenden Feuerwehrmännern zum Unglücksort in die Max-Stromeyer-Straße losgefahren war.
Die Luftschutzsirenen dröhnten
Zur gleichen Zeit alarmierte eine Sturmglocke Matthias Mende in seiner Wohnung in Petershausen und den damals 27-jährigen Josef Brack in seinem Elternhaus in der Friedrichsstraße. Beide machen sich ebenfalls zu Fuß oder per Fahrrad sofort auf den Weg zum Gerätehaus in die Steinstraße. „Man konnte vom Gerätehaus aus schon den dunklen Rauch und den Feuerschein sehen“, erinnert sich Mende.

Begleitet von einsetzenden Luftschutzsirenen zur Warnung der Bevölkerung erreichten die Männer einen Brandherd mit ungekanntem Ausmaß: Vier der sechs 100.000-Liter-Flüssiggasbehälter des Spaltgaswerkes brannten schon lichterloh und drohten die beiden verbleibenden zu entzünden. Die Flughafenfeuerwehr Klothen und die Hubschrauberstaffel der Bundeswehr wurden bereits alarmiert – für den Katastrophenfall.

Da das Wasser aus den Hydranten bei einem Feuer dieser Größe nicht mehr ausreichte, verlegten die Feuerwehrmänner eine Leitung vom Seerhein zum Gaswerk und begannen anschließend, unter der Leitung von Feuerwehrkommandant Rudolf Santo und dem Ingenieur und späterem Stadtwerke-Direktor Hubert Henning in kleineren Gruppen, die einzelnen Tanks neben der Kuppel mit einer Wasserwand zu kühlen.

Mit dieser Aufgabe war auch Heinrich Harder betraut. Der damals 31-jährige verbindet mit diesem 23. Dezember allerdings noch ein ganz anderes Ereignis, er erwartete nämlich die Geburt seines dritten Kindes.
Wie er nach dem Einsatz erfuhr, war sein Sohn zwar bereits am späten Abend geboren worden, aber das Krankenhaus hatte ihn in der Nacht nicht mehr informiert. Immer wieder in Gedanken bei der Familie gab Harder daher alles, um das Schlimmstmögliche, die Explosion des angrenzenden 600.000-Liter-Tanks, zu verhindern.
In 40 Meter Entfernung begann es zu brennen
Die Strahlungshitze war jedoch so stark, dass die Männer sich kaum näher als zehn Meter den Behältern nähern konnten. Sogar das Polster eines Einsatzfahrzeuges in 40 Meter Entfernung fing Feuer und der rote Lack blätterte ab. „Die Hitze war so groß, dass die Einsatzkleidung mit Wasser gekühlt werden musste. Und innerhalb weniger Minuten war man wieder trocken“, erklärte Brack.
Das Deutsche Rote Kreuz versorgte die Rettungskräfte mit weißen Brandschutzsalben, die aber der Wärme nicht standhalten konnten und flüssig wurden. Zusätzlich zog sich manch einer den schweren Stahlhelm verkehrt herum auf, um das Nackenleder als Hitzeschutz umzufunktionieren.

Trotz aller Anstrengungen arbeitete der Wind gegen die Einsatzkräfte und blies das Feuer immer weiter in Richtung des großen Tanks. Und als sich schließlich der fünfte Tank entzündete, wurde die Lage zunehmend ernster. Ein Großteil der Feuerwehrmänner bespritzte nun mit vereinten Kräften den fünften Tank, um das Feuer langsam bis zum ersten zurück zu drängen.

„Während der Brandbekämpfung wurden an einem der Behälter mit einem Mal längliche gelbe Streifen sichtbar. Nach späteren Erkenntnissen war das der gefährlichste Moment. Wäre die Temperatur noch 5-8 Minuten angestiegen, wäre der Tank explodiert und hätte im Umkreis von ein paar 100 Metern alles zerstört“, so Mende.
Gegen 12.10 Uhr hatte die Mannschaft schließlich den stundenlangen Kampf gegen den Feuerteufel gewonnen. „Es war ein Weihnachtsgeschenk, dass alles gut ausgegangen ist“, erklärt auch Heinrich Harder.
Die Tage nach dem Brand
Wenn Matthias Mende sich an die Tage nach dem Brand erinnert, sind ihm vor allem die große Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit der Konstanzer in Gedanken geblieben. Unmittelbar nach dem Brand sei ein Verpflegungslager mit Tee und kleinen Speisen in der Omnibushalle eingerichtet worden und ist man zwischen Weihnachten und Neujahr in ein Lokal eingekehrt, seien unerwartet fremde Menschen an den Tisch gekommen, haben sich bedankt und und manchmal sogar ungefragt die Getränke bezahlt.
Dieser SÜDKURIER-Artikel wurde erstmals im Jahr 2017 veröffentlicht und spiegelt den damaligen Informationsstand wider.