Paulina Daiber

So was hat die Polizistin noch nicht erlebt. Seit Jahren hat sie mit Fällen von Stalking zu tun, doch was sich der 53-jährige Angeklagte hat zuschulden kommen lassen, übertrifft ihren Erfahrungshorizont. Die Staatsanwaltschaft braucht mindestens fünf Minuten, um die Anklagepunkte vorzulesen.

Dabei hatte der Mann neben seiner 51-jährigen Ex-Freundin auch deren neuen Freund belästigt. Unter seine vielen Straftaten fallen ferner Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Der 53-jährige Angeklagte bestätigte alle Tatvorwürfe bis auf vier.

Alles begann im Juni 2020.

Nach fünf Jahren trennte sich die damalige Freundin von dem Angeklagten, der sich außerdem durch den Verlust seines Jobs in einer schwierigen Situation befand. Die Frau bemerkte unmittelbar nach der Trennung, dass ihr Ex dies nicht akzeptieren würde. Schon im Juli 2020 habe er vermehrt ihr Haus aufgesucht und sie beobachtet sowie per WhatsApp und E-Mail versucht, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Mit einem Hausschlüssel, den er seiner Ex-Freundin noch nicht zurückgegeben hatte, brach der Angeklagte im Juni 2020 in ihr Haus ein und stahl Unterwäsche.

Was tun? Die Frau versuchte es im Guten und forderte ihren Ex-Freund auf, dass er sie in Ruhe lassen solle. „Doch als es nicht fruchtete und die Nachstellung immer vehementer wurde, habe ich den Kontakt konsequent vermieden, um ihm keinen Nährboden zu bieten.“ Endgültig hatte sie genug, als nach ihrem Empfinden die Belästigungen in Bedrohungen übergingen.

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Dem Vorwurf begegnet der 53-Jährige vor Gericht mit dem Zitat eines Paartherapeuten, den er bereits 2014 mit seiner damaligen Ehefrau besucht hatte. „Sie sind süchtig nach ihrer Frau“, habe jener Therapeut diagnostiziert. Ganz ähnlich verhielt es sich nach Darstellung des Angeklagten im aktuellen Fall.

Das Bedürfnis seiner Ex-Freundin nach Abstand habe nicht auf sein Bedürfnis nach Nähe gepasst. Er habe dies in Einklang bringen wollen, teilt er der Richterin mit. Seine Handlungen seien eine Art Zeichensprache gewesen, um ihr zu zeigen, dass er sie zurückwolle.

Annäherungsverbot hilft nichts.

Im wirklichen Leben sah das dann folgendermaßen aus: Unter anderem wartete der Angeklagte im Juli und August 2020 regelmäßig nach der Arbeit auf die Ex-Freundin, um mit ihr zu reden. Mindestens zwei Mal verfolgte er sie anschließend mit dem Auto.

Außerdem hielt er sich häufig in ihrem Garten auf und machte Fotos von ihr und ihrem neuen Freund durch den Rollladen ihres Wohnzimmerfensters. Selbst als per Erlass verfügt wurde, dass der Angeklagte sich der Frau nicht mehr nähern durfte, sei er mindestens 19 Mal in ihrem Garten oder an ihrer Arbeitsstelle aufgetaucht.

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Zu leiden unter dem Stalking hatte auch der neue Lebenspartner der 51-Jährigen. Auch ihm stellte der Angeklagte nach. Dieser rechtfertigte sich: „Sie sind ein netter Mensch, aber Sie knabbern an der falschen Frau“, sagte der Angeklagte vor Gericht als Erklärung. Im Oktober 2020 brachte der 53-Jährige übrigens noch einen GPS-Tracker an das Auto des Rivalen an. Mit diesem verfolgte er ihn mit der Intention, das Auto mit einem Messer zu zerkratzen.

Doch darüber, dass er anschließend 13 weitere Autos demolierte, sei er dann selbst überrascht gewesen, so der Angeklagte weiter. „Das ist auf einer naiven, spontanen Eingebung auf der Fahrt dorthin entstanden. Ich dachte, wenn ich noch mehrere Autos beschädige, sieht das nach einem Jugendstreich oder sonst irgendwie aus.“ Der Schaden lag bei rund 25.000 Euro. Insgesamt habe der 53-Jährige, laut seinem Anwalt, schon rund 30.000 Euro wegen des Vandalismus gezahlt.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung?

In der Gerichtsverhandlung kommt eine Psychotherapeutin als Sachverständige zu Wort, die im vergangenen Jahr insgesamt neun Stunden mit dem 53-Jährigen gesprochen hat. Ihrer Bewertung zufolge gebe es bei dem Angeklagten keine Anzeichen, dass seine Einsichtsmöglichkeit beschränkt sei.

Seine Taten seien zum Teil einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zuzuschreiben. Er habe die Verletzungen durch die Trennung umgedeutet, bis er seine Handlungen rechtfertigen konnte – in der Vorstellung, die Ex auf diese Weise irgendwann zurückzugewinnen.

Schuldig – in fast allen Punken.

„Ich habe bei Ihnen nichts von Empathie und Reue gefunden“, sagt die Richterin in ihrem Urteil. In all seinen Erklärungen habe sich alles immer nur um ihn gedreht – er habe keine Einfühlsamkeit für die von ihm Geschädigten gezeigt. In der gesamten Verhandlung sei keine Entschuldigung erfolgt.

Das Urteil: Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die auf eine dreijährige Bewährung ausgesetzt wird. Die Bewährung läuft unter Aufsicht eines Bewährungshelfers. Die Richterin betonte, dass es vieler Vergehen bedürfe, um ein Nachstellen juristisch mit einer Freiheitsstrafe zu ahnden.

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