Karin Becker kann ihr Glück kaum fassen. Die Dankbarkeit der Intendantin des Stadttheaters Konstanz gilt vor allem Christoph Dahl als Geschäftsführer der Baden-Württemberg-Stiftung. Mit gut 400.000 Euro stellt die Stiftung die Fortführung des Projekts „Theater hinter Gittern“ für die nächsten zwei Spielzeiten sicher.

Maßgeblich zum Glücksgefühl der Intendantin beitragen dürfte der ökonomische Druck, unter dem ihr Haus wegen des ausstehenden Prüfauftrags des Gemeinderats steht. Wie mehrfach berichtet soll Karin Becker Vorschläge zur Reduzierung des jährlichen Zuschusses von 7 Millionen Euro erarbeiten – idealerweise in Höhe von 20 Prozent. Mit der Nachricht über die weitere Unterstützung des Projekts ist die Intendantin somit eine Sorge los.

Allerdings kommt die Bewilligung noch aus einem anderen Grund zum genau richtigen Zeitpunkt. Das Projekt „Theater hinter Gittern“ taugt als Beispiel, dass Kultur im Allgemeinen und das Stadttheater Konstanz im Besonderen mehr als ein Unterfangen für theatrale Erbauung gut situierter Bürgerlichkeit sein kann.

Die Bedingungen im Gefängnis

Genau darauf verwies die Landtagsabgeordnete Nese Erikli (Grüne), die sich im Hintergrund für die Fortführung des Projekts und die Finanzierung über die Stiftung einsetzte. Wie sie im Foyer der Stadttheaters bei einer Konferenz mit Medienvertretern sagte, habe sie vor fünf Jahren erstmals von der Idee eines „Theaters hinter Gittern“ gehört und sich daraufhin ein Bild von den Bedingungen im Konstanzer Gefängnis gemacht.

Nese Erikli, Landtagsabgeordnete und Mitglied des Aufsichtsrates der Baden-Württemberg-Stiftung: „Dass der Förderantrag positiv ...
Nese Erikli, Landtagsabgeordnete und Mitglied des Aufsichtsrates der Baden-Württemberg-Stiftung: „Dass der Förderantrag positiv beschieden wurde, ist eine große Anerkennung für die gute Arbeit des Theaters.“ | Bild: Hanser, Oliver

Und die sind nach ihrer Einschätzung alles andere als ideal für die Resozialisierung von Straftätern. Bis zu vier Personen in einem Raum, kaum Gelegenheit zum Verlassen der Zelle, nur wenige Chancen zur Entwicklung neuer Lebensorientierungen der meist jungen Männer: Für Nese Erikli ist es keine Überraschung, dass die Rückfallquote bei ungefähr 50 Prozent liegt. „Resozialisierung fängt nicht erst nach der Haftentlastung an“, sagt sie.

„Leuchtturmprojekt für das ganze Land“

Die Landtagsabgeordnete misst dem Projekt zudem wegen der verschärften Isolationsbedingungen in der Hochphase der Pandemie eine hohe Bedeutung bei. Den Gefängnisinsassen eröffne sich dadurch die Chance zur aktiven Reflexion über ihre Straftaten, die Initiative des Konstanzer Theaters wertet sie als ein „Leuchtturmprojekt für das ganze Land“.

Sie ermöglichen das Theater hinter Gittern (von links): Amelie Wördehoff (Teamleitung), Christoph Dahl (Geschäftsführer der ...
Sie ermöglichen das Theater hinter Gittern (von links): Amelie Wördehoff (Teamleitung), Christoph Dahl (Geschäftsführer der Baden-Württemberg- Stiftung), Karin Becker (Intendantin), die Landtagsabgeordnete Nese Erikli und Mela Breucker (Projektleitung). | Bild: Hanser, Oliver

Die Umsetzung von „Theater hinter Gittern“ obliegt der Teamleiterin Amelie Wördehoff und der Projektverantwortlichen Mela Breucker. Die Ausgestaltung fällt an den vier Standorten unterschiedlich aus. Teils münden sie in der Regel über ein halbes bis ein Dreivierteljahr hinziehenden Arbeit in einer Aufführung, in Konstanz beschränkt man sich unter anderem wegen der zumeist kürzeren Haftzeiten auf Workshops. Zu den Zielen gehört die Herstellung von Öffentlichkeit, was im Juli diesen Jahres beispielsweise zu einer Kunstinstallation in einem Container auf dem Münsterplatz führte.

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Trotz des Ansatzes zur Kriminalprävention ist die Finanzierung durch die Baden-Württemberg-Stiftung keine Selbstverständlichkeit. Laut Geschäftsführer Christoph Dahl sehe man sich zum Beispiel mit der Frage konfrontiert, ob nicht prinzipiell der Opferschutz mit seinem Bedarf an Unterstützung eher ein vorrangiges Interesse darstelle. Für die Fortführung des Projekts sprächen die Effekte bei den Teilnehmern in Form von nachlassenden Übergriffen. Einfluss auf die Entscheidung der Stiftung habe auch Engagement und Betreuung des Projekts durch das Theater Konstanz.