Michael Schäffner steht hinter seinem Haus an der Dettinger Straße und zeigt auf die große Grünfläche, die für ihn und seine Familie Erholung bedeutet. Ein Grill, eine Hütte und viel Platz sind für den 55-Jährigen ein wertvoller Ausgleich zum Alltag. Mit seinem kleinen Paradies soll es nach dem Willen der Stadt Konstanz aber demnächst vorbei sein, zumindest teilweise.

Die Verwaltung braucht für das geplante Stadtviertel am Hafner viele Grundstücke. Ein Großteil sind brachliegende Ackerflächen, doch auch die Kleingärten von Michael Schäffner und seinen Nachbarn sollen bebaut werden. Seit wenigen Wochen stecken Pflöcke im Boden. Sie zeigen: Das neue Quartier soll nah an die Wohnhäuser heranrücken.

Pflöcke zeigen an, bis wohin die Bebauung des Hafner später reichen soll. Links im Bild ist das Wohnhaus von Michael Schäffner und ...
Pflöcke zeigen an, bis wohin die Bebauung des Hafner später reichen soll. Links im Bild ist das Wohnhaus von Michael Schäffner und Familie, seiner Mutter und seines Bruders mit Familie, rechts daneben das von Familie Klevenz. | Bild: Kirsten Astor

Weichen müssten dafür nicht nur Michael Schäffners Grillhütte, sondern auch weitere Gartenlauben, Blumenbeete und alte Obstbäume. Patric Gibey, 57 Jahre, sagt: „Die Bäume haben wir von unseren Eltern geerbt, das ist auch eine emotionale Sache.“

Christine und Thomas Klevenz stimmen zu. „Mein 95-jähriger Vater pflegt die Obstbäume und ruht sich im Garten aus“, erzählt Thomas Klevenz. Er habe schon im November 2023 von der Stadt einen vorläufigen Kaufvertrag erhalten. „Die wollten alles haben und uns dafür 15 Euro pro Quadratmeter geben“, sagt er. „Gleichzeitig wurde uns mit Enteignung gedroht.“

Patric Gibey hat diese alten Obstbäume von seinen Eltern geerbt und will den Kleingarten nicht hergeben, zumindest nicht den Großteil ...
Patric Gibey hat diese alten Obstbäume von seinen Eltern geerbt und will den Kleingarten nicht hergeben, zumindest nicht den Großteil seiner Fläche. | Bild: Kirsten Astor

Hafner-Anwohnerin spricht von „Milchmädchenrechnung“

Nachbarin Claudia Bick, die ebenfalls einen Kleingarten mit rund 2000 Quadratmetern besitzt, hält das für unverschämt. „Auch mir wurden 15 Euro pro Quadratmeter angeboten. Zurückkaufen könnte ich das Grundstück für weit über 1000 Euro pro Quadratmeter und müsste mich verpflichten, zu bauen. Das ist eine Milchmädchenrechnung“, so die 57-Jährige.

Michael Schäffner wird noch deutlicher: „Das ist faktisch Enteignung. Außerdem betonen die Planer immer, dass am Hafner nicht mit Grundstücken spekuliert werden soll. Was hier passiert, ist nichts anderes als Spekulation.“ Er und die anderen sind aber nicht nur empört über das Angebot, sondern auch über das Vorgehen der Stadt.

Bild 3: Hafner-Anwohner: Sie werfen der Stadt Konstanz „Enteignung und Spekulation“ vor
Bild: Schönlein, Ute

„Die Bürger werden unter Druck gesetzt“, sagt Claudia Bick. „Ältere Grundstücksbesitzer haben schon verkauft, weil sie die Briefe und Anrufe, durch die sie sich unter Druck gesetzt fühlten, nicht mehr ausgehalten haben.“ Die Nachbarn begreifen auch nicht, warum ihnen vorgeworfen wird, das gesamte Projekt zu blockieren. Aus ihrer Sicht fallen die kleinen Flächen kaum ins Gewicht.

