Der Neubau von Wohnungen ist in der Kernstadt von Konstanz künftig ohne den Nachweis beziehungsweise den Bau von Parkplätzen möglich. Ausgenommen sind die Ortsteile, womit der Gemeinderat der Empfehlung der Ortschaftsräte folgte.
Stephan Fischer, bei der Stadtverwaltung zuständig für die Umsetzung der Mobilitätswende in Konstanz, verdeutlichte bei der abschließenden Debatte das strategische Ziel der Entscheidung. Demnach geht es um Anreize zur Abschaffung des Autos, um so den Erfordernissen des Klimanotstands gerecht zu werden.

Wie Stephan Fischer ausführte, nimmt die Stadt Konstanz mit der Aufhebung der Pflicht zur Bereitstellung von Parkplätzen beim Neubau von Wohnungen keine Vorreiterrolle ein. Andere Städte wie Kassel oder München haben demnach ähnliche Satzungen auf den Weg gebracht.
Den Einwand, dass die Stadt vor der angestrebten Reduzierung von Parkplätzen die Strukturen für alternative Mobilitätsformen schaffen sollte, entgegnete Stephan Fischer mit dem Hinweis, dass die Veränderung der Bauvorschrift frühestens im Laufe des Jahres 2022 wirksam werde.
Es handle sich derzeit nur um einen Entwurf, der mit der jetzt beschlossenen Offenlage das übliche Verfahren mit der Beteiligung von Behörden sowie etwaigen Einwänden von Bürgern oder den Trägern öffentlicher Belange zu durchlaufen habe.
16 Stadträten fühlen sich bei der Vorgehensweise dennoch nicht ganz wohl. Sie folgten dem Antrag von Daniel Hölzle von der Freien Wählern (FW), die sich für die Verschiebung der Parkplatzsatzung um drei Jahre aussprachen.
Der FW-Stadtrat warnte vor Traumschlössern und bezweifelte beispielsweise die prognostizierte Reduzierung des Parkplatzbedarfes infolge eines Carsharing-Angebots. Nach Angaben der Stadtverwaltung kann ein Carsharing-Fahrzeug acht bis 20 Privatautos ersetzen, was Daniel Hölzle für nicht realistisch hält.
Parkplatz-Suchverkehr als Klimaschädling
Heinrich Fuchs (CDU) teilt die Einschätzung des FW-Kollegen, wollte das aber nicht als grundsätzlichen Einwand verstanden wissen. Ihm ging es um die Reihenfolge, bei der alternative Mobilitätsangebote vor der Reduzierung von Parkraum rangieren.
Die entgegen gesetzte Vorgehensweise sorge lediglich zu Frust und führe zu innerstädtischen Belastungen durch Autofahrer auf der Suche nach einem Parkplatz. „Und das ist dann auch nicht gut fürs Klima“, sagte der CDU-Stadtrat.

Eine Mehrheit von 22 Stadträten und Oberbürgermeister Uli Burchardt dagegen halten nichts von einem Moratorium. „Wenn wir etwas gestalten wollen, dann müssen wir in die Pötte kommen“, meinte Gisela Kusche als eine der beiden Sprecher der Fraktion der Freien Grünen Wähler (FGL).
Sie ging zugleich auf die Vorberatung im zuständigen Ausschuss ein, die zur Modifizierung des ursprünglichen Entwurfs und der Beibehaltung der Parkplatz-Verpflichtung bei Neubauten in den Ortsteilen führte. Das habe die FGL akzeptiert, so Gisela Kusche, ein Moratorium für die Kernstadt aber würde dazu führen, „dass wir den gesamten Klimaschutz an den Nagel hängen können“.
Für die FGL-Stadträtin und die Mehrheit des Gemeinderats hätte ein Moratoriums außerdem zu einer Konterkarierung des Entwurfs geführt. Dieser sieht parallel zur Reduzierung von Parkplätzen als Ersatz die Bereitstellung von zeitgemäßen Abstellflächen für Fahrräder vor. Da dafür ebenfalls Platz geschaffen werden muss, käme das bei Beibehaltung der Stellflächen für Autos einer zusätzlichen Versiegelung gleich.
Warum mit größerer Vielfalt bei der Mobilität der Bedarf an Parkplätzen bleibt
Ist-Zustand: Wer baut, muss hierzulande in aller Regel Stellflächen für Autos zur Verfügung stellen. Dieses Prinzip wurde allerdings bereits durchbrochen. Wegen des Mangels an Wohnraum ermöglichen viele Kommunen inzwischen den Ausbau zum Beispiel von Dachgeschossen, ohne dass die Bauherren zwangsläufig Parkplätze zur Verfügung stellen müssen – was nichts am Bedarf an Parkplätzen ändert. Dass die Suche nach einem Parkplatz immer mehr zu einer Geduldsprobe führt, liegt auch daran, dass sich die Anzahl der Autos pro Wohneinheit erhöht hat. Zu den Folgen zählt neben der Belastung von Umwelt und Klima durch den Parkplatzsuchverkehr unter anderem die wilde Parkerei sowie die Nutzung des öffentlichen Raums als Abstellfläche. Die verstärkte Nutzung alternativer Mobilitätsformen ändert übrigens nicht unbedingt etwas an der Parkplatz-Misere. Das „Fahrzeug“ wird zunehmend zum „Stehzeug“, das nur nach Bedarf genutzt wird.
Die Mobilitätswende: Kern ist die verstärkte Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, des Fahrrads sowie die Verlagerung des automobilen Individualverkehrs auf der Grundlage des Carsharings (und natürlich kann man bei der Mobilität von morgen auch gerne vermehrt zu Fuß unterwegs sein). Zu diesem Zweck sollen beispielsweise im Konstanzer Wohnquartier Paradies Abstellflächen für Fahrräder geschaffen werden, die nach Möglichkeit den heutigen Komfortanforderungen – wie etwa durch Überdachungen – gerecht werden. Die Voraussetzungen für die Akzeptanz der Mobilitätswende sind in Konstanz gut: Nur 31 Prozent nutzen nach Angaben der Stadtverwaltung das Auto als bevorzugtes Verkehrsmittel, die Mehrheit ist lieber mit Bus, Rad oder zu Fuß unterwegs. Das Problem der „Stehzeuge“, über die viele Menschen trotz der Nutzung alternativer Mobilitätsangebote verfügen, will man in Konstanz über den Bau von Quartiersgaragen in den Griff bekommen.