Der Titel steht schon: „Zirkus Charles Knie“ verrät der weiße Schriftzug in luftiger Höhe. Auf dem Boden herrscht dagegen noch Hochbetrieb. In der Manege schrauben Bauarbeiter an den Tribünen, ein paar Schritte weiter zieht ein Bagger das Vorzelt in den Himmel – und dazwischen tummeln sich einige Artisten in ihren Kostümen.
Vor wenigen Stunden sind sie erst angekommen und schon verwandelt sich Klein-Venedig in eine kleine Zirkusstadt. „Eigentlich bin ich die ganze Zeit nervös“, sagt Ionut Calin lachend. Der Zeltmeister trägt die Verantwortung, dass bis zur Premiere alles steht. 13 Meter hoch soll das Zelt werden und Platz für 1440 Zuschauer bieten.
Rund 20 Arbeiter sind im Einsatz, rammen Verankerungen in den Boden, tragen Kisten über den Platz. Vor einem Tag stand das Zelt noch in Kempten, jetzt geht die Arbeit schon an anderer Stelle weiter – doch Calin findet: „Das ist wie eine ganz normale Arbeit – nur ein eben ein bisschen verrückter.“

Im Zelt wird eine Wasserbühne errichtet
Gerade wartet er noch auf zwei Sattelschlepper mit wichtigen Materialien; insgesamt transportieren 22 Zugmaschinen das Zelt durch ganz Deutschland. In der Manege entsteht währenddessen das Zentrum der Zirkusshow: eine Wasserbühne mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Litern. In den nächsten Stunden werden hier auf 12 Metern Durchmesser 300 Pumpen verbaut.
„Wir wollen das Publikum auf eine Reise durch die Wasserwelten mitnehmen“, sagt Holger Fischer, der Pressesprecher des Zirkus. Über der Wasserbühne werde auf Seilen getanzt, ein „Ballett am Strand“ wartet, ein Jongleur zeigt seine Künste – aber alles in Verbindung mit dem Element Wasser. Die Show verspreche durch ihre visuellen Effekte ein „völlig neues Zirkuserlebnis“.
Mit ihrer Tour sind sie seit März in ganz Deutschland unterwegs. Die Planungen haben aber schon ein Jahr im Voraus begonnen, Regisseure und Choreografen wurden extra dafür beauftragt. Dem Zirkus sei es wichtig, eine Geschichte zu erzählen, die einzelnen Nummern zu verbinden: „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Akteuren, die zu unserer Show passen und für weitere kreative Elemente sorgen.“
Einer davon ist Lorenzo Bernardi: Am Anfang seines Auftritts zwängt sich der Italiener in eine kleine gläserne Kiste: 50 auf 70 Zentimeter, kaum größer als ein Koffer. Für den SÜDKURIER klettert „Schlangenmann“ Lorenzo Bernardi zum ersten Mal in sein enges „Wohnzimmer“.

Der Italiener kam mit zehn Jahren in eine Zirkusschule, seitdem ist er von dieser Welt fasziniert: „Ich liebe es, die Verbindung mit dem Publikum zu spüren.“ Was die Konstanzer von seinem Auftritt erwarten dürfen? Zu viel möchte er noch nicht verraten, sagt Bernardi, doch man dürfe sich auf „Emotione, Passione e Talento“ (Emotionen, Leidenschaft und Talent) freuen.
Klein-Venedig begeistert die Zirkus-Crew
Holger Fischer ist von dem Areal auf Klein-Venedig begeistert: „So eine schöne Fläche haben wir selten.“ Das Gelände zwischen Bodensee und Sealife passe auch besonders gut zur Wassershow. In seiner ersten Saison im Zirkusgeschäft gastierte er schon einmal in Konstanz, dann war er 25 Jahre lang nicht mehr da. Er freut sich auf die Vorführungen – man würde spüren, dass schon länger kein Zirkus in der Stadt gastiert habe: „Ich glaube, dass Konstanz Lust auf Zirkus hat.“

Auf dem Vorplatz geht es international zu: Hier wird auf Italienisch gescherzt, dort hört man einen spanischen Wortfetzen. Augustín Obreque kommt aus Südamerika, mit Argendance ist er seit diesem Jahr Teil des Programms: Mit Trommeln, Tanz und artistischen Elementen zeigen sie eine argentinische Cross-Performance. „Wir freuen uns, wenn wir ein Stück unserer Kultur nach Europa bringen können“, erzählt er.
Zur Musik ist er früh gekommen, von Kindesbeinen an tanze er und mache Musik – jetzt ist das sein Beruf: „Es fühlt sich hier wirklich nicht nach Arbeit an, das ist unsere große Leidenschaft.“ Im März war er das letzte Mal in Buenos Aires, seitdem ziehen sie mit dem Zirkus durch ganz Deutschland. Zeit für einen Heimatbesuch bleibt da nicht: „Ein bisschen vermisse ich mein Zuhause schon – aber es ist auch spannend, jede Woche in eine neue Stadt zu kommen.“

Akrobatik und Tanz stehen im Mittelpunkt
Charles Knie war lange ein Wildtierzirkus: Löwen und Elefanten standen statt Akrobaten und Tänzern im Mittelpunkt der Shows. Während der Pandemie sei es aber zu einem Wandel gekommen, der Zirkus entschied sich für ein Programm mit Fokus auf Artistik. „Wir haben gespürt, dass der Geschmack des Publikums sich verändert hat“, erzählt Holger Fischer. Der Zirkus würde zwar generell Wildtiere im Zirkusgeschäft befürworten – dennoch habe man diese Entscheidung für den eigenen Betrieb getroffen.
Ganz verzichten muss das Publikum nicht auf tierische Stars: Zwölf Hunde und acht Papageien reisen noch mit. Doch der Umstieg biete auch seine Chancen: „Beim Tierzirkus sind der Technik gewisse Grenzen gesetzt – da hatten wir ganz neue Möglichkeiten.“ Die Idee der Wassershow war geboren: 2022 ging der Zirkus zum ersten Mal mit dem neuen Konzept auf Tour: „Und das Publikum war begeistert.“
Kurz nach 15 Uhr setzt Nieselregen ein, da – und nach kleiner Verspätung – wird das Mittagessen an die Zirkusbaustelle geliefert. Die Mitarbeiter gönnen sich eine kleine Verschnaufpause unter dem Zelt, es wird gescherzt. Dann geht das Klopfen und Hämmern weiter, denn viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr.