„Ich sehe hier ganz viel kriminelle Energie. Kalt war das, eiskalt“, sagt Rechtsanwalt Christoph Wiggenhauser über das Vorgehen des Mannes, der Anfang April auf der Anklagebank des Konstanzer Amtsgerichts sitzt. Der Jurist ist davon überzeugt, dass seine Mandantin, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, von ihrem Ex-Freund über Monate hinweg „terrorisiert“ wurde – wie er es bezeichnet. Die Geschädigte leidet bis heute unter den Folgen: Sie hat schwere Depressionen, kann nicht mehr arbeiten.

Es ist der zweite und letzte Prozesstag, bei dem es um Stalking, Einbruch, Bedrohung und weitere Delikte geht. Verantworten muss sich dafür ein Mann aus Konstanz, er trägt an diesem Tag eine Brille und einen schwarzen Kapuzenpullover. Einen Bruchteil der Tatvorwürfe hatte er beim ersten Verhandlungstermin eingeräumt. Dieses Mal äußert er sich nicht.

Was ist in den vergangenen drei Jahren passiert?

Er ist in die Wohnung seiner Ex-Freundin eingebrochen, hat ihre Unterwäsche gestohlen, sie mit E-Mails bedroht, mit Anrufen terrorisiert. Außerdem hat er sie im Internet als „Nutte aus Konstanz“ diffamiert und ihr Türschloss mit Sekundenkleber demoliert. Seit dem Frühjahr 2020 stellte der Mann ihr über einen Zeitraum von knapp drei Jahren nach.

(Symbolbild) Mehrfach soll der Konstanzer das Türschloss zur Wohnung seiner Ex-Freundin mit Sekundenkleber unbrauchbar gemacht haben. ...
(Symbolbild) Mehrfach soll der Konstanzer das Türschloss zur Wohnung seiner Ex-Freundin mit Sekundenkleber unbrauchbar gemacht haben. Das ist nur einer von vielen Tatvorwürfen gegen den Mann. | Bild: Sondermann, Julia | SK-Archiv

Glaubwürdigkeit einer Zeugin steht in Frage. Lügt sie?

Drei Zeugen sagen an diesem Tag aus. Unter ihnen eine alte Freundin des Angeklagten. Sie ist den weiten Weg von Nordrhein-Westfalen angereist, wo auch er früher lebte, bevor er nach Konstanz kam. Seit vielen Jahren sei sie mit ihm befreundet, so die 41-Jährige. Damals sei er mit ihrer besten Freundin liiert gewesen.

Obwohl diese Beziehung in die Brüche ging, halte die Zeugin weiter Kontakt zu ihm. „Was haben Sie denn für ein Verhältnis zu dem Angeklagten?“, will der Staatsanwalt wissen. „Ein geschwisterliches“, entgegnet die Frau. Seit er am Bodensee wohne, sehen sich die beiden ihren Angaben nach noch ein bis zweimal im Jahr.

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Mit ihrer Aussage sorgt die Zeugin für Stirnrunzeln im Saal. Sie gibt an, der Angeklagte sei im Sommer 2020 eine Woche lang bei ihr zu Besuch gewesen – mitunter genau an jenem Tag, an dem er in die Wohnung seiner Ex-Freundin eingebrochen sein soll. Wann genau er bei ihr war, kann die 41-Jährige auf Nachfrage von Richterin Friederike Güttich allerdings nicht beantworten. Unter anderem deshalb wird Güttich das vermeintliche Alibi später für nicht belastbar halten.

Als psychiatrischer Gutachter ist Aksel Hansen zur Verhandlung geladen. Um mehr über den Angeklagten zu erfahren, nimmt er die Zeugin regelrecht ins Kreuzverhör. „Ist er sehr dominant?“, fragt Hansen. Die Frau verneint. Immer wieder sieht sie zu dem Angeklagten hinüber, sie wirkt verunsichert.

Die Beziehung zwischen ihrer besten Freundin und ihm sei unauffällig gewesen, so die Frau. „Die beiden hatten ganz normale Beziehungsstreits.“ Über seine Ex-Freundin aus Konstanz wisse sie nur wenig. Was dem Gutachter auffällt: „Ich finde es faszinierend, dass Sie erst einmal ihn anschauen, bevor Sie mir antworten.“

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Polizistin: „Psychisch für sie nicht mehr auszuhalten“

Als nächste Zeugin sagt eine Polizistin aus, die die Ermittlungen gegen den Mann leitete. Die Beamtin bestätigt die vielen Vorfälle: Er habe die Unterwäsche seiner Ex-Freundin gestohlen und vor dem Haus verteilt, den Schlauch ihrer Waschmaschine durchgeschnitten, gefälschte Profile von ihr auf Dating-Plattformen erstellt. Von einzelnen Taten gebe es sogar Videobeweise. Zum Leidensdruck der Geschädigten äußert sich die Zeugin so: „Er hat ihr immer wieder signalisiert: ‚Ich bin in deiner Nähe‘. Das war psychisch für sie nicht mehr auszuhalten.“

Nach der Beweisaufnahme präsentiert Aksel Hansen sein psychiatrisches Gutachten über den Angeklagten: „Ich halte ihn für hochgradig manipulativ“, sagt der Experte. Es könne sogar sein, dass er an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leide. Da der Mann ein persönliches Gespräch mit dem Psychiater jedoch ablehnte, könne er diese Einschätzung nur auf Basis der Akten geben. Darin gebe es keinen Anhaltspunkt für Wahnvorstellungen, also erklärt Hansen den Angeklagten für voll schuldfähig.

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Für Staatsanwalt Robert Aichele steht nach Anhörung der Zeugen fest: Der Angeklagte ist schuldig. Mit direkten Worten richtet er sich an den Mann: „Sie haben ein Machtspiel gespielt, um die Geschädigte in Angst und Schrecken zu versetzen.“ Der Angesprochene sitzt da, den Blick starr auf seinen Tisch gerichtet, er sieht kein einziges Mal auf.

Die Frau sei von einer langanhaltenden, perfiden Zerrüttung ihrer Lebensumstände betroffen, fährt Aichele fort. So schwer, dass sie sich sogar in teilstationäre Behandlung begeben musste. Dafür fordert der Staatsanwalt drei Jahre und zwei Monate Haft. Diesem Strafmaß schließt sich der Anwalt der Geschädigten an. „Sie haben Glück, dass ihre Ex-Freundin so stark ist“, betont Wiggenhauser. „Wenn Sie Pech gehabt hätten, hätte sie sich etwas angetan.“

Er wird zu zwei Jahren und zehn Monate Haft verurteilt

Wie schon während der ersten Verhandlung versucht die Anwältin des Angeklagten erneut, die vorgelegten Beweise als Fälschungen und die Geschädigte als unglaubwürdig darzustellen. Gar bezeichnet sie die Morddrohungen ihres Mandanten an seine Ex-Freundin als „Galgenhumor“.

Standhalten kann diese Argumentation vor Richterin Friederike Güttich nicht. Sie verurteilt den Mann zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnisstrafe. Innerhalb einer Woche kann dieser gegen das Urteil noch Berufung einlegen. Diese liegt (Stand: 12. April, 11 Uhr) der Richterin nicht vor.