Olaf Rahmstorf fühlt sich moralisch unter Druck gesetzt. Und mit ihm eine Handvoll weiterer Ladenbesitzer aus der Zollernstraße. Sie fühlen sich durch eine Rund-Mail der Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK) gedrängt: erstens ihre Geschäfte wieder regulär zu öffnen, auch wenn es Gründe dagegen geben könnte; zweitens, auf ihre Nachbarn einzuwirken, dies ebenfalls zu tun. Dabei bestehe doch, sagen diese Händler, eine offene Diskussion darüber, was der richtige Weg aus der Corona-Pandemie sei.
Massive Einbrüche bei den Umsätzen der Händler in Konstanz
Dass die MTK die Position der raschen und vollumfänglichen Öffnung einnehme, kann Möbelschreiner und -händler Olaf Rahmstorf verstehen. Und die Stimmen aus der Branche geben dem Stadtmarketing recht: Selbst nach Wiedereröffnung der Geschäfte – so berichten mehrere in der Innenstadt ansässige Händler – reduzierten sich ihre Umsätze wegen fehlender Kunden aus der Schweiz sowie ausbleibende Tagestouristen auf rund ein Drittel des Normalstands.
Rahmstorf und diejenigen, die er auf seiner Seite weiß, stören sich dennoch an der Form der MTK-Kommunikation: „Diesen Kurs in Form eines Appells an die Händler zu vermitteln, halte ich für unangebracht. Schließlich gibt es auch die Position, dass es im Sinne des Schutzes vor einer erneuten Ausbreitung des Virus zu voll ist in der Konstanzer Innenstadt“, sagt Rahmstorf.
Stadtmarketing reagiert „etwas erstaunt“ über die Kritik
Aktuell ist man hiervon weit entfernt: Im Landkreis Konstanz hat es laut Robert-Koch-Institut im gesamten Juni nur eine Neuinfektion gegeben. Bei der MTK ist man wegen der Kritik „etwas erstaunt“, teilt Pressesprecherin Andrea Mauch auf Anfrage mit.

„Denn es war eine Bitte und die Beteiligung ist freiwillig. Es geht um die Verlässlichkeit von Öffnungszeiten und die damit verbundene Kundenzufriedenheit.“
Worum es in der Rund-Mail der MTK ging
Stein des Anstoßes ist eine E-Mail, die am 19. Juni von einer MTK-Mitarbeiterin an Konstanzer Einzelhändler verschickt wurde. Dem SÜDKURIER liegt diese E-Mail und der darauffolgende Mail-Wechsel zwischen Rahmstorf und der MTK vor. Diese bittet darum, „die Öffnungszeiten Ihrer Geschäfte schnellstmöglich wieder zu normalisieren, sofern diese noch im reduzierten Corona-Modus sind. Eine Stadt ist dann attraktiv für Kunden, wenn die Öffnungszeiten verlässlich und möglichst einheitlich sind.“
Es folgt ein Hinweis auf mehrfache Beschwerden von Kunden, die vor verschlossenen Türen gestanden hätten, obwohl die Geschäfte im Internet zu dieser Zeit als geöffnet vermerkt waren. Und der Zusatz: „Bitte achten Sie darauf, dass möglichst alle in Ihrer Nachbarschaft mitmachen. Es hilft uns allen, schnell und gut aus dieser Krise heraus zu kommen.“
Einsicht herrscht bei schlecht kommunizierten Öffnungszeiten
Möbelhänder Rahmstorf antwortete auf die Rundmail: Die Beschwerden der Kunden über falsche Öffnungszeiten im Internet seien „vollkommen berechtigt“. Sie seien „peinlich und ein Fehler, der einem gut organisierten Unternehmer nicht unterlaufen sollte“. Ungleich weniger zustimmend reagiert er auf die Bitte, von den reduzierten Öffnungszeiten abzurücken.