Unklar ist den Bewohnern zudem, warum die Entstehung des Hafners mit ihren Kleingärten starten soll. „Man baut für 6000 Menschen und zuerst sollen die alten Obstbäume platt gemacht werden?“, fragt sich Anwohner Rolf Oehri, 73 Jahre. Dabei seien die Flächen die grüne Lunge. „Es hieß früher, wir dürften hier nicht bauen“, sagt Michael Schäffner. „Jetzt macht es die Stadt selbst.“

Grillhütte, Liege, Grill und Grünstreifen stellen für Michael Schäffner und seine Familie eine wichtige Erholungsfläche dar. Im ...
Grillhütte, Liege, Grill und Grünstreifen stellen für Michael Schäffner und seine Familie eine wichtige Erholungsfläche dar. Im Hintergrund ein Acker, der ebenfalls bebaut werden soll. | Bild: Kirsten Astor

Projekt-Leiter: „Wir können keinen Präzedenzfall schaffen“

Die Stadtverwaltung hält dagegen. „Wir haben das große Ganze im Blick und wollen von unserem Plan, 60 Hektar zu bebauen, nicht abrücken. Sonst gefährden wir unser Ziel, viel Wohnraum zu schaffen“, sagt Hafner-Projektleiter Lukas Esper. „Es hat auch keinen Sinn, diese Flächen auszusparen, auch von der Erschließung her nicht.“

Die Alternative wäre gewesen, eine weitere freie Fläche zu bebauen, anstatt nachzuverdichten. „Das ist weder planerisch noch ökologisch sinnvoll“, so Esper. Dennoch kann er die Gefühle der Kleingartenbesitzer nachvollziehen: „Die Debatte wird sehr emotional geführt und aus deren Sicht rücken wir nah an ihre Wohnhäuser heran.“

Patric Gibey zeigt, wie nah die Bebauung des Hafners an sein Wohnhaus (im Hintergrund) heranreichen soll.
Patric Gibey zeigt, wie nah die Bebauung des Hafners an sein Wohnhaus (im Hintergrund) heranreichen soll. | Bild: Kirsten Astor

Dabei habe sich die Verwaltung mehrfach mit den Betroffenen getroffen und die Planung im Lauf des Prozesses verändert. Christina Stauß, Sachbearbeiterin Liegenschaften beim Projekt Hafner, sagt: „Wir haben Kompromisse gemacht. Unter anderem waren viel größere Häuserblöcke auf der Fläche der Kleingärten vorgesehen, jetzt sind es kleinere Reihenhäuser. Außerdem haben wir angeboten, zunächst die hinteren Grundstücke zu bebauen und die Flächen, die näher an den Wohnhäusern liegen, erst im dritten Bauabschnitt zu verwenden.“

Die Gespräche seien teilweise konstruktiv verlaufen, aber nicht immer. „Wir wurden einmal vor Ort so bedroht, dass wir die Polizei eingeschaltet haben“, berichtet Lukas Esper. Die Verwaltung könne nicht von ihren Plänen abrücken: „Wir würden sonst einen Präzedenzfall schaffen.“ Dass Ackerland nun zur Bebauung genutzt wird, obwohl die Besitzer selbst dort kein Baurecht haben, sei Fakt: „Die Stadt hat die Hoheit, für die Allgemeinheit etwas zu entwickeln.“

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Manchen Grundstücksbesitzer freut das Vorkaufsrecht

Sabine Hohnberg, Abteilungsleiterin im Bereich Liegenschaften, ergänzt: „Die Vorfahren der Kleingärten-Eigentümer haben die Flächen für deutlich unter 15 Euro erworben. Selbst heute liegt der Landschaftswert bei nur 2,50 bis 3 Euro.“ Auch den Vorwurf der intransparenten Kommunikation kann die Verwaltung nicht nachvollziehen.

„Wir sind immer erreichbar und mehrfach auf die Bürger zugegangen. Aber sie bekommen nicht immer die Antwort, die sie erhoffen“, sagt Christina Stauß. „Es gibt aber durchaus auch Grundstücksbesitzer, die froh sind, dass auf ihrer Fläche nun gebaut werden darf und sie ein Vorkaufsrecht erhalten.“

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Die enttäuschten Anwohner sehen das anders, sie wollen zur Not den Rechtsweg beschreiten. „Wir haben ja schon weitere Flächen im geplanten ersten Bauabschnitt abgegeben“, sagt Patric Gibey. Sein Sohn Pascal Gibey, 26 Jahre, sieht es so: „Es heißt immer, der Hafner sei für die Konstanzer da. Aber wir Wollmatinger haben das Nachsehen. Wir sollen Flächen abgeben und werden dafür rundherum zugebaut.“

Michael Schäffner erkennt in den Angeboten der Stadt keinen Kompromiss: „Ich soll noch dankbar dafür sein, dass mir der Rest der Fläche erst in zehn Jahren weggenommen wird und nicht jetzt schon? Das kann es nicht sein!“