Das Geschäft Silo an der Oberen Laube ringt ums Überleben, der Laden Unverpackt Konstanz in der Mosbruggerstraße schließt Ende dieser Woche, der Konstanzer Versand für Waren ohne Plastik, Monomeer, hat seit Ende Januar die Lieferungen eingestellt. Dabei sind sich alle Betroffenen sicher: Konstanz hätte das Potenzial für mindestens einen Unverpackt-Laden.
Die Waren aus Unverpackt-Läden bieten, was fast alle Verbraucher wünschen. Sie haben Bioqualität, sind regional, fair in der Herstellung und kommen ohne Palmöl aus, für welches Regenwälder gerodet werden. Doch warum sind die Geschäfte dann in der Krise? Es gibt wohl mehrere Gründe.
„Konstanz als grüne Stadt müsste das doch hinkriegen“
Bernhard Clasen, Mitbegründer des Silo, hofft auf eine gute Zukunft des Unverpackt-Ladens an der Laube mit seinen rund 100 Kunden. Die jetzigen Betreiber allerdings müssten einen Schnitt machen, auch aus familiären Gründen. Von ihnen heißt es: „Wir werden aussteigen. Wir können es gar nicht mehr leisten, den Laden zu führen. Es braucht jemanden, der das hauptberuflich macht.“

Das Team Silo sucht bis Ende August jemanden, der das Geschäft mit angeschlossenem Café übernimmt, am besten mit Erfahrungen im Einzelhandel und/oder Gastronomie und ökologischer Einstellung, wie Bernhard Clasen ausführt. Er ist im Hauptberuf Teamleiter in einem mittelständischen Unternehmen. Er hat viel Zeit und Geld ins Silo investiert, um in Konstanz eine Einkaufsmöglichkeit zu schaffen, in der der Verbraucher keine Plastikabfälle produziert.
Clasen und das Team Silo haben einiges vorbereitet für den Wechsel: So stehe ein Unterstützerverein mit inzwischen 90 Mitgliedern bereit. Dieser arbeite an einer Vernetzung mit Wissenschaftlern und Interessierten aus der Stadtgesellschaft. „Wir wollen aufrütteln, dass es den Laden gibt und dass er um den Erhalt kämpft.“ Bernhard Clasen sagt: „Konstanz als grüne Stadt müsste das doch hinkriegen.“
Und doch kam das Silo ins Schleudern: Einen ersten Einbruch erlebte das Geschäft, das mit einem Café kombiniert ist, in der Corona-Krise. Kaum hatte es sich davon wieder erholt, kamen der Ukraine-Krieg und in der Folge die gestiegenen Preise für Energie. Das Geschäft stütze sich auf ökologisch wirtschaftende Kleinlieferanten, denen gar nichts anderes übrig bleibe, als gestiegene Energiekosten an den Verbraucher weiterzugeben, sagt Bernhard Clasen. Dazu kamen höhere laufende Kosten im Laden.
Vor fünf Jahren boomten die Unverpackt-Läden noch
Doch sind es wirklich die Preise, die abschrecken? Susan Rößner, die frühere Geschäftsführerin des plastikfreien Versands Monomeer in Konstanz, sieht mehrere Gründe. Die Frau, die seit einigen Monaten aus privaten Gründen in Hamburg lebt und 2014 in Konstanz Monomeer aufbaute, sagt: 2018 sei der große Boom der Unverpackt-Läden gewesen. „Das hat die Bevölkerung interessiert.“ Doch alles, was erfolgreich sei, werde auch von den Massenversorgern aufgegriffen.

So verschwanden in Super- und Drogeriemärkten zunehmend die Plastiktüten und machten sich Waren wie das feste Shampoo breit. Auch Großmärkte bieten inzwischen Waschmittel zum Wiederauffüllen und Waren wie Bienenwachstücher, Trinkflaschen oder wiederverwendbare Gemüsebeutel.
Die Qualität sei vielleicht nicht dieselbe wie in Unverpackt-Läden, aber diese seien eben nicht mehr die alleinigen Anbieter, sagt Susan Rößner. Ein Zeichen, wie sehr der Umweltgedanke um sich gegriffen hat, ist aktuell eine Aktion des Supermarkts Penny. An ausgewählten Produkten demonstriert er gerade die wahren Preise von Waren, wenn die Umweltfolgen mitgerechnet würden.
Susan Rößner sagt außerdem: Ein Einkauf im Unverpackt-Laden sei etwas teurer und dauere länger. „Das muss ein bisschen vorbereitet sein.“ Der Verbraucher müsse etwa die Glasbehälter selbst mitbringen. Das habe nichts mehr mit dem lustvollen Shoppen zu tun, welches in der Werbung propagiert werde. Susan Rößner ist ein bisschen enttäuscht über das Verhalten der Verbraucher: „Viele Menschen kaufen ganz schlechte Produkte, hoch verarbeitet.“ Das schade der Gesundheit, was wieder Kosten verursache.
Viele hätten auch verlernt, ohne Fertigwaren selbst zu kochen. Sie fürchtet, dass die große Rechnung später präsentiert wird, wenn es wegen der Klimakatastrophe an Wasser und Anbaumöglichkeiten mangle. „Je länger wir warten, desto mehