Die Bürgerinnen und Bürger wählen am 27. September eine Oberbürgermeisterin oder einen Oberbürgermeister. Sind Sie beim Lesen ins Stocken geraten, weil das doch etwas holprig klingt? Wie wäre es dann damit: Die Bürger*innen wählen ein*e(n) Oberbürgermeister*in? Wesentlich kürzer, aber stilistisch noch ungewohnter und auch nicht besonders beliebt bei einer Mehrheit der Bevölkerung.

Umfrage: Mehrheit ist gegen das Gendern

Zumindest, wenn man einer Umfrage von Infratest dimap folgt, die Mitte Mai von der „Welt am Sonntag“ in Auftrag gegeben wurde. So lehnten rund 56 Prozent das sogenannte Gendern – wozu auch das obige Sternchen zählt – ganz oder eher ab.

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Für ein Binnen-I, ein Sternchen oder einen Unterstrich in literarischen oder journalistischen Texten war etwa ein Drittel der Befragten. Und: Auch bei den Frauen überwog die Ablehnung (52 Prozent).

Anne Will und Claus Kleber machten es vor

Vollends in der Mitte der Gesellschaft angekommen war das Thema, als Talkshow-Moderatorin Anne Will und kurz darauf auch Nachrichtensprecher Claus Kleber plötzlich von „Politiker – kleine Pause – innen“ sprachen. Als also nicht mehr nur mit Sternchen oder Binnen-I geschrieben, sondern auch gesprochen wurde.

Claus Kleber moderiert das „heute-journal“ im ZDF.
Claus Kleber moderiert das „heute-journal“ im ZDF. | Bild: Thomas Frey

Wer sein Gegenüber wie anschreibt oder -spricht, sagt viel über die jeweilige Einstellung in gesellschaftlichen Fragen aus. Wie will daher der künftige Konstanzer Oberbürgermeister – aktuell kann man angesichts fehlender Bewerberinnen auch ohne sprachliche Diskussion getrost von einem Mann reden – mit den Menschen in der Stadt sprechen?

Keiner der fünf Kandidaten erteilt geschlechtergerechter Sprache grundsätzlich eine Abfuhr. Jeder von ihnen findet, dass sie sich stets weiterentwickelt und man dies auch berücksichtigen sollte. Gleichwohl unterscheidet sich, wie die Bewerber selbst damit umgehen. Allen voran bei den beiden mutmaßlichen Favoriten: Amtsinhaber Uli Burchardt und Luigi Pantisano, der von einem links-grünen Lager unterstützt wird.

Luigi Pantisano: „Versuche, Gendersternchen mitzusprechen“

Pantisano sagt, er verwende in allen Veröffentlichungen rund um die Kandidatur das Gendersternchen, unabhängig ob Druckmaterial, Webseite oder soziale Medien.

Mit dem Gendern per Unterstrich angefangen hat er „schon vor über zehn Jahren als Studierender an der Universität“, ergänzt er. In Reden wähle er für die Anrede meist noch beide Geschlechter, spricht also von Bürgerinnen und Bürgern.

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„Ich arbeite aber daran, das Gendersternchen mit einer kurzen Pause auszusprechen“, sagt Luigi Pantisano, „es ist eine Frage der Übung.“ Die Diskussion darüber hält er für „sehr wichtig, denn Sprache prägt unser Denken und Handeln“ und drücke die Entwicklung einer vielfältigen Gesellschaft aus.

Uli Burchardt: „Lehne Gendersternchen ab“ – nicht aus politischen Gründen

Uli Burchardt lehnt das Gendersternchen dagegen ab, erklärt er. Schriftlich benutzt er hin und wieder das Binnen-I, etwa bei BürgerInnen.

Angesprochen werden diese aber „gewöhnlich und am liebsten mit Bürgerinnen und Bürgern“, sagt der 49-Jährige. Gegen das Sternchen im Wort sei er nicht aus politischen Gründen. „Es ist kein Buchstabe und ich finde, Texte müssen zuallererst einmal lesbar und gut verständlich sein“, so der 49-Jährige.

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Der aktuelle OB „akzeptiert und begrüßt“ ebenfalls, „dass Sprache sich ständig und mit der Zeit weiterentwickelt und diese Gleichberechtigung abbildet“. Es sei nicht mehr angemessen, ausschließlich die männliche Form zu verwenden. „Ich möchte aber auch nicht von jemandem vorgeschrieben bekommen, wie ich aus politischen Gründen zu sprechen oder zu schreiben habe“, sagt Burchardt.

Eine Idee, die er von einer Studentin übernommen habe: die Geschlechter einfach wechselnd verwenden. „Das finde ich einen guten Ansatz, dafür ist die Zeit aber im Moment noch nicht reif.“

Andreas Hennemann: Studierende statt Studentinnen und Studenten

Andreas Hennemann, Kandidat der SPD, plant nicht von der bisher von ihm gewählten Form Bürgerinnen und Bürger abzuweichen.

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„Tatsächlich versuche ich aber, wenn dies möglich ist, eine neutrale Form zu wählen, die alle Geschlechter (feminin, maskulin und divers) umfasst und allen gerecht wird“, teilt der 40-Jährige mit. So sind es bei ihm Studierende statt Studentinnen und Studenten.

Jury Martin: „Gesellschaft entscheidet, was sich durchsetzt“

„Wer darüber redet und diskutiert, macht sich darüber Gedanken, dass es nicht nur Frauen und Männer gibt“, sagt Jury Martin, der die Diskussion um Geschlechter in der Sprache wichtig findet. Sie könnte der Anfang einer Veränderung sein.

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„Ob sich das gesellschaftlich letztendlich durchsetzt, entscheidet die Gesellschaft selbst, also wir alle“, sagt Martin. In persönlichen Schreiben verwende er manchmal das Binnen-I.

Andreas Matt: „Nutze schriftlich das Gendersternchen“

Ein weiterer Befürworter des Gendersternchens – zumindest schriftlich – ist Andreas Matt. Ansonsten wähle er beide Geschlechter. „Das ist nicht davon abhängig, auf welchen Medien ich kommuniziere. Ich gehe da eher nach meinem Gefühl und was ich dem Moment schreiben möchte“, sagt Matt und ergänzt: „Ich stehe der geschlechtergerechten Sprache positiv und aufgeschlossen gegenüber.“ Im persönlichen Gespräch nutzt er meist die weibliche und männliche Form.

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Sprachliche Ausflüchte wie „Schulschaft“ sind seine Sache nicht – und wohl auch nicht die der meisten Konstanzerinnen und Konstanzer. Ganz gleich, ob sie nun für eine Veränderung der Sprache sind.