Kein Händler, schreibt er zurück, würde seinen Laden aus Bequemlichkeit geschlossen halten. Aus der Nachbarschaft habe Rahmstorf „ein halbes Dutzend Rückmeldung erhalten, die meine Kritik an der E-Mail der MTK unterstützt.“
„Wir leben doch von den Umsätzen„
Drei davon stehen auch öffentlich dazu: Karin Demmler sowie Silvia Woldert und Michael Blauhut, betonen, dass ihnen als Unternehmer an offenen Geschäften gelegen sei. „Wir leben doch von den Umsätzen, aber es muss unsere Entscheidung sein, ob und wie wir die Läden öffnen“, findet Woldert, die mit ihrem Mann eine Goldschmiede führt.
„Außerdem wollen wir nicht, dass wir unsere Nachbarn überwachen oder am Ende sogar noch verpetzen sollen, wenn diese nicht öffnen“, sagt Woldert. MTK-Sprecherin Mauch erklärt: „Die Einladung, auch Händler in der Nachbarschaft mit ins Boot zu holen, ist aus einem partizipativen Gedanken entstanden, da wir mit unseren Rundmails nicht alle Einzelhändler erreichen.“
Welche Gründe sollen denn gegen eine Öffnung sprechen?
Olaf Rahmstorf führt als Grund für reduzierte Öffnungszeiten unter anderem den eingeschränkten Schulunterricht an. „Viele Einzelhändler oder ihre Angestellten haben aber Kinder zu betreuen.“ Auch persönliche Gründe, etwa die Zugehörigkeit zur Risikogruppe sowie körperliche oder psychische Probleme infolge des ganztägigen Tragens der Mund-Nasen-Masken, nennt er.
Ihn irritiert auch der Absender: „Eine solche E-Mail von der MTK erweckt den Anschein einer offiziellen, behördlichen Vorgabe. Schließlich ist der Oberbürgermeister Aufsichtsratsvorsitzender der MTK, die im Serviceportal der Stadt Konstanz als Amt aufgeführt wird.
Wie äußert sich der Oberbürgermeister dazu?
OB Uli Burchardt lässt über die Pressestelle der Stadt Konstanz ausrichten, dass es sich „hier um das operative Aufgabenfeld der MTK, nicht um eine Angelegenheit des Aufsichtsratsvorsitzenden“ handle. Burchardt sei jedoch überzeugt, „dass die MTK die notwendigen Vorsichts- und Präventionsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise im Blick hat und umsetzt“, teilt Pressesprecher Walter Rügert mit.
Mit Blick auf die jetzt geäußerte Kritik einiger Händler aus der Zollernstraße weist er noch daraufhin, dass sich diese „künftig gerne direkt mit ihm in Verbindung setzen“ können und er entsprechende E-Mails beantworten werde.
Es gibt bereits ein Angebot zum Gespräch
Auch die MTK hat Olaf Rahmstorf ein Gespräch angeboten. Dazu sei er bereit, sagt er, fände es aber besser, wenn auch diejenigen mit ins Boot genommen werden, die seinen Unmut teilten. Eine Idee für diesen Austausch haben sie schon. Sie würden sich wünschen, dass die MTK auch gegenüber der Kunden kommuniziert, dass es bestimmte Gründe geben kann, dass Geschäfte noch nicht wieder voll geöffnet haben.
Laut Sprecherin Andrea Mauch ist es der MTK „ein Herzensanliegen“, gut zu informieren. „Die Gründe für mögliche Einschränkungen werden gerne von uns weitergegeben“, sagt sie. Als Beispiele nennt sie Infoplakate, sowie Hinweise auf der Homepage und den sozialen Medien, die auf das verpflichtende Tragen von Masken hinweisen. Außerdem erwähnt sie die Aktion „Konstanz – mit Abstand am schönsten“, mit der der Appell zum Einhalten der Abstandsregeln unterstützt werde. Mit diesem Appell können sich wohl auch die verärgerten Händler von der Zollernstraße anfreunden.