Die Neufestlegung für den Betrieb von Ständen auf dem Konstanzer Wochenmarkt sorgt bei einer Reihe von Standbetreibern und Kunden für Frust. Der Vorwurf des unsensiblen Umgangs der Stadtverwaltung mit langjährigen Standbetreibern gehört dabei noch zu den gemäßigten Vorhaltungen. Nach Darstellung einiger Betroffener geht es schlichtweg um die Existenz.

Zum Beispiel im Fall von Anne Gabele. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten führt sie ihren Gemüsestand in vierter Generation an drei der insgesamt vier Markttage. Da das Gemüse zudem aus dem Tägermoos stammt und somit die verschärften Richtlinien der Regionalität der angebotenen Produkte erfüllt sind, könnte man bei der im Rhythmus von fünf Jahren praktizierten Neufestlegung der Standbewilligungen von einer Formalie ausgehen. Doch es kam anders: Am 28. November flatterte der Familie die Kündigung zum Jahreswechsel ins Haus.

Überrascht von Kündigungsfrist

Anne Gabele wehrte sich, und sie hat allen Grund dazu. „Für uns geht es schlichtweg um die Existenz“, erläuterte sie in einem Telefonat mit dem SÜDKURIER. Der Wochenmarkt ist die einzige Verkaufsmöglichkeit für die Familie, da sie über keinen eigenen Laden verfügt. Vor den Kopf gestoßen fühlte sie sich auch von der Kürze der Kündigungsfrist. Bei einem halben Jahr hätte sie vielleicht noch ein gewisses Verständnis aufgebracht, angesichts des langjährigen Standbetriebs hält sie die Frist von etwas mehr als vier Wochen für nicht hinnehmbar.

Auch beim Bewertungsaspekt der Zuverlässigkeit will sich Anne Gabele nichts vorwerfen lassen. Übers Jahr sei „vielleicht an etwa drei Wochen“ auf den Betrieb verzichtet worden, wobei man sich ganz vorbildlich abgemeldet habe. Ursache waren zwei Bandscheibenvorfälle ihres 34-jährigen Lebensgefährten, für den Anne Gabele gern selbst eingesprungen wäre. Doch die 30-Jährige ist Mutter einer sieben Monate alten Tochter und entschied sich aus diesem familiären Grund dagegen. Sie weist außerdem darauf hin, dass gemäß den Vorschriften ein Nichtbetrieb des Standes für insgesamt sechs Wochen möglich ist.

Protest zeigt Wirkung

Immerhin, der Protest zeigte Wirkung. Die Kündigung für den Standbetrieb wurde zurückgenommen, die Gabeles bekamen einen Platz in der Wessenbergstraße. Bei diesem Standort geht Anne Gabele von einer Umsatzeinbuße in Höhe von 70 Prozent aus, womit die Existenzsorgen nicht wirklich vom Tisch sind. Also wurde erneut interveniert, am gestrigen Freitag gab es nach einem neuerlichen Gespräch mit der Stadtverwaltung Grund zur Zuversicht. „Ich habe den Eindruck, dass man sich im Rathaus wirklich Mühe gibt“, so Anne Gabele, „wir haben jetzt Aussicht auf einen Platz in der Nähe unseres bisherigen Standorts.“ Bei der Suche nach einer Lösung könnte eine Unterschriftensammlung dienlich gewesen sein. Bislang haben sich nach Angaben von Anne Gabele rund 200 Kunden daran beteiligt.

Monika Harder dagegen bringt kaum noch Widerstandsgeist auf. Seit etwa 30 Jahren bietet sie Kräuter, Wolle, Gestricktes und Natursteinsalze an – Letztere stammen aus Polen, und das ist der Hauptgrund, warum für sie kein Platz mehr auf dem Wochenmarkt ist. Den Hinweis auf die erforderliche Regionalität der Produkte kontert sie mit dem Hinweis auf ihre langjährige Präsenz; „und dann“, so schimpft sie, „möchte ich mal wissen, woher der Kaffee herkommt, der auf dem Markt ausgeschenkt wird“.

Die 65-Jährige hat zwar Beschwerde eingelegt, aber „eigentlich habe ich die Faxen schon lange dicke“. Ihr mangelt es an Wertschätzung, denn der Markt lebe nicht zuletzt von seiner Tradition und Betreibern, die nicht den großen Umsatz machen, sondern durch ihre Präsenz für die Marktdichte sorgen. „Lücken sind tödlich für einen Markt„, sagt Monika Harder, sie selbst jedoch habe nie zu denen gehört, die „gleich wieder gehen, wenn das Geschäft nicht läuft“. Die Enttäuschung sitzt bei ihr so tief, dass sie voraussichtlich auch in den verbleibenden Dezember-Wochen auf ihren Stand verzichtet. „Ich finde das so brutal, dass ich gleich anfange zu weinen, wenn mich Kunden darauf ansprechen“, sagt sie.

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Zu den Betroffenen zählt auch Andreas Meichle, der seinen Fischstand bisher dienstags und samstags betreiben konnte und jetzt auf die Tage Mittwoch und Samstag verlegt wurde. „Ob ich unglücklich darüber bin?“, greift er die Anfrage des SÜDKURIER auf und ergänzt, dass „das sehr nett ausgedrückt ist“. Er rechnet übers Jahr mit einer Umsatzeinbuße von 100.000 Euro, da der Mittwoch als „Totenmarkt“ gelte. Die Neuregelung trifft ihn auch deshalb hart, weil er sich vor fünf Jahren einen Verkaufswagen im Wert von 137.000 Euro zugelegt hat.

Marktplätze erleben einen Boom

Christoph Sigg ist der Unmut bekannt, der Leiter der städtischen Liegenschaftsverwaltung verweist allerdings darauf, dass „wir einen Platz, den wir nicht haben, auch nicht vergeben können“. Der Verlegung von Ständen sei zurzeit vor allem auf die Abstandsvorgaben zur Eindämmung der Pandemie zurückzuführen, sodass manch ein Standbetreiber auch mal mit einem zugigen oder verkaufsungünstigen Platz vorlieb nehmen müsse. Doch auch sonst gleiche die Belegung einer Jonglage, da die insgesamt 77 Bewerber bei der Neuausschreibung für die maximal 55 Plätze zusätzlich noch diverse Wünsche für die vier Markttage vorbrachten. Zu berücksichtigen sei ferner die Sortimentsvielfalt des Markts.

Stadtverwaltung bemüht sich um Lösungen

Wenig auszurichten sei im Übrigen in Fällen, in denen Standbetreiber trotz wiederholter Nachfrage keine Bewerbung abgaben und schließlich die Einreichungsfrist nicht einhielten. In anderen Fällen, wie etwa von Monika Harder, verweist Christoph Sigg angesichts der Bewerbungsvielfalt auf die Sortimentsvorgaben – und ihr Angebot gehöre eben nicht auf einen Wochen-, sondern eher auf einen Kunsthandwerkermarkt. Bei den anderen Beschwerden strebe man Lösungen durch Nachjustierungen an.