Fast 6900 Kilogramm Trüschen wurden 2014 im Bodensee gefangen. Zehn Jahre später waren es 6000 Kilo weniger. Der Bodensee hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so stark erwärmt, dass sich die Eier des Fisches nicht mehr richtig entwickeln können. Der Klimawandel ist real. Und er trifft uns nicht in 50 oder 100 Jahren, sondern jetzt.

Das hat mittlerweile auch ein Großteil der Weltbevölkerung erkannt. Das ergab unter anderem die YouGov-Umfrage von 2019. Die Frage ist jetzt also, wie wir den Klimawandel stoppen können. Denn bisher steigt der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen immer weiter an – obwohl wir wissen, was wir damit auslösen.

Als erste deutsche Stadt, die den Klimanotstand ausgerufen hat, ist Konstanz, die in zehn Jahren treibhausgasneutral sein will, der perfekte Ort, um diese Frage zu beantworten. Deswegen gibt es den SÜDKURIER Schwerpunkt „Klimaschutz – So wird‘s was“. In über drei Monaten Recherche sind 13 Texte entstanden, die zeigen, wie schwierig das Konstanzer Klimaziel zu erreichen ist, aber auch, dass es wegweisende Projekte gibt, die vormachen, wie es erreicht werden kann.

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Ideologie bringt den Klimaschutz nicht weiter

Klimaschutz wird oft durch eine ideologische Brille betrachtet. Entweder sehen die Menschen den Klimaschutz als eine notwendige Maßnahme zur Bewältigung des Klimawandels und empfinden eine ethische und moralische Verpflichtung, zukünftige Generationen zu schützen. Oder sie befürchten, dass Klimaschutz ihren Wohlstand gefährdet und man auf Dinge verzichten muss.

Die Debatte über Klimaschutz auf einer ideologischen Ebene zu führen, bringt uns aber nicht weiter. Es gibt einfach zu viele gegensätzliche Meinungen und Interessen. Egal, ob die Konstanzer Stadtverwaltung die beste Klimaschutzstrategie und den besten Mobilitätsplan der Welt hat – solange die einzelnen Maßnahmen, die darin stehen, im Gemeinderat nicht beschlossen werden, wird kein CO2 gespart.

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Und selbst wenn jede Maßnahme abgesegnet würde, dann stehen immer noch Bundesgesetze über der Kommune. Wenn Menschen ihre Heizung nicht tauschen wollen, dann müssen sie das auch weitere 20 Jahre nicht tun. Schlechte Voraussetzungen für eine Konstanzer Treibhausgasneutralität bis 2035. Ach ja, und dann muss das Ganze auch noch bezahlt werden. Von einer Stadt, die rund 100 Millionen Euro Schulden hat.

Die „schwäbische Hausfrau“ hat ausgedient

Es ist klar, dass Klimaschutz Geld kostet. Geld, das Kommunen, Stadtwerke sowie Bürgerinnen und Bürger, die einen großen Teil der Klimaschutzmaßnahmen umsetzen müssen, häufig nicht haben. Zu oft wird hier aber das Argument der schwäbischen Hausfrau angeführt, die nur so viel Geld ausgeben kann, wie sie auch hat.

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Das ist Quatsch. Die „schwäbische Hausfrau“ ist ja auch nicht mit einem Koffer voller Geld zum Bauunternehmen, um ihr Haus zu bezahlen. Die „schwäbische Hausfrau“ hat einen Kredit bei der Bank aufgenommen. Das haben sogar Friedrich Merz und die CDU eingesehen und im März beschlossen, ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von 500 Milliarden Euro aufzunehmen. Das reicht zwar noch nicht, ist aber ein Anfang.

Und es ergibt Sinn. Der Experte für Klimaschutzfinanzierung Bjarne Steffen hat es im zwölften Teil dieser Serie ja schon gesagt: „Wir brauchen sowieso Stromnetze, Wärmeversorgung und Verkehrsinfrastruktur. Außerdem sind die Klimaschäden einfach wesentlich höher als die Vermeidungs-Investitionen, sollte der Klimawandel ungehindert weitergehen.“

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Investitionen in Klimaschutz lohnen sich

„Gewinnt der Klimaschutz, wenn es hart auf hart kommt, oder ist es dann eine wirtschaftliche Entscheidung?“ Diese Frage stellte ifeu-Forscher Benjamin Gugel in Teil drei von „Klimaschutz – So wird‘s was“. Seine Antwort: „Da werden Kommunen in den aktuellen prekären finanziellen Verhältnissen den Klimaschutz leider nicht immer voranstellen.“

Dabei müssen sich Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit nicht zwangsläufig ausschließen. Eine Entscheidung für den Klimaschutz kann auch eine wirtschaftliche Entscheidung sein. Im fünften Teil haben wir gesehen, dass sich Wärmepumpen finanziell rechnen. Und auch wer sich an ein Wärmenetz anschließen lässt, spart bares Geld gegenüber Gas- und Ölheizungen.

Mit der PV-Anlage auf dem Dach betreibt Christoph Lukas aus Teil sechs unseres Schwerpunkts nicht nur eine Wärmepumpe, sondern lädt ...
Mit der PV-Anlage auf dem Dach betreibt Christoph Lukas aus Teil sechs unseres Schwerpunkts nicht nur eine Wärmepumpe, sondern lädt damit auch sein Elektroauto. So kosten in 100 Kilometer Fahrt ungefähr 1,50 Euro. | Bild: Denis Pscheidl

Im Gabler Wirtschaftslexikon steht zum Thema Investitionen: „Aus ökonomischer Perspektive sollten nur Investitionen realisiert werden, die einen positiven Beitrag zur Erfüllung der monetären Unternehmensziele leisten.“ Die Stadtwerke Konstanz, ganz abgesehen von ihrem Investor Iqony, werden mit Sicherheit kein defizitäres Wärmenetz bauen. Das machen sie nur, wenn sie damit Geld verdienen können.

Klimaschutz sollte wirtschaftlich betrachtet werden

Spätestens, wenn 2027 der europäische Emissionshandel auf Bereiche wie Gebäude und Verkehr ausgeweitet wird, wodurch eine CO2-Bepreisung für fossile Brennstoffe wie Öl und Gas sowie für Kraftstoffe wie Benzin und Diesel eingeführt wird, wird der wirtschaftliche Vorteil von erneuerbaren Energien noch größer.

Wer heute nicht in den Klimaschutz investiert, der wird in Zukunft den Preis dafür zahlen. Und das ist keine Metapher für Klimawandelfolgen, sondern ganz einfach das, was der Ausstoß von Treibhausgasen kostet. Also lassen Sie uns doch aufhören, Klimaschutz als eine ideologische Frage zu betrachten und anfangen, es als eine wirtschaftliche Notwendigkeit zu sehen.