Die Flammen vernichteten die Wohnung von Ketty Bono
Noch immer geht Ketty Bono ungern am wieder aufgebauten Schuhhaus Haug vorbei. Hier hat die heute 40-Jährige gewohnt, erst als Kind und dann wieder als junge Mutter. „Ich bin dort aufgewachsen“, sagt die Konstanzerin über den vor zehn Jahren abgebrannten Gebäudekomplex an der Ecke Kanzlei-/Hussenstraße. Sie habe dort erst mit ihren Eltern und dann mit ihrer Familie gelebt.
Bis zu dem Tag, als einer ihrer drei Söhne ins Schlafzimmer kam und sie weckte. Es war der Tag, an dem sie mit den drei Kindern im Schlafanzug und in Schlappen aus der Wohnung flüchtete. Wenig später war diese ein ausgebrannter Schutthaufen, und die Familie hatte alles verloren. Übergangsweise lebten die damals fünf Personen in zwei Notzimmern, dann ab Februar 2011 in einer Wohnung in der Jacob-Burckhardt-Straße.
Anfangs sei es ihr dort viel zu ruhig vorgekommen, und sie habe sich immer nach der Geschäftigkeit im Zentrum der Altstadt gesehnt, sagt Ketty Bono. „Es war hier totenstill.“ Inzwischen habe sie in dieser Wohnung ihre neue Heimat gefunden und schätze den schnellen Gang in die Natur.
„Es hat lange gebraucht, aber jetzt fühle ich mich wohl.“Ketty Bono
Der Tisch mit der Marmorplatte, an dem sie sitzt, gehört zu den vielen Bürgerspenden, die dafür sorgten, dass die Familie schnell neu anfangen konnte, nachdem alles verbrannt war, was ihr gehörte. „Wir haben vor dem Nichts gestanden.“
Es sei zwar schlimm gewesen, was sie und ihre Familie vor zehn Jahren durchmachen mussten, doch die überwältigende Hilfsbereitschaft der Bevölkerung habe auch geholfen, alles zu verarbeiten. Noch heute bekomme sie Gänsehaut, wenn sie an die vielen Menschen denke, die Unterstützung leisteten.
„Man weiß zu schätzen, was man hat“, sagt die Mutter. Schon kurz nach dem Brand hätten sie wieder Weihnachtsbaum, Tisch, Stühle, Matratzen, Kleider und eine Waschmaschine gehabt. Organisiert wurde die Verteilung der Gaben über den Malteser Hilfsdienst in Konstanz, bei dem die Sachspenden und auch fast 79.000 Euro eingingen. Über 50 Menschen hatten durch den Brand vor zehn Jahren ihre Heimat verloren.

Inzwischen hat die Familie vier Kinder. Zu den Söhnen ist noch die heute sechs Jahre alte Chiara hinzugekommen. Die Kleine mag den Teddy gern, den ihr größerer Bruder Lorenzo im Arm trug, als die Mama mit ihm und den anderen Kindern aus der Wohnung flüchtete.

Bis die seelischen Wunden des Brandes verheilt waren, sei einige Zeit vergangen, berichtet Ketty Bono. Kurz nach dem Brand sei sie in ein schwarzes Loch gefallen. Sie habe für ein halbes Jahr einen Psychologen hinzugezogen, um das Drama zu verarbeiten.
Heute kämpft die Familie mit den Rahmenbedingungen der Pandemie durch das Coronavirus. Beide Eltern sind bei verschiedenen Arbeitgebern in Kurzarbeit. Die Kinder wüssten, was das bedeutet: Die Familie müsse sich erst einmal einschränken.
Das Löschwasser richtete im Café Antik große Schäden an
Demir Abdurrahman wollte am 23. Dezember 2010 einfach nur seinen freien Tag genießen. Doch am frühen Morgen erreichte ihn in Radolfzell der Anruf eines Mitarbeiters, der für Vorbereitungsarbeiten ins Restaurant Antik gekommen war. Er habe Rauch und Feuergeruch wahrgenommen.

