Für Empörung in der Wollmatinger Bürgerschaft hatten die Pläne für Neubauten gesorgt. Sie sollten an die Stelle, wo noch die ortsbildprägenden Gasthäuser – im Fokus steht der Löwen – stehen. Um das Schlimmste zu verhindern, verhängte der Gemeinderat eine Veränderungssperre und gab einen Bebauungsplan in Auftrag. Der Entwurf liegt jetzt vor – und die Enttäuschung ist groß. Stadträte und Bürger hatten mehr erwartet.
Es geht nicht nur darum, dass die Wollmatinger ein potenzielles Postkartenmotiv ihres Ortes verlieren. Die zwei genannten Gebäude sind das unverkennbare Markenzeichen. Noch schwerer wiegt, welche massiven Neubauten kommen könnten.
Bei einem Vor-Ort-Termin, zu dem die Gemeinderatsfraktion FGL&Grüne eingeladen hatte, machten die mehr als 30 Bürger den Stadträten bewusst, wie groß das Grundstück des ehemaligen Löwen eigentlich ist.

Alle sind sich einig: Die auf dem Löwen-Areal geplanten Häuser passen nicht in das Umfeld. Das Problem: Der Bebauungsplanentwurf würde Gebäude zulassen, die das nebenliegende Pfarrhaus sowie das ehemalige Rathaus überragen würden. Wäre das noch ortstypisch?
Bebauungsplan ist keine Hilfe
„Die Firsthöhe ist drei Meter höher als das Pfarrhaus“, moniert Gisela Kusche (FGL&Grüne) in der Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA). Und das große Bauvolumen passe aus Sicht der Fraktion nicht an diese Stelle. Zweigeschossige Häuser wären passend, aber höher sollten sie nicht sein.
Gerade der Bebauungsplan, den der Gemeinderat in Auftrag gegeben hatte, hätte Überdimensionierungen verhindern sollen. Hat er aber aus Sicht von FGL&Grünen und der Initiative Wollmatingen nicht, denn „das Maß der Bebauung in Zusammenhang mit dem Baufenster“ sei nicht im Bebauungsplan festgesetzt.
Neubauplanung dient als Vorlage
Großer Kritikpunkt: Der Bebauungsplan orientiere sich an dem Neubauvorhaben auf dem Löwengelände, so Kusche. In der Sitzungsvorlage steht: „Die Festsetzungen für die betreffenden Grundstücke orientieren sich konkret am vorliegenden Entwurf (zum Löwen-Areal, Anm.d.Red.) und den Empfehlungen des Gestaltungsbeirats.“
„Genau das wollten wir eben nicht“, stellt Gisela Kusche klar und fügt an: „Die Höhenentwicklung ist deutlich zu groß. Da sieht man ja die Kirche nicht mehr.“ Auch die Funktion einer Ortsmitte ginge verloren, spricht sie den Verzicht einer Gaststätte an. Der Bebauungsplan in der vorliegenden Form „öffnet Tür und Tor für jeden Investor“, kritisiert Gisela Kusche und stellt klar: „So ist er für uns nicht zustimmungsfähig.“

Das sieht Sabine Feist (CDU) genauso: „Die Geschossigkeit ist nicht bestandsorientiert.“ Da die geplanten Gebäude auf dem Löwen-Areal vorwiegend zu Wohnzwecken gedacht seien, sieht Sabine Feist mit Blick auf das nebenliegende Rathaus mit seinen Proberäumen ein weiteres Problem: „Es wird zu Konflikten mit dem Musikverein führen.“ Das Rathaus als Probemöglichkeit sei wichtig und müsse unbedingt als solches erhalten bleiben, pflichtet Swetlana Wiedenbeck (JFK) bei.
Auch Feist ist nicht glücklich über den Bebauungsplanentwurf. Die Investoren hätten das Löwenareal günstig erworben. „Es war doch klar, dass keine großen Firsten erlaubt sind, aber jetzt wird es trotzdem versucht“, moniert sie. Wenn die geplanten Neubauten genauso gebaut werden dürften, „dann ist es ein Präzedenzfall“, an dem sich bauwillige Nachbarn orientieren würden.

Zwischen Gelassenheit und Unmut
Gelassen hingegen sieht Jürgen Ruff (SPD) die Sachlage. Der Gestaltungsbeirat sei offensichtlich zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen. Den Bebauungsplan erachtet er als Gewinn. Hier widerspricht Christian Kossmehl (FWK): „Ich finde es schwierig, wenn die Arbeit des Gestaltungsbeirats als Grundlage herangezogen wird.“ Zumal „der Gestaltungsbeirat kein entscheidendes Gremium ist. Er berät“, fügt Gisela Kusche an. „Er hat dreimal getagt und alles ist wunderbar?“
Achim Schächtle (FDP) sieht Probleme kommen: „Das fliegt uns um die Ohren.“ Alle Fraktionen hätten eine lange E-Mail von der Initiative Wollmatingen bekommen, in der fundiert stehe, was am Bebauungsplan nicht stimme. Und dann gebe es den bauwilligen Investor. Damit seien es also zwei Gruppen mit unterschiedlichen Interessen. „Ich frage mich: Wer verklagt uns? Die Bürger oder der Bauherr, den man dreimal in den Gestaltungsbeirat kommen lässt?“, so Schächtle.
Die Überraschung kommt zum Schluss
Holger Reile (LLK) bittet, dass der Initiative Wollmatingen ausnahmsweise Rederecht erteilt werde, wofür sich die Stadträte einstimmig aussprechen. Bitter sei, dass eine Erhaltungssatzung abgelehnt wurde, so Klara Trummer von der Initiative Wollmatingen. Mit diesem Instrument hätten historische Gebäude, auch jene die nicht unter Denkmalschutz stehen, erhalten werden können, ebenso das Ortsbild und die Strukturen.
Doch stattdessen sei im jetzigen Bebauungsplanentwurf das wichtige Maß der baulichen Nutzung nicht aufgeführt, moniert Trummer. Somit würden Bauvorhaben nach §34 Baugesetzbuch rechtlich beurteilt. Und das bedeute, den Wünschen der Investoren könnte entsprochen werden. Damit stünde überdimensionierten Gebäuden nichts im Wege, so Trummer.
Marion Klose, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt, erinnert die Stadträte daran, was sie der Verwaltung mit der Aufstellung eines Bebauungsplans in Auftrag gegeben haben: „Ihnen war es ein großes Anliegen, die Ortsmitte zu sichern.“ Es sei nicht um die Erhaltung historischer Gebäude, „sondern um die behutsame Entwicklung der Ortsmitte“ gegangen. Klose betont: „Ein zentraler Punkt ist gesichert: die Nutzung.“ Es gebe auf dem Löwenareal keine reine Wohnnutzung.
Die SPD ist mit dem Bebauungsplan nicht unzufrieden, denn es sei ein Mittelweg gefunden worden, so Andreas Hennemann. „Ein Kompromiss muss beiden Seiten wehtun“, meint auch Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Doch FGL&Grüne und CDU lassen nicht locker und stellen Anträge, damit der Entwurf des Bebauungsplans nachgebessert wird. Damit sind sie erfolgreich und der Entwurf geht zurück zum Absender.