Als Verhinderer wollen die Mitglieder der Initiative Wollmatingen nicht wahrgenommen werden. Aber sich alles gefallen lassen, wollen sie auch nicht. Sie wünschen sich verträgliche Lösungen in ihrem Stadtteil. Der freie Ortsrat, der sich aus der Initiative gebildet hat, schaut Politik und Verwaltung auf die Finger. Er hatte vor Kurzem einen Info-Abend in der ehemaligen Linde veranstaltet, zu dem mehr als hundert Menschen gekommen sind. Dabei wurde harte Kritik geäußert. Ist diese berechtigt? Die Verwaltung hat eine andere Sicht auf die Dinge.
Kritik an Veränderung in der Ortsmitte
Viele Wollmatinger sind über die geplanten Veränderungen in der Ortsmitte verärgert. Bereits bei der Vorlage des Bebauungsplanentwurfs im Technischen und Umweltausschuss, der eigentlich überdimensionierte Neubauten verhindern sollte, meldete sich der Ortsrat im Vorfeld mit Bedenken und Anregungen zu Wort. Bei einigen Stadträten fand er Gehör; die Verwaltung muss jetzt nacharbeiten.
Die Hauptkritikpunkte fasst Klara Trummer während des Infoabends zusammen: Der Bebauungsplanentwurf richte sich nach den Neubauplanungen für das Löwenareal. Die Gebäude seien zu hoch und zu massiv. Die Kirche St. Martin wäre kaum mehr wahrnehmbar, wenn der Neubau nach derzeitigen Planungen umgesetzt würde.
Was Klara Trummer herausgearbeitet hat: Die Ortsmitte sei ein Mischgebiet und solle laut Stadtverwaltung als Wohngebiet ausgewiesen werden. Das Problem: Lärmschutz. In einem Wohngebiet gelten niedrigere Werte als in einem Mischgebiet. „Der nächtliche Konflikt wird durch die Ausweisung eines besonderen Wohngebiets verschärft; das steht so im Gutachten“, erklärt Klara Trummer und fügt an: „Trotzdem will die Verwaltung ein besonderes Wohngebiet an dieser Stelle festsetzen.“
Nachvollziehen könne dies der Ortsrat nicht, zumal mit der Bebauung des Hafners mit mehr Verkehr zu rechnen sei, der durch die Ortsmitte führe. „Etwa 400 Busse fahren bereits heute täglich durch den Ortskern“, sagt Klara Trummer. Die Taktung solle aber mit dem Bau des Hafners erhöht werden. „Dann wird es arg laut“, meint sie.
Ist der Hafner eine Fehlplanung?
Gerade der neue Stadtteil Hafner steht in der Kritik der Initiative, die sogar von einer Fehlplanung spricht. Die Stadt Konstanz habe mit der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme das schärfste Schwert ausgepackt, das das Baugesetzbuch kenne. Pikant ist allerdings ein anderes Detail, das Klara Trummer vorbringt. Mit einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dürfe kein Überangebot an Wohnraum geschaffen werden; das bedeute, das Maß an Wohnangebot dürfe „nicht über den strukturell bedingt erhöhten Bedarf hinausgehen“.
Vorwurf: Hafner schafft Überangebot
Klara Trummer präsentiert die Prognose der Bevölkerungsentwicklung, die für das Neubaugebiet Hafner zugrunde gelegt worden sei. Das Institut Empirica habe vorausberechnet, dass sich die Bevölkerung bis zum Jahr 2038 auf 99.160 Personen erhöhen könne. Wird die Zahl der Einwohner wirklich in diesem Maß steigen?
Daran glaubt Klara Trummer nicht. Sie beruft sich auf die aktuelle Statistik zur Einwohnerentwicklung, welche das Amt für Statistik der Stadt Konstanz im Februar 2025 veröffentlicht hat. Hernach hätten im Jahr 2024 lediglich 87.368 Menschen ihren Hauptwohnsitz in der Konzilstadt gehabt. „Seit 2015 ist die Bevölkerung nur um 4189 Personen angestiegen, also durchschnittlich um etwa 420 Personen pro Jahr“, stellt Klara Trummer fest.

Sie kommt zu dem Schluss, dass die zum Hafner vorgelegte Prognose der Bevölkerungsentwicklung „nicht zutrifft“. Schließlich „stagniert die derzeitige Entwicklung laut eigener Statistik der Stadt Konstanz“, so die Ortsrätin. Die Initiative mutmaßt daher, mit dem Hafner würde ein Überangebot an Wohnungen geschaffen werden.
Entgegnung: Die Prognose stimmt
„Diese Aussage kann ich so nicht stehen lassen“, sagt Lukas Esper, Stabsstelle Entwicklung Hafner, im SÜDKURIER-Gespräch. Er ist sehr irritiert über den Vortrag und die Präsentation, die auch auf der Homepage der Initiative veröffentlicht wurde. Eine Einladung zu dem Infoabend habe er zu seinem Bedauern nicht bekommen, denn dann hätte er gleich zu den Vorwürfen Stellung nehmen können.
„Stagnation ist ein hartes Wort. Es stimmt nicht“, so Esper. Die reale Einwohnerentwicklung hänge mit dem Wohnangebot zusammen. In den letzten Jahren seien kaum Wohnungen gebaut worden. Die Wohnbaukrise habe den Druck erhöht, denn der Bedarf konnte nicht annähernd gedeckt werden, was auch Verlagerungseffekte zur Folge gehabt habe. „Die Nachfrage hat sich nicht geändert“, so der Hafner-Projektleiter.
Auch weist Lukas Esper den Vorwurf zurück, dass die Empirica-Studie nicht zutreffe. Die Statistik der Stadt Konstanz beschreibe lediglich den Ist-Zustand. „Empirica hingegen preist unter anderem die Wohnbauentwicklung ein“, stellt er fest. Das Berliner Forschungsinstitut hatte verschiedene Szenarien gerechnet, wie die Bevölkerung wachsen könne, je nachdem, wie viel Wohnraum geschaffen würde.
Kann sich die Stadt den Hafner leisten?
Im Jahr 2021 habe die Stadt etwa 399 Millionen für die Entwicklung des Hafners kalkuliert. Im Jahr 2025 sei die Kalkulation mit 499 Millionen angesetzt worden. „Eine Kostensteigerung von 100 Millionen Euro in nur vier Jahren. Wie wird das weitergehen?“, fragt Klara Trummer beim Wollmatinger Infoabend in den Raum und fügt an: „Wir sind der Meinung, die Durchführung der Gesamtmaßnahme ist bis zum Abschluss daher nicht mehr gewährleistet.“
„Die Zahlen stimmen in der Summe, der Teufel steckt aber im Detail“, sagt Lukas Esper, denn die Zahlen müssten in einen Zusammenhang gesetzt werden. Er erläutert: „Ein großer Teil der Kostensteigerung ist nicht den entwicklungsbedingten Kosten zuzuschreiben. So wurde zum Beispiel in der Zwischenzeit der weiterführenden Schule zwei weitere Züge zugefügt, weil der gesamtstädtische Bedarf gewachsen ist.“

Werden die Kosten in Höhe von 499 Millionen Euro noch weiter steigen? Esper schüttelt den Kopf. In dieser Summe sei auch die Prognose der Baukostenentwicklung, Inflation und vieles mehr einberechnet, und zwar bis zum geplanten Ende der Maßnahmen im Jahr 2038. Was er in den Ausführungen der Initiative Wollmatingen allerdings vermisse, sei die Entwicklung der Einnahmen.