Demir Abdurrahman, der seit dem Jahr 2008 im Café Antik in der Hussenstraße arbeitete, machte sich sofort auf den Weg nach Konstanz. Dort sei schon alles abgesperrt gewesen, als er etwa eine halbe Stunde später zum Café kam. „Wir durften gar nicht rein.“ Im ersten Moment habe er noch die Hoffnung gehabt, dass alles gut gehen und er seine Arbeit behalten werde. Im Restaurant habe es nicht gebrannt. Doch das Löschwasser habe dort enorme Schäden hinterlassen.
Das Restaurant und der Schnellimbiss musste für 2,5 Jahre schließen. Er sei ein halbes Jahr lang ohne Arbeit gewesen, berichtet Mitarbeiter Demir Abdurrahman. Ein Ersatz-Imbiss in der Schottenstraße habe dann aber großen Anklang gefunden. „Die Kunden sind uns treu geblieben“, sagt Servet Karaaslan, der im Leitungsteam des Geschäfts mitwirkt.
Das Café Antik in der Hussenstraße sei renoviert, umgestaltet und dann wieder eröffnet worden. „Wir wussten nicht, ob es bei den Leuten wieder ankommt. Es ist gut gelaufen“, erinnert sich der Gastronom Karaaslan. Die neuen Gasträume fassten allerdings weniger Personen als vor dem Brand.
Josef Siebler sah Menschen im Schock
Josef Siebler schreibt: Dieser eine Moment hat sich eingeprägt. Als das Haus in der Altstadt zusammenstürzt und innerhalb von Sekunden alles in einer großen Staubwolke versinkt, ist es, als fielen die Menschen in eine Schockstarre. Der Brand des markanten Gebäudes trifft die Konstanzer im Innersten, das ist schon den ganzen Tag zu spüren. Der Zeitpunkt tut sein Übriges: Einen Tag vor Heiligabend legt sich ein Schatten auf die adventliche Stimmung.
Der Tag beginnt mit Routine. Doch nach wenigen Minuten in der SÜDKURIER-Redaktion am Fischmarkt durchbrechen vorbei eilende Feuerwehrautos und Martinshörner die Stille des Morgens. Ein Anruf bei der Polizei bestätigt: Es ist ein Brand in der Altstadt – die Horrorvorstellung von Feuerwehrleuten und Rettungskräften. Auf dem Weg zur Kanzleistraße schießen die Gedanken durch den Kopf.
An Ort und Stelle übertrifft das Bild die schlimmsten Erwartungen: Das Schuhhaus, das man vom Einkauf kennt, steht in Flammen. Das große Warten beginnt: Können die Feuerwehrleute das Haus retten, werden die Flammen auf die Nachbargebäude übergreifen? Und dann am Nachmittag der Einsturz des Gebäudes. Gedankenschnell hält Fotograf Oli Hanser alles fest – es wird ein Zeitdokument der jüngeren Stadtgeschichte.
Die Dynamik dieses Tages durchbricht jegliche Routine. Mit dem abends geplanten Geburtstagsfest einer Schwägerin wird es jedenfalls nichts. Heiligabend: Die Freude ist getrübt, das ist den Menschen in der Fußgängerzone anzumerken. Es wird ein ungewöhnliches Weihnachtsfest. Die Familie muss heute warten. Feuerwehrleute, THW-Einsatzkräfte und Sanitäter erzählen bedrückt, wie sie diese Tage erleben.
Der Einsatz und der Zusammenhalt all dieser Menschen sind faszinierend.Josef Siebler
Auch am ersten Weihnachtsfeiertag sind noch Telefonate zu erledigen, unter anderem mit OB Horst Frank. Tags darauf geht es wieder zum Brandort, um alles zu dokumentieren. Danach gilt es, in der Redaktion alles zusammenzufassen, um die Konstanzer umfassend zu informieren über Momente, die man nicht vergisst.