Autofreie Innenstadt – der Begriff wabert seit einigen Jahren durch Konstanz. Für die Einen ist er wohlklingend: Sie denken an saubere Luft, an glückliche Konstanzer Fußgänger und Radfahrer.
Für die Anderen ist er ein Schreckgespenst, das Bilder einer verwaisten Konstanzer Innenstadt und von „Wir schließen“-Schildern in den Schaufenstern der hiesigen Geschäfte weckt.
Ein Problem dabei war seit Beginn der Debatte im Gemeinderat die Unschärfe des Begriffs. Was meinen die Stadträte denn, wenn sie von autofreier Innenstadt sprechen? Meint autofrei kein einziges Auto mehr zwischen Paradies und Altstadt – oder einfach nur weniger Verkehr? Und welcher Bereich ist überhaupt als Innenstadt definiert?
Endlich etwas Klarheit!
Etwas Klarheit brachte jetzt die Marathonsitzung des Technischen und Umweltausschusses zum Thema Mobilitätswende. Dort sollten die Stadträte die „Mobilitätsstrategie autofreie Innenstadt“ beschließen.

- Das sagt die Verwaltung: Ziel der städtischen Planer ist es, das Auto zwischen Laube und See zu verdrängen. Autofahren soll immer unattraktiver werden, etwa durch hohe Parkgebühren und wenig Parkraum. Und Alternativen zum Auto in der Innenstadt sollen immer attraktiver werden beispielsweise durch besseren ÖPNV oder Fahrradstraßen sowie günstigere Parkplätze außerhalb, etwa am Döbele. Verboten jedoch soll das Auto nicht werden.
- Das sagen Freie Grüne Liste, Linke Liste und Junges Forum: Die FGL-Mitglieder wollen die gesamte Innenstadt innerhalb des Altstadtrings, also zwischen Rheinsteig, Laube und Bodanstraße und zusätzlich Stadelhofen zur Fußgängerzone wandeln. Peter Müller-Neff sagt: „Wir wollen den Weg autofreie Innenstadt gehen. Durchgangsverkehr und Parksuchverkehr soll komplett raus aus der Innenstadt.“
- Dass Anlieferungsverkehr und die Zufahrt für Handwerkerdienste gewährleistet bleibe, sei dabei klar. Das Konzept der Verwaltung nennt er deshalb „eine Mogelpackung.“ Denn: „Es reicht nicht, wenn die Verwaltung einen verkehrsberuhigten Bereich einrichten will, aber von autofrei spricht.“
„Das ist eine Mogelpackung“
- Den Begriff Mogelpackung wählte auch Holger Reile von der Linken Liste. „Das Auto ist die Heilige Kuh, an der nicht gekratzt wird“, sagte er. Das belege unter anderem, dass die Zufahrt zum Lago-Parkhaus gewährleistet bleiben soll – und, dass am Döbele Parkraum für Besucher geplant werde, was doch wieder nur Anreize fürs Autofahren schaffe. Verena Faustein vom Jungen Forum schloss sich an: „Wir wollen keine verkehrsarme Innenstadt, wir wollen eine autofreie.“
- Das sagen CDU, SPD, FDP und Freie Wähler: Daniel Groß von der CDU betonte, dass man an die Anwohnerparkplätze denken müsse. „Da müssen wir Ausgleich schaffen, das geht aber erst, wenn wir am Brückenkopf Nord und Döbele den Parkraum haben. Ersatzlos streichen geht nicht.“ Das würde den Parkdruck in Petershausen erhöhen.
„Petershausener keine Bürger zweiter Klasse“
- „Ich will nicht, dass die Petershausener Bürger zweiter Klasse werden, nur, damit wir linksrheinisch auf Teufel komm raus eine autofreie Innenstadt haben.“ Daniel Hölzle von den Freien Wählern plädierte dafür, jeden Bereich in der Innenstadt für sich zu betrachten, statt ein Konzept über alle zu legen – und für klare Begrifflichkeiten.
- Letzterem stimmte Jürgen Ruff von der SPD zu: „Nicht autofrei sagen und verkehrsarm meinen. Verkehrsarm ist gut und das ist die Lebensqualität, die wir hier haben wollen.“
„Wir diskutieren zu viel und handeln zu wenig“
- Johann Hartwich von der FDP: „Wenn wir wollen, dass die Autos nicht mehr im öffentlichen Raum stehen, sondern in Parkhäusern, müssen wir Handeln. Wir sprechen seit Jahren vom Parkhaus am Döbele – ist das überhaupt schon beschlossen? Wir diskutieren zu viel und handeln zu wenig.“
Der Scheinbegriff ist enttarnt
- Das Ergebnis: Holger Reile (Linke) endete: „Ich bin froh, dass wir den Scheinbegriff autofreie Innenstadt in der Beschlussvorlage der Verwaltung enttarnt haben.“ Da waren sich alle einig. Die Differenzen in der Sache jedoch blieben.
- Der FGL-Vorschlag, den Bereich zwischen Rheinsteig, Laube, Bodanstraße und zusätzlich Stadelhofen zur reinen Fußgängerzone umzuwandeln, scheiterte. Am Ende die meisten Stimmen erhielt dieser Beschluss: Die Verwaltung soll eine Strategie zur autofreien Innenstadt ausarbeiten – womit, sagte Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, „weitgehend autofrei“ gemeint ist. „Also“, erklärte er, „wo autofrei möglich ist, machen wir es, wo nur verkehrsarm möglich ist, machen wir verkehrsarm.“ Bodanstraße und Laube etwa sollten „natürlich nicht autofrei werden, sondern autoarm.“