Immer wieder bleiben Passanten vor der Stephansschule stehen und schauen auf ein großes Herz aus Kerzen, auf Blumensträuße und Kinder-Basteleien. Rundherum kleben Zettel auf dem Gehweg, darauf stehen ein berührendes Gedicht und die Worte: „Seinen Verlust kann man nicht begreifen oder in Worte fassen. Sowas darf nie wieder passieren.“
Ganz Konstanz nimmt Anteil am tragischen Tod des Jungen, der Mitte September in seiner ersten Schwimmunterrichtsstunde kurz vor seinem achten Geburtstag ertrank. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln die Ursache, doch das kann laut Staatsanwaltschaft noch Monate in Anspruch nehmen.

Diese Unwissenheit über die Ursache des Unglücks beunruhigt Konstanzer Eltern enorm. Dadurch entstünden viele Gerüchte über den Unfallhergang, sagen einige dem SÜDKURIER. Ob sich überhaupt eines davon als wahr herausstellt, muss die Staatsanwaltschaft nun in Kleinstarbeit prüfen. Tatsache ist aber, dass es in jeder Grundschule viele Kinder gibt, die noch nicht schwimmen können.
In der betroffenen Klasse 2a der Stephansschule sind laut Heike Spannagel, Pressesprecherin des Regierungspräsidiums (RP) Freiburg, weniger als ein Drittel der Kinder Nichtschwimmer. Das RP hat bei diesem Fall die Kommunikation übernommen, die Schulleitung äußert sich nicht mehr öffentlich.
Kinder werden weiter von Psychologinnen betreut
„Die Schulgemeinschaft befindet sich nach wie vor in Trauer. Der Stephansschule ist es jedoch ein wichtiges Anliegen, den Schulalltag für die Kinder in ruhige Bahnen zu lenken“, teilt das RP mit. Einige Schüler werden weiterhin von Fachkräften der Schulpsychologischen Beratungsstelle Singen betreut.

Wie die Fachkräfte mit den Kindern arbeiten, welche Fragen die Stephansschüler haben oder wie die Psychologinnen persönlich mit solchen Themen umgehen, bleibt offen. Es gelte die berufliche Schweigepflicht, heißt es aus dem RP.
Wie geht es mit dem Schwimmunterricht weiter?
Die wichtigste Frage für Eltern ist nun: Wird sich an der Organisation des Schwimmunterrichts künftig etwas ändern? Die Stadt Konstanz geht zum jetzigen Zeitpunkt „nicht davon aus, dass sich aus den Ermittlungen Änderungen am Betrieb und der Organisation des Schulschwimmens ergeben werden“, teilt die Pressestelle mit.

In allen Konstanzer Bädern sei immer qualifiziertes Personal vor Ort. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind, werde es aber zwischen Stadtverwaltung und Bädergesellschaft einen Austausch mit Vertretern der Schulen geben, „um die Situation zur Sicherheit am Wasser und die Rettungsabläufe zu analysieren und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.“
Eltern fordern mehr Fachkräfte im Hallenbad
Unterdessen starteten Eltern eine Petition für sicheren Schwimmunterricht. Von den benötigten 1500 Unterschriften kamen bislang 1035 (Stand Mittwochmittag, 18. Oktober) zusammen. Die Unterzeichner verlangen mehr Personal im Schwimmunterricht und in der Halle samt Umkleide, abhängig von Klassengröße und Alter der Kinder.
„Zwei Schwimmlehrer:innen sind nicht ausreichend für die Betreuung von 25 Zweitklässlern“, heißt es in der Petition. Was weiter passiert, wenn die nötigen Unterschriften zusammengekommen sind, wird auf der Website nicht ersichtlich.
Auf Nachfrage erklärt die Initiative „Sicherer Schwimmunterricht in Schulen“: „Es gibt keine einheitlichen gesetzlichen Maßnahmen, die deutschlandweit das Durchführen des schulischen Schwimmunterrichts regeln.“ Deshalb sei es das Ziel der Petition, Bürger und Behörden auf diese Problematik aufmerksam zu machen und Schulen zu ermutigen, für sicheren Schwimmunterricht zu sorgen.
Die Stephansschule habe bereits reagiert, so das RP Freiburg: „Sie stellt die Sicherheitsvorkehrungen für ihren Schwimmunterricht in Abstimmung mit der Stadt, dem Staatlichen Schulamt Konstanz und dem Regierungspräsidium Freiburg auf den Prüfstand.“
Als erste Sofortmaßnahme sei vorübergehend – zusätzlich zu zwei ausgebildeten Schwimmlehrerinnen – eine dritte Fachkraft von der Bädergesellschaft mit im Hallenbad. Laut Stadt Konstanz geht es dabei nicht um die Teilnahme am Unterricht, sondern um Präsenz in der Halle, um Sicherheit zu vermitteln.
Gymnasien sehen keinen Handlungsdruck
An den Gymnasien wird sich der Schwimmunterricht nicht verändern. So schreibt Patrick Hartleitner, Geschäftsführender Schulleiter der Konstanzer Gymnasien: „Bei den durch mich vertretenen Schulen wird kein Handlungsdruck gespürt, der eine Änderung der gewohnten Abläufe bei der Organisation des Schwimmunterrichts zur Folge hätte.“
Im Namen seiner Kollegen ergänzt er: „Alle Lehrerinnen und Lehrer an den Konstanzer Schulen sind zutiefst bestürzt angesichts des tragischen Unfalls. Unser Mitgefühl ist bei der betroffenen Familie und der Schulgemeinschaft der Stephanschule.“

Auch der Schwimmklub Sparta, der viele Anfängerkurse gibt, wird künftig nicht mehr Trainer einsetzen als bislang. „Das war zu keiner Zeit eine Überlegung für uns“, sagt Vereinsvorsitzende Ursula Klaußner. „Wir arbeiten mit einem anderen Betreuungsschlüssel, als es Schulen können.“ In den Anfängerschwimmkursen komme ein Schwimmlehrer auf fünf Kinder.
Schwimmklub wurde nochmals sensibilisiert
„Dennoch haben wir unsere Trainer nochmals für die Herausforderungen des Schwimmenlernens sensibilisiert“, so die Vorsitzende. „Die Notwendigkeit, dass ein Schwimmlehrer seine Ausbildung zum Rettungsschwimmer regelmäßig auffrischt und dass wiederkehrende Ersthelferkurse stattfinden, wurde uns einmal mehr verdeutlicht.“

Vermehrt werden seitens der Eltern auch Fragen laut, ob das vom Gemeinderat abgelehnte Programm „Schwimmenlernen“ doch nochmal auf die Tagesordnung der politischen Gremien gesetzt wird. Das Konzept sah vor, dass vier hauptamtliche Schwimmtrainer vormittags in den Konstanzer Bädern den Lehrern zur Hand gehen – insbesondere bei den jungen Nichtschwimmern.
Auf Nachfrage verweist die städtische Pressestelle auf die Ablehnung der flächendeckenden Einführung. „Es wird aber weiter an einem Konzept gearbeitet“, heißt es. Was das konkret beinhaltet, präzisiert die Stadtverwaltung nicht. „Wir werden dazu rechtzeitig in den Gremien informieren.“
Der Schwimmklub Sparta spricht von einer „deutlich abgespeckten Version des ursprünglichen Konzepts“, das derzeit im Amt für Bildung und Sport vorbereitet werde. Ursula Klaußner hält aber auch das für sinnvoll: „Selbst diese Version stellt für uns noch immer eine wesentliche Verbesserung des Unterrichtsangebots und der Sicherheit für Schulen und vor allem der Kinder dar“, sagt sie.