Konstanz steuert auf eine Rekordverschuldung zu. Bis Ende des Jahres könnte die Stadt mit deutlich über 40 Millionen Euro in der Kreide stehen, Ende 2023 sogar im Bereich von bis zu 60 Millionen Euro. Noch vor vier Jahren summierten sich die offenen Kredite auf gerade einmal 17,5 Millionen Euro.
Ulrich Schwarz, als Stadtkämmerer der Finanzchef im Rathaus, warnt bereits davor, dass das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde die Entwicklung nicht mehr lange dulden werde. Gescheitert ist damit auch das Ziel, keine Lasten auf kommende Generationen zu übertragen.

Mit Stand Ende Augst steht die Stadt mit 3,64 Millionen Euro in der Kreide, wie die Kämmerei in einer Übersicht an den Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss darlegt. Weitere Darlehensaufnahmen sind demnach bis Jahresende geplant.
Und: Fast 30 Millionen Euro an Krediten hat die Stadt zusätzlich für das Projekt Hafner aufgenommen, wo sie allerdings fest damit rechnet, dass die Einnahmen aus Grundstückverkäufen das Geld wieder einspielt.
Die Schulden steigen rasant – und der Zinssatz leider auch
Die finanzielle Schieflage kommt nicht überraschend: Kämmerer Ulrich Schwarz sagte vor Stadträten, dass der hohe Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst – im Schnitt etwa elf Prozent – die Stadt hohe Summen kostet. Zudem steigen in vielen Fällen die Baukosten.
Auch die Zinslast beginnt zu drücken: Fast eine Million Euro musste die Stadt bis August dafür aufbringen, fast doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2021. Damals bekam die Stadt nach eigenen Angaben Investitionskredite zu 0,0 Prozent Zinsen, heute muss sie 3,3 bis 3,9 Prozent kalkulieren, Tendenz steigend.
Schwarz hofft, wie er im Ausschuss jüngst sagte, im Jahr 2023 nicht mehr als 15 Millionen Euro neue Schulden machen zu müssen. Ein Szenario geht aber auch von 20 Millionen Netto-Neuverschuldung aus. Für 2024 mahnt er, alle neuen Aufgaben und Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen – denn zum Gesamtbild gehört auch, dass die Stadt fast 50 Millionen Euro, die eigentlich für Projekte eingeplant sind, noch nicht verwenden konnte, weil Vorhaben nicht wie geplant vorkommen.
Vor der Wahl 2024 ist in der Politik die Bereitschaft zum Sparen begrenzt
In der Politik fallen die Reaktionen auf die neuen Zahlen teils gereizt aus: So ist CDU-Fraktionschef Roger Tscheulin sauer, dass Bürger und Unternehmen immer weiter belastet werden, die Verwaltung aber wenig konstruktive Sparvorschläge mache. Diese Aufgabe an den Gemeinderat weiterzuschieben, findet er unfair: Es sei vom Rat nicht zu verlangen, dass er „schon gar nicht neun Monate vor einer Wahl hingeht und das große Streichkonzert auspackt.“

Jürgen Faden von den Freien Wählern befürchtet, dass auch die Gewerbesteuer bei einer Rezession einbrechen könnte. Daher fordert er, dass „wir mal ehrlich sind zu uns allen und sagen: Nein, das können wir uns nicht leisten“. Es sei irritierend, dass der Kulturdezernent Andreas Osner sich öffentlich gegen die 20-Prozent-Sparvorgabe stellt.

SPD-Stadtrat Jan Welsch sagt mit Blick auf die Kultur, die Kürzungsdebatte dort sei eine „billige Strategie, weil jeder weiß, dass es so nicht kommen wird.“ Welsch sieht das Problem in Teilen auch beim Rat. Für die „ernsthafte finanzielle Krise in unserer Stadt“ liege das Hauptproblem aber woanders: „Ich kann keine klare Strategie der Verwaltungsspitze und insbesondere der Kämmerei erkennen“, so Welsch wörtlich.

Auf der anderen Seite erinnern manche Stadträte auch daran, dass die finanzielle Lage der Stadt immer wieder als verheerend dargestellt worden sei und es am Ende dann immer gut ausgegangen sei. So teilen nicht alle in gleichem Maß die Einschätzung des Kämmerers, „dass wir vor sehr schwierigen Haushaltberatungen stehen werden“.
Zu ihnen gehört auch Till Seiler von den Grünen, der die Lage zwar „brisant“ nennt, den hohen Tarifabschluss aber eher gut findet, weil das die Arbeitsplätze bei der Stadt attraktiv mache.

Matthias Schäfer vom Jungen Forum kann sich an ähnliche Debatten in früheren Jahren erinnern und spricht von Schwarzmalerei. Zugleich verteidigte er das umstrittene Projekt Smart Green City, denn viele dieser Initiativen hätte die Stadt nach seinen Worten auch ohne die Bundesförderung ergriffen.
Jürgen Faden ist dagegen angesichts der städtischen sieben Smart-City-Millionen ganz anderer Meinung: „Normalerweise müssten wir sagen, wir stampfen das Projekt ein.“
Gemeinderat nimmt sich Zeit für das Thema – hinter verschlossenen Türen
Ob und wo der Gemeinderat und die Stadtverwaltung zum Sparen bereit sind, wird sich diesen Herbst bei mehreren Anlässen zeigen. Die eigentlichen Beratungen für das aktualisierte Budget 2024 – den sogenannten Nachtragshaushalt – stehen im November an. Das Schuldenbarometer der Stadt könnte bis dahin weiter ansteigen.
Rein rechnerisch könnte es laut Kämmerei sogar auf 63,6 Millionen Euro steigen, aber dafür müssten auch alle Investitionen so laufen wie geplant, einschließlich dessen, was 2022 schon nicht fertig wurde. Deutliche Worte sind am 7. Oktober zu erwarten. Der Gemeinderat berät an diesem Tag auch über Geld. In einer Klausur, nicht-öffentlich.