„Noch drei, noch zwei, eins, los!“, ruft Sarah Becker auf dem Sportplatz des Suso-Gymnasiums. Die Sportwissenschaftlerin und Erzieherin bringt die Teilnehmer der Konstanzer Sommerschule richtig ins Schwitzen. Denn nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause ist hier endlich wieder pädagogisches Freizeitprogramm am Nachmittag erlaubt. Hampelmann, Kniebeugen, Liegestützen – Becker verlangt den künftigen Fünft- bis Zehntklässlern einiges ab.
Sie brauchen die Bewegung aber auch, als Ausgleich zum Vormittag, an dem vor allem der Kopf gefragt ist. Rechtschreibung, Lesestrategien, die Zeiten des Englischen oder Dreisatz und Prozentrechnung: Zwei Wochen lang stehen bei der Konstanzer Sommerschule für 94 Kinder und Jugendliche aller Schularten Deutsch, Mathe und Englisch auf dem Programm, ergänzt durch eine tägliche Einheit „Lernen lernen“.

Zusätzlich wurden erstmals zwei separate Sprachförderklassen eingerichtet. „Der Bedarf war groß“, sagt Lena Hommel vom städtischen Amt für Bildung und Sport, die für die Organisation der Sommerschule zuständig ist. So arbeiten 20 Kinder aus Afghanistan, Syrien, afrikanischen Ländern, der Ukraine und weiteren Nationen auf zwei unterschiedlichen Niveaus am Erwerb der deutschen Sprache.

„Bei einigen steht erstmal die Alphabetisierung im Vordergrund“, sagt Heidi Reiff, die an der Sommerschule Deutsch als Zweitsprache unterrichtet. „Manche Teilnehmer sind so traumatisiert, dass erstmal gar nichts geht. Andere kamen von Beginn an gut rein.“
Heidi Reiff unterrichtet eigentlich an der Sonnenland-Schule in Stockach, engagiert sich aber schon zum sechsten Mal bei der Konstanzer Sommerschule. „Das ist ein ganz anderes, freies Arbeiten ohne enges Korsett des Bildungsplans“, so die Lehrerin. „Hier geht es vielmehr darum, eine persönliche Bindung aufzubauen und die Lernmotivation zu stärken.“ Der zusätzliche Einsatz von Lehramtsstudierenden, Schulsozialarbeitern sowie FSJ-Kräften (Freiwilliges Soziales Jahr) sei auch sehr wertvoll.

Solch positive Erfahrungen machte Reiff nicht immer. Im vergangenen Jahr war sie bei den Lernbrücken dabei, einem Programm des Landes Baden-Württemberg. Es richtete sich an Kinder und Jugendliche der Klassen 1 bis 9, die schon vor der Corona-bedingten Schulschließung Probleme hatten und die während des Lockdowns nicht oder nur schlecht erreichbar waren. „Das kam mir vor wie eine Alibi-Veranstaltung, die man gemacht hat, weil es Pflicht war“, sagt Reiff offen. „An der Sommerschule sind die Voraussetzungen ganz anders.“
Freunde finden, Sport machen
Dass hier in kleinen Gruppen mit hauptsächlich ausgebildeten Lehrern passgenau gefördert wird, empfindet auch die 13-jährige Lana so. Sie besuchte zuletzt die 7. Klasse des Geschwister-Scholl-Gymnasiums und wurde auf Probe versetzt. „Ich habe drei Fünfen im Zeugnis“, sagt Lana. Ihr Ansporn ist es, die Klasse nicht wiederholen zu müssen. „Die Sommerschule hat mir schon geholfen“, erzählt die Schülerin. „In Deutsch habe ich die Wortarten geübt und in Mathe endlich Therme und Gleichungen besser verstanden.“

Fortschritte sieht auch der elfjährige Niklas, ebenfalls Scholl-Gymnasiast. „Ich hatte nicht kapiert, wie man mit Quadratmetern rechnet, aber jetzt habe ich es verstanden“, sagt er. „Der Unterricht in der Sommerschule ist besser, denn in den kleinen Gruppen traut man sich mehr und es herrscht keine Anspannung.“ In den zwei Wochen am Suso-Gymnasium möchte er „Spaß haben, neue Leute kennen lernen, Sport machen und was lernen“.

Der bisherige Grundschüler Lorenz besucht künftig das Humboldt-Gymnasium. „Ich habe mich freiwillig angemeldet, weil ich eine Rechtschreibschwäche habe“, sagt er. „Durch die Sommerschule habe ich ein bisschen mehr Spaß am Lesen.“ Dem Zehnjährigen macht es nichts aus, in den Ferien rechtzeitig aufzustehen und zur Schule zu gehen. „Ich komme gern hierher“, sagt er und übt den nächsten Sprung über einen Kasten.

Lorenz nimmt nämlich gerade am Parkour-Training von Team Fox unter der Leitung von Danial Khan teil, das eines der vier Nachmittagsangebote darstellt. Weitere Säulen sind Taekwondo und Selbstverteidigung mit Taoufik Skandrani von 2K Training und ein pädagogisches Angebot der Schulsozialarbeit der Geschwister-Scholl-Schule.
Studierende lernt selbst einiges
Projektleiterin Lena Hommel freut sich sehr, dass das Nachmittagsprogramm dieses Jahr wieder stattfinden darf. „Wir öffnen hier Erlebniswelten, die auch einen Anstoß für die Zeit nach der Sommerschule geben können“, sagt sie. Den ungezwungenen Kontakt mit Schulsozialarbeitern findet sie ebenfalls wichtig.
Die 23-jährige Evelyn Sutoris erlebt die zwei Wochen Ferienlernen noch aus einer ganz anderen Perspektive. Sie studiert Italienisch und Politikwissenschaften auf Lehramt an der Uni Konstanz und hat nun die Gelegenheit, Berufserfahrung zu sammeln: „Im Studium kommt die Praxis oft zu kurz“, moniert sie.

„Hier unterrichte ich Lernen lernen‘ und kann mich besser auf die einzelnen Schüler einstellen als in Klassen mit 30 Jugendlichen. Und ich lerne selbst einiges dabei, zum Beispiel flexibel zu sein. Das wird mir später im Schulalltag helfen.“ Evelyn Sutoris würde jederzeit wieder an der Sommerschule teilnehmen: „Ich gehe jeden Tag mit einem Lächeln rein und mit einem noch breiteren Lächeln raus“, sagt sie. Und lächelt.