Manchmal ist es ein einziger Satz, der fast alles umreißt. An diesem Abend ist es der junge Stadtrat Levin Eisenmann, der ihn ausspricht. Seit einem Jahr gehört er dem Konstanzer Gemeinderat an und kann bereits auf eine ungewöhnliche Auslandsmission zurückblicken. Als Teil einer kleinen Delegation war er in Berdytschiw, der Stadt in der Ukraine, mit der Konstanz eine Solidaritätspartnerschaft unterhält.
Und als Levin Eisenmann einen Eindruck schildert, wird plötzlich die ganze Tragödie fassbar. „Ich als 28-Jähriger habe in der ganzen Stadt keine Männer in meinem Alter gesehen“, sagt Eisenmann. Und fügt hinzu: „Die sind alle im Krieg“.
Über der Stadt – 150 Kilometer südwestlich von Kiew und damit alles andere als im vergleichsweise sicheren Teil der Ukraine gelegen – sahen Eisenmann und seine drei Reisegefährten Abfangjäger. In nur 50 Kilometern Entfernung gab es während ihres Aufenthalts einen größeren Einschlag.
Wer hier unterwegs ist, braucht eine App, die über Fliegeralarm informiert und den Weg zum nächstgelegenen Schutzraum weist. Jeden Morgen um 9 Uhr wird die Nationalhymne gespielt, und das öffentliche Leben steht still für eine Gedenkminute an die Gefallenen. In Berdytschiw ist alles anders als im beschaulich-sicheren Konstanz.
Auch Normen Küttner, Eisenmanns Kollege aus dem Gemeinderat, ist tief beeindruckt vom Besuch. Er hat in der ukrainischen Stadt unter anderem das Krankenhaus besucht – dort hofft man auf Unterstützung auch aus Konstanz. Besonders nötig: Chirurgie und Rehabilitation.

Auch vor der Klinik stehen Gedenktafeln für Kollegen, die nicht mehr zurückkommen werden. Andere leben zwar noch, haben der Stadt und dem Land aber den Rücken gekehrt, vor allem Jüngere, Frauen und Kinder. „Ein plötzlicher demografischer Wandel“, sagen die Konstanzer Stadträte.
„Wir halten für Euch den Kopf hin“
Nun wollen sie eine Diskussion anregen, wie es weitergehen soll in der Verbindung der beiden so ungleichen Städte. Immer wieder seien sie um Hilfe gebeten worden, erzählen Küttner und Eisenmann: „Die Menschen sagen: Bitte helft uns, wir halten für Euch den Kopf hin“. Ob es bei gelegentlichen Hilfsaktionen bleibt oder eine richtige Partnerstadt zwischen Konstanz und Berdytschiw heranwachsen soll, ist noch nicht entschieden.
Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt regt an, sich erst einmal schlau zu machen, was für die Menschen vor Ort in dem kriegsgeschüttelten Land den größten Nutzen bringt. Der Bericht der kleinen und mutigen Reisegruppe, zu der neben Eisenmann und Küttner auch noch Martin Schröpel und Charlotte Biskup vom Hauptamt gehörten, sei jedenfalls „sehr eindrucksvoll“, sagt Burchardt sichtlich betroffen.
Und auch die beiden Stadträte wirken kurz nach ihrer Rückkehr aus der Ukraine eher nachdenklich. Auch in Konstanz müsse man sich überlegen, „wie viel wir uns zutrauen bei dieser Partnerschaft“.