Florian Bottlang entkam in letzter Sekunde

Florian Bottlang wurde aus Allensbach an den Brandherd gerufen.
Florian Bottlang wurde aus Allensbach an den Brandherd gerufen. | Bild: Claudia Rindt

Florian Bottlang wurde als Angehöriger der Feuerwehr Allensbach an den Brandplatz in Konstanz gerufen. Schon in den Morgenstunden habe er geahnt, dass die Kameraden in Konstanz die Hilfe von anderen Feuerwehren aus der Region benötigen würden, sagt der 42-Jährige. Er habe im Online-Ticker des SÜDKURIER vom Großbrand erfahren.

Nach dem Alarm seien sie mit Atemschutz und Blaulicht nach Konstanz in die Steinstraße geeilt und hätten dort eine Kurzeinführung zur Lage bekommen. Mit einem Sonderbus seien sie schließlich in die Altstadt gefahren. „Man hat nur die Manpower gebraucht.“

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Sein Auftrag sei es gewesen, zu löschen. Über dem Lager des Schuhhauses habe er versucht, die Glutnester zu bekämpfen. Dann sei über Funk der Befehl gekommen, sofort das Gebäude zu verlassen. „Wir sind gerade zur Tür raus, als es zusammengesackt ist“, erinnert sich Florian Bottlang.

Archivbild
Archivbild | Bild: Oliver Hanser

An den Zusammenbruch habe er selbst gar keine Erinnerung mehr, er habe erst auf Video gesehen, was sich ereignete. Im Moment des Zurückrufens sei er ganz gesammelt geblieben: „Ich habe mein Strahlrohr abgelegt und bin zügig aus dem Haus raus. Da verfällt man nicht in Panik.“

Für die Feuerwehr war es ein Einsatz voller Tücken

Erst wütete das Feuer, dann stürzte das denkmalgeschützte Gebäude an der Ecke Hussenstraße/Kanzleistraße ein. Vor zehn Jahren, am Tag vor Heiligabend, ereignete sich rund um das Schuhhaus Haug ein Drama in der Konstanzer Altstadt. 54 Menschen verloren ihr Hab und Gut. Ein Gebäude wurde zerstört, weitere mit ebenfalls mittelalterlicher Bausubstanz schwer beschädigt.

Das Feuer breitete sich schnell in den Häusern der historischen Altstadt von Konstanz aus. (Archivbild)
Das Feuer breitete sich schnell in den Häusern der historischen Altstadt von Konstanz aus. (Archivbild) | Bild: Oliver Hanser

Hunderte Feuerwehrleute aus der gesamten Region und der Schweizer Nachbarstadt Kreuzlingen waren über fünf Tage mehr als 100 Stunden im Einsatz. Noch heute dient der Brand Schulungszwecken. Nachwuchskräfte des Landes lernen an diesem Beispiel, berichtet der frühere Kommandant der Konstanzer Feuerwehr, Dieter Quintus.

Dieter Quintus, der frühere Kommandant der Konstanzer Feuerwehr, leitete unter anderem die Logistik für den Nachschub an Atemluft in die ...
Dieter Quintus, der frühere Kommandant der Konstanzer Feuerwehr, leitete unter anderem die Logistik für den Nachschub an Atemluft in die Wege. | Bild: Claudia Rindt

Zusammen mit Klaus-Peter Wehner, dem früheren hauptamtlichen Leiter der Feuerwache in der Steinstraße, dem Pressesprecher Klaus Menge und dem Leiter des Feuerwehramts, Uwe Jordan, erinnert er sich an den Großbrand vor zehn Jahren.

Klaus Menge gehört zu den Sprechern der Konstanzer Feuerwehr. Er steht den Journalisten bei Großereignissen wie dem Brand am Schuhhaus ...
Klaus Menge gehört zu den Sprechern der Konstanzer Feuerwehr. Er steht den Journalisten bei Großereignissen wie dem Brand am Schuhhaus Rede und Antwort. | Bild: Claudia Rindt

Als die Feuerwehr kurz nach 8 Uhr alarmiert wurde, ahnten die Männer bereits, dass ihnen ein schwieriger Einsatz bevorstand. Schon in der ersten Stunde habe das Treppenhaus des Schuhhauses voll in Brand gestanden und ein Teil der Rückwand sei weggebrochen, sagt Wehner. Die Feuerwehr hatte, wie bei Altbauten üblich, keinen Plan von dem Haus, in dem der Brand ausgebrochen war. „Erst heute wissen wir, wie das Gebäude gebaut ist.“

Klaus-Peter Wehner, der frühere hauptamtliche Leiter der Konstanzer Feuerwache, erinnert sich an den Großbrand vor zehn Jahren.
Klaus-Peter Wehner, der frühere hauptamtliche Leiter der Konstanzer Feuerwache, erinnert sich an den Großbrand vor zehn Jahren. | Bild: Claudia Rindt

Umso wichtiger seien in den eigenen Reihen Menschen, die schon als Kind in Konstanzer Gassen unterwegs waren. Die Begehungen in der Altstadt ersetzen niemals die Erfahrungen einer ganzen Jugend. „Es ist wichtig, dass man Ortskunde hat“, sagt Klaus-Peter Wehner, der selbst in Konstanz aufgewachsen ist.

