Es regnete und regnete und regnete im Mai 1999. Dann kam auch noch viel Schmelzwasser aus den Bergen. Und der See stieg und stieg und stieg. Bis zum Jahrhundert-Pegelstand von 5,65 Meter am 24. Mai. Vielerorts lagen Uferbereiche unter Wasser – rund vier Wochen lang. Im Konstanzer Stadtgarten und dem Hafenareal waren es bis zu 50 Zentimeter. Die Marktstätten-Unterführung drohte aufgeschwemmt zu werden.

Die Feuerwehr brachte Kies und Sand als Gegengewicht auf. Die Fähre nach Meersburg musste einige Tage den Betrieb einstellen. Das Hochwasser hatte die Schiffe so weit angehoben, dass ein Anlegen zeitweise nicht mehr möglich war. Beinahe hätte auch der Bahnverkehr eingestellt werden müssen.
Beim Stellwerk drohten Kabelschächte abzusaufen. Die Feuerwehr konnte dies mit Wagemut und Einfallsreichtum stoppen. Vielerorts versuchten Betroffene, mit Sandsäcken Schlimmeres zu verhindern. Und was dabei zusätzlich nervte, waren Sensations-Touristen.
Konstanz: Wenn im Biergarten plötzlich Boote herumschippern...
Bei Rosies Pavillon am See im Stadtgarten begann es am Freitag vor Pfingsten. „Die Leute saßen bei mir im Biergarten, als das Wasser aus den Abläufen hoch kam“, erinnerte sich die inzwischen verstorbene Rosie Arend-Daum im Sommer 2022. „Und innerhalb von zwei Stunden waren die Füße der Leute überspült.“ Doch dann wurde es recht schnell noch schlimmer. „Ich war überrascht von der Dimension. Ich war für Pfingsten gerüstet“, so die frühere Wirtin des Pavillions.


Doch ihre neuen Tische und Stühle standen 1999 im Wasser. Das Kühlhaus sei voll gewesen, erzählte Arend-Daum einst gegenüber dem SÜDKURIER. Aber weil die Stadt den Strom im Stadtgarten abschalten musste, habe sie alle Frischwaren wegwerfen müssen. Und während in ihrem Biergarten Boote herumschipperten, habe sie erst mal eine Woche lang nur zu Hause gesessen.
Bis dann ihr langjähriger Getränkelieferant ihr einen Verkaufsstand organisierte, den sie mit Genehmigung der Stadt auf der Marktstätte gegenüber dem Eiscafé Dolomiti aufstellen durfte, wobei sie die Pacht für den Pavillon weiter habe zahlen müssen. Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin habe sie dort zudem nur Getränke und Bratwurst anbieten können.
Und nur wenige Tische hatten Platz. Das seien natürlich deutliche Umsatzeinbußen gewesen, so Arend-Daum, aber: „Ich hatte wenigstens was zu tun.“ Und im Nachhinein hatte das damalige Hochwasser hier etwas Gutes: Die Stadt ersetzte den alten Alu-Pavillon im Jahr darauf durch das heutige Gebäude.
Reichenau: Versorgung der Inselbewohner wird zur Herausforderung
Der Reichenauer Inseldamm stand bis zu einem halben Meter unter Wasser. Nur noch Großfahrzeuge konnten dort wochenlang fahren. Eine Herausforderung war die Versorgung der Inselbewohner mit alltäglichen Dingen. Der damalige Bürgermeister Volker Steffens mobilisierte sogar Unterstützung durch die Bundeswehr.

Für Pendler gab es einen Not-Parkplatz auf dem Festland in Göldern-Ost, wo heute das Gewerbegebiet ist, sowie einen Sonder-Schiffsverkehr nach Allensbach. Auf der Insel half die Feuerwehr Betroffenen mit Sandsäcken, Folien und Pumpen beim Kampf gegen die Fluten, so gut es ging.
Besonders betroffen waren einige Gemüsegärtner, bei denen nicht nur das Wohnhaus, sondern auch Gewächshäuser unter Wasser standen. Johannes Bliestle, der Geschäftsführer der Gemüse-Genossenschaft, bilanzierte danach, dass manche Gärtner 75 Prozent der Jahresproduktion verloren hätten. Gemüse im Wert von 1,2 Millionen Mark sei vernichtet worden.
Auf dem Campingplatz Sandseele kann sich der damalige Chef Gernot Beyer noch gut an den Pfingstsamstag 1999 erinnern. „Um die Mittagszeit bin ich am See gestanden und hab zugeschaut, wie das Wasser steigt und steigt und steigt.“
Bis es dann zunächst ins Restaurant des damaligen Hauptgebäudes lief. „Die Gäste haben die Füße hoch genommen und in Ruhe weiter gegessen.“ Doch mit der Ruhe war es rasch vorbei. Er habe das Restaurant geräumt und die Feuerwehr um Hilfe gerufen.


Mit Folien und Sandsäcken habe man versucht, die Gebäude vor weiteren Wasserschäden zu schützen. Und dann waren da natürlich noch die Camper. Der Platz sei damals mit 650 Leuten voll belegt gewesen. „Am Pfingstsamstag habe ich in Absprache mit der Gemeinde und der Wasserpolizei gesagt: Wir evakuieren den Platz.“
Denn niemand habe gewusst, wie lang das Hochwasser anhalte und ob es vielleicht noch schlimmer komme. Die Autos und Wohnwägen der Gäste habe man mit Abschleppdiensten aufs Festland gebracht.
Allensbach: „Die unteren Räume waren jahrelang noch feucht“
In Allensbach waren der Seegarten und die Lände überschwemmt. Der damalige Bürgermeister Helmut Kennerknecht berichtet, man habe dort stellenweise mit Betonsteinen und Sandsäcken einen improvisierten Schutzwall errichtet, falls ein Sturm mit hohen Wellen gekommen wäre, was glücklicherweise nicht der Fall war. In der Konstanzer Straße sei das Wasser von der Sankt-Nikolaus-Kirche bis zum Bahnübergang Hinnengasse gestanden.


An der Ortsdurchfahrt seien aus Ziegelsteinen und Dielen Stege auf dem Gehweg gebaut worden für Fußgänger. Wenigstens sei das Wasser dort nicht in die Häuser gelaufen – so auch nicht ins Rathaus, wo aber Wasser im Mauerwerk hochstieg. „Die unteren Räume waren jahrelang noch feucht.“
Eine wichtige Hilfe sei damals – nebst der Feuerwehr – die Baufirma Schulter gewesen, deren großer Stapler als Transportmittel für Sandsäcke, Steine und Personal diente, so Kennerknecht.
- Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals im Sommer 2022. Im Mai 2024 wird er erneut veröffentlicht – 25 Jahre nach dem Pfingsthochwasser von 1999.