„Ich lese täglich die Nachrichten in den sozialen Medien und habe dann Angst um die Kinder“, sagt Lidia Maschachkov gleich zu Beginn des Gesprächs mit dem SÜDKURIER. Seit dem 19. Januar leben sie und ihr Ehemann Aleksandr Maschachkov aus der Ukraine in Konstanz, momentan in der Leichtbauhalle auf Klein Venedig.
Die Angst und die Sorge sind ständige Begleiter aller Kriegsflüchtlinge. Lidia und Aleksandr Maschachkov haben sich erst spät auf den Weg gemacht aus Kropivnicky in der Zentralukraine. Lidias Mutter war schwer erkrankt und nicht mehr reisefähig. Im November 2022 starb sie und das Ehepaar beschloss, ihre kriegsgebeutelte Heimat zu verlassen.
Nun leben sie in der Leichtbauhalle auf dem Konstanzer Areal Klein Venedig. Einen geringfügigen Schock habe er bekommen, als er die Wessenberghalle, in der sie zuerst für zehn Tage unterkamen, betrat, bekennt Aleksandr Maschachkov. „Es war so laut, dass wir gleich zurückwollten“, sagt er. Doch dann habe er versucht, sich auf die neuen Lebensumstände einzustellen. Der erste Eindruck von der Leichtbauhalle wiederum sei gut gewesen, berichten beide.
„Da standen 40 nagelneue Waschmaschinen und auch die Kühlschränke waren ganz neu“, berichtet Lidia. Der Platz darin ist streng aufgeteilt: Vier Personen nutzen gemeinsam ein Gerät. Inzwischen habe man auch die Herde nach Zimmern aufteilen müssen, da die willkürliche Nutzung nicht funktioniert habe. Zu häufig seien die Kochplatten verschmutzt hinterlassen worden.
Zwölf Personen teilen sich eine Einheit
Die „Zimmer“ sind Flächen, die durch Bauzäune voneinander abgetrennt sind. Sie sind klar gegliedert: Zwölf Personen teilen sich eines, das Ehepaar lebt dort mit drei weiteren Paaren und einem Paar mit einem sechsjährigen Mädchen. Das funktioniere in ihrem Fall sehr gut, sagt Lidia Maschachkov. Diejenigen, die schon länger in Konstanz leben, seien stets hilfsbereit bei Fragen.
Sogar bei der gefürchteten Bürokratie hätten sie Glück: Innerhalb eines Monats sei es ihnen gelungen, die meisten in Deutschland nötigen Dokumente zu erhalten. Nichts Selbstverständliches angesichts der vielen Fälle, die die Sozialarbeiter zu betreuen haben. Aber es gibt auch Dinge, die schwerer erträglich sind: der Kinderlärm etwa, auch gegen 22 Uhr, wenn eigentlich Nachtruhe herrschen sollte. Am Vormittag sei es leiser, wenn einige der Kinder eine Spielgruppe oder die Schule besuchen.
Lärm und Wetter sind ein Problem
Auch Ljuba, die ihren Nachnamen nicht nennen will, da sie negative Konsequenzen für sich befürchtet, spricht den Lärm an. „Es ist schon sehr laut, es leben verschiedene Altersgruppen zusammen. Die Älteren haben damit Probleme.“ Das Thema Ordnung sei ebenfalls nicht unproblematisch. „Manche erziehen ihre Kinder nicht“, sagt sie. Wenn es um die Hygiene der Sanitäranlagen gehe, ärgere sie das sehr. „Da wird Papier auf den Boden geworfen, die Toilettentüren werden offengelassen. Schämen sich die Leute nicht?“
Manche Aspekte hängen schließlich mit dem Standort der Unterkunft zusammen. Bei starkem Regen bilden sich große Pfützen im Zelt, aber zum Glück außerhalb der Zimmer. Häufig steht das ehemalige Festzelt direkt im Wind. „Wenn er stark bläst, kann man kaum einschlafen, so laut reißt der Sturm an den Zeltplanen.“
Ljuba selbst ist mit ihrer über 70-jährigen Mutter von Kramatorsk aus der Ostukraine nach Konstanz geflohen. Sie hat einige Flüchtlingsunterkünfte erlebt: Warschau, Berlin-Tegel, Sindelfingen, dann in Konstanz die Zeppelinhalle, nun die Leichtbauhalle. Vor allem das stete Umstellen auf die neuen Verhältnisse sei anstrengend.
Konflikte blieben bei der großen Anzahl an Menschen nicht aus. Schlimmer sei es aus ihrer Sicht, dass auch die Polizei bereits eingreifen musste: bei körperlichen Auseinandersetzungen und wegen Diebstahls. Von Drogenhandel habe sie zum Glück bislang nichts gehört, sagt sie.
Kinderarzt bietet Sprechstunde an
Neuerdings gebe es montags eine Sprechstunde eines Kinderarztes, der eigens in die Leichtbauhalle komme. „Das ist eine gute Einrichtung“, sagt Ljuba. Sie wünscht sich, dass auch ein Hausarzt regelmäßig komme. Gerade den älteren Menschen mit Bluthochdruck falle es schwer, einzuschätzen, ob sie dringend einen Arzttermin bräuchten.
In der Bilanz sind sich Ljuba sowie Lidia und Aleksandr Maschachov allerdings einig: „Einen großen Dank an Deutschland für die großzügige Aufnahme“, formuliert Ljuba. Lidia und Aleksandr Maschachkov sind froh, dass Ehrenamtliche des Vereins Ukrainehilfe sie bei Behördengängen unterstützten. „Wir haben das Gefühl, dass es gut läuft“, sagen sie.