Große Aufregung gab es um den Beschluss, den der Konstanzer Gemeinderat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause fällte. Denn der Vorschlag, sich auf eine verbindliche Klimaneutralität 2030 beziehungsweise -positivität für die Stadt festzulegen, fand keine Mehrheit. Stattdessen, heißt es nun, man habe sich auf spätestens 2035 festgelegt.
Das stimmt aber so nicht.
Doch zunächst, wer sagt, man habe sich auf 2035 festgelegt? Die Stadt zum Beispiel. Auf der städtischen Homepage steht: „Konstanz wird spätestens 2035 klimaneutral“. Und der Oberbürgermeister Uli Burchardt postete auf Twitter ein Video mit dem Titel „Konstanz klimaneutral bis 2035“ und sagt darin, dass viele Bürger von ihm hätten wissen wollen, was denn eigentlich beschlossen worden sei.
Und: „Wir sind uns einig, dass Konstanz bis 2035 klimaneutral wird.“
Tatsache ist jedoch, dass der Gemeinderat einen weitaus weniger konkreten Beschluss gefasst hat: Nämlich, dass Konstanz „schnellstmöglich“ klimaneutral werden soll. Außerdem, dass Experten drei Optionen berechnen sollen: Was die Stadt tun müsste, um bis 2030 klimaneutral zu werden. Was sie tun müsste, um bis 2035 klimaneutral zu werden. Und, wann Klimaneutralität im Idealfall unter den herrschenden Bundes- und EU-Gesetzen möglich wäre.
Erst danach, so heißt es im Antrag, soll auf Basis der Berechnungen das Zieljahr festgelegt werden.
Lügt die Stadt, lügt der Oberbürgermeister? Der OB sagt an keiner Stelle in seinem Video konkret: „Der Gemeinderat hat beschlossen, dass Konstanz im Jahr 2035 klimaneutral wird.“ Die Stadt hat auf aber Twitter gepostet: „Ratsbeschluss: Konstanz wird schnellstmöglich, spätestens 2035 klimaneutral.“
Die Kommentare auf Facebook, Twitter und Instagram belegen: Die Nutzer nehmen an, dass 2035 gesetzt sei. Bis auf Fridays for Future.
Auch kurze Umfragen des SÜDKURIER haben ergeben, dass viele Konstanzer offenbar von 2035 ausgehen. Nun stellt sich die Frage: Warum klärt das Missverständnis keiner auf? Immerhin handelt es sich bei der Klimakrise mitnichten um eine Kleinigkeit.
Ist es Wahlkampf, ist es Unwissen?
Tatsächlich gaben im Hintergrundgespräch mit dem SÜDKURIER einzelne Stadträte an, sie dachten, sie hätten 2035 beschlossen.
Die Situation war unübersichtlich: Der Beschluss fiel, nachdem man bereits über neun Stunden getagt hatte. Nach einem Hin und Her an Wortmeldungen und Ergänzungsanträgen stimmten von 41 Gemeinderatsmitgliedern 32 mit „Ja“. Das Junge Forum, die Linke Liste und einzelne Mitglieder der Freien Grünen Liste enthielten sich. In der Diskussion wurde klar, dass der Wunsch nach Klimaneutralität 2035 oder früher Stadträte und den OB eint. Nur: Ein Wunsch und ein Beschluss sind zwei unterschiedliche Dinge.