Jugendliche und Frauen fühlen sich in Konstanz nicht sicher, sagt der Jugendvertreter Jan Grathwohl und fordert Maßnahmen. Die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr ist um 4,3 Prozent gesunken, stellt Dirk Hoffmann, Revierleiter des Polizeipräsidiums Konstanz, fest. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die Diskussion im Gemeinderat, denn die Stadträte wollen wissen, ob die Konzilstadt wirklich zum gefährlichen Pflaster geworden ist.
Die Kriminalität während der Pandemiejahre war unterdurchschnittlich. Das habe mit den Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu tun, erklärt Dirk Hoffmann. Betrachte man aber den Zehn-Jahres-Vergleich, „dann sind wir auf dem absteigenden Ast“, denn die Fallzahlen seien gesunken.
Zahl der Straftaten um 4,3 Prozent gesunken
Konstanz als Grenzstadt habe eine Spezialität: illegale Grenzübertritte. Hierbei handle es sich um Straftaten. 1300 seien es im Jahr 2024 gewesen. Ohne die illegalen Grenzübertritte habe es also 5274 Straftaten gegeben, 4,3 Prozent weniger als im Jahr 2023. „Die Aufklärungsquote liegt bei 60,6 Prozent. Das ist ein guter Wert“, erklärt Dirk Hoffmann, denn dieser liege im Landesdurchschnitt bei 60,3 Prozent.
In Konstanz leben die Menschen prinzipiell sicher, auch wenn sie sich nicht sicher fühlen. Brennpunkte gebe es nicht. Klar macht Dirk Hoffmann aber auch: „Gewalt gegen Polizeibeamte ist auch in Konstanz zunehmend ein Thema, das uns täglich begegnet.“ Die Eigensicherung müsse mehr in den Vordergrund gestellt werden.
Kommt es häufiger zu Messerattacken?
Anfang des Jahres 2025 hätten „Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum“ die Polizei sehr beschäftigt. Damit ruft Dirk Hoffmann die Messeattacke gegen drei junge Männer Anfang Februar 2025 in Erinnerung. Im Jahr 2024 habe es im öffentlichen Raum zwei Messerangriffe in der Altstadt gegeben, in der Gesamtstadt – insbesondere im Industriegebiet – neun Fälle gegeben.
Weiter in die Vergangenheit zurückblicken kann Dirk Hoffmann nicht, da die Statistik Messerangriffe erst seit Kurzem gesondert erfasse. Subjektiv allerdings würden Messer viel schneller gezückt, weshalb das Waffengesetz geändert wurde.
Gerade im Vorfeld der Konstanzer Fasnacht 2025 hätten sich Polizei und Bürgeramt intensiv mit dem Waffengesetz, das die Möglichkeit der anlasslosen Kontrolle beinhaltet, befasst. Damit „muss man mit Bedacht umgehen“, sagt Dirk Hoffmann und kommt auf die Linie der Polizei zu sprechen: „Wir gehen zielgerichtet vor.“
Für den Polizeichef steht fest: „Die objektive Sicherheitslage in Konstanz hat sich nicht verändert“, wenngleich einzelne besondere Delikte die subjektive Wahrnehmung beeinflussten. Auch was Veranstaltungen in Konstanz anbelange, sei die Zusammenarbeit mit dem Bürgeramt gut. Hoffmann stellt klar: „Wir haben ein hohes Niveau bei den Sicherheitsthemen vorbereitet.“
Rechte Panikmache?
Jan Grathwohl von der Jugendvertretung hat da eine ganz andere Meinung. Er spricht von „brutalen Angriffen“, von „Eskalationen“, die mit „voller Wucht“ auch in Konstanz einschlügen, und davon, dass das Unsicherheitsgefühl von Frauen und Jugendlichen „oft bagatellisiert würde“. Dabei verweist er immer wieder auf eine Umfrage des Konstanzer Schülerparlaments. Er wendet sich an den Gemeinderat und sagt, während mindestens ein Vertreter der AfD – im Gemeinderat ist die Partei nicht – im Zuschauerbereich sitzt: „Mit rechter Panikmache, wie sie mir einzelne Stadträte vorwerfen, hat das nichts zu tun.“
Es schockiere ihn, wie die „erschreckenden Tendenzen“, die er anspreche, als „Panikmache abgetan“ würden. Jan Grathwohl redet von einem mit dem schwindenden Sicherheitsverlust einhergehenden „realen Freiheitsverlust“. Er fordert unter anderem „mehr sichtbare Präsenz von Polizei und Streetworkern“, mehr Beleuchtung an verschiedenen Stellen, mehr Präventionsarbeit, Awareness-Teams bei Veranstaltungen und „Videoüberwachung an bestimmten Orten“.

Konstanz ist sicher
Freunde macht er sich mit der Art und Weise seiner Rede bei den meisten Stadträten nicht, im Gegenteil. Samuel Hofer (FGL&Grüne) reagiert nicht nur auf das eben Gesagte, sondern auch auf Grathwohls Beiträge auf Social Media. Auf „hetzerische Art“ unterstelle Grathwohl das Wegschauen. „Niemand schaut weg oder redet Probleme klein“, stellt Hofer vehement dagegen. In den vergangenen Monaten hätten Gemeinderat und Verwaltung einiges in die Wege geleitet, darunter Frauennachttaxi, nächtliche Busstopps zwischen den Haltestellen, Haus des Jugendrechts, Awareness-Teams an Fasnacht und einiges mehr.
„Umfragen ohne genaue Anzahl der Teilnehmer finde ich unseriös“, wendet sich auch Andreas Hennemann (SPD) an Grathwohl und mahnt: „Statistiken können ins Leere gehen und missbraucht werden.“ Die Statistik der Polizei mache deutlich: „Konstanz ist sicher.“

Allerdings gebe es „krasse Einzelfälle“, wo sich die Frage stelle: „Wie gehen wir damit um“, so Hennemann. Auffällig finde er, dass die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Heranwachsenden zunehme. „Eine auffällige Entwicklung, der wir begegnen müssen“, meint er.
Erschreckend findet Hans-Jürgen Oexl (FW) die Zunahme der Gewaltbereitschaft, auch gegenüber der Polizei und weiteren Blaulichtorganisationen. „Das macht mich nachdenklich“, so Oexl. Manfred Hölzl (CDU) kommt auf die gute Zusammenarbeit von Polizei und Präventionsrat zu sprechen. Dunkelecken, wie die Uferlinie an Klein Venedig, „sind in Bearbeitung, lassen aber noch auf sich warten“. Er stellt klar: „Wir müssen alle zu mehr Achtsamkeit und zum Hinschauen motivieren.“
Stadträte haben einige Fragen
Auch Revierleiter Hoffmann schätzt die Zusammenarbeit mit dem Präventionsrat. Vielleicht deswegen habe sich die Situation im Herosé beruhigt, mutmaßt er. Es gebe dort Toilette, Kiosk und soziale Kontrolle. Daran müsste man andocken, um mehr gefühlte Sicherheit zu erwirken. Bereitwillig beantwortet Dirk Hoffmann Fragen der Stadträte. Um Hass und Hetze, gerade auch im Internet, kümmere sich eine Stabsstelle im Landeskriminalamt (LKA).
Politisch motivierte Taten, darunter Beleidigung und Sachbeschädigung, seien von 32 Fällen im Jahr 2023 auf 59 im Jahr 2024 angestiegen, was aber aufgrund des Wahljahres nicht als auffällig zu werten sei. Nach langer Diskussion im Gemeinderat ist deutlich: Das Augenmerk aller Beteiligten gilt weiterhin den Belangen der objektiven Sicherheit. Ob sich damit auch das Sicherheitsgefühl wieder verbessert, steht freilich auf einem anderen Blatt.