Einer dieser Ortskundigen ist auch der frühere Kommandant Quintus. Er kennt sich in der Niederburg aus wie kaum ein anderer. „Ich habe dort 52 Jahre lang gewohnt.“

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Quintus und Wehner erinnern sich an einen Moment des Schreckens. Für ein paar Minuten waren einige Männer von vier Trupps, die ins brennende Schuhhaus geschickt worden waren, per Funk nicht mehr zu erreichen. Die Sorge war groß, dass sie im Feuersturm geblieben waren. Ein Teileinsturz hatte die Flammen im Gebäude erst richtig entfacht. Die Einsatzkräfte hatten sich aber in einem Hinterhof in Sicherheit gebracht.

Zwei Komandanten im Einsatz 2010: Dieter Quintus (links), Feuerwehr Konstanz, und Kurt Affolter, Feuerwehr Kreuzlingen. (Archivbild)
Zwei Komandanten im Einsatz 2010: Dieter Quintus (links), Feuerwehr Konstanz, und Kurt Affolter, Feuerwehr Kreuzlingen. (Archivbild) | Bild: Oliver Hanser

Das Großfeuer mitten in der Altstadt forderte die Feuerwehr auch logistisch. Immer wieder mussten die Einsatzwagen umgestellt und hunderte Geräte mit Atemluft neu befüllt werden. Nach spätestens einer halben Stunde sei die Atemluft bei solch einem Einsatz aufgebraucht, berichten die Feuerwehrleute. Nachschub sei aus Singen, Radolfzell, Überlingen und Friedrichshafen gekommen. Auch die Funkgeräte benötigten ständig neue Batterien.

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Einsatzkräfte kamen mit einer Sonderlinie des Busses in die Altstadt. Er fuhr ab der Zentrale der Konstanzer Feuerwehr in der Steinstraße. Quintus erinnert sich, wie freundlich die Konstanzer über Tage hinweg waren. Sie versorgten die Einsatzkräfte mit Tee und Kaffee. Das Technische Hilfswerk rückte für die Beleuchtung und die Sicherung der noch stehenden Gebäude mit Holzbalken an.

Am Schuhhaus Haug habe die Feuerwehr vergleichsweise viel Platz gehabt, sagt Uwe Jordan, der Leiter des Feuerwehramts. In den ganz engen Gassen der Niederburg sehe es für die Retter schon anders aus. Bei modernen und modern renovierten Gebäude sei der komplette Einsturz nahezu ausgeschlossen. Der Brandschutz setze heute ganz andere Standards.

Bernd Oser grub sich durch den Schutt

Bernd Oser ermittelte vor Ort. Als Brandursache konnte schließlich ein Adventskranz ausgemacht werden.
Bernd Oser ermittelte vor Ort. Als Brandursache konnte schließlich ein Adventskranz ausgemacht werden. | Bild: Claudia Rindt

Fünf Monate hat Bernd Oser im Schutt verbracht und die Trümmer des zusammengefallenen Schuhhauses Haug Schicht für Schicht analysiert. Der Kriminaltechniker der Polizei war auf der Suche nach der Ursache des Feuers. „Die Substanz war noch da, aber nicht mehr die Struktur“, erinnert sich der Fachmann.

Bagger gruben sich durch die Überreste. In jeder Schicht suchte Oser nach Hinweisen. Er fügte die verschiedenen Erkentnnis-Schnipsel zu einem Bild zusammen: Was hatte er vor Ort gefunden? Welche Hinweise hatte er von Augenzeugen bekommen? Was ließ sich als Ursache ausschließen?

Kriminaltechniker Bernd Oser an der Brandstelle Schuhhaus Haug in Konstanz im Jahr 2010. (Archivbild)
Kriminaltechniker Bernd Oser an der Brandstelle Schuhhaus Haug in Konstanz im Jahr 2010. (Archivbild) | Bild: Oliver Hanser

Manchmal muss auch ein Experte wie Oser erkennen, dass es für ihn nichts mehr zu entdecken gibt. In Singen, als ein landwirtschaftliches Gebäude am Hohentwiel abbrannte, fraßen die Flammen all das weg, was er hätte untersuchen können. Dieser Fall sei mit ungeklärter Brandursache zu den Akten gelegt worden.

Im Falle des Schuhhauses Haug war für Oser zum Schluss klar: Der Brand war vom Adventskranz ausgegangen, der im Treppenhaus hing. Drahtteile des Gebildes habe er in den Trümmern entdeckt, und andere Gründe fürs Feuer, etwa einen elektrischen Defekt, ausschließen können.

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Der Polizist war übrigens auch noch in anderer Funktion vor Ort. Als Feuerwehrmann war er in der Löschgruppe, der die Mitglieder angehörten, zu denen für kurze Zeit der Funkkontakt abgebrochen war. Er erinnert sich, wie herausschießende Flammen den früheren Eingang des Schuhhauses in eine Feuerhölle verwandelt hatten. Die Sorge sei groß gewesen, dass Kameraden vom Feuer eingeschlossen waren. Diese hatten sich aber in einen Hinterhof retten können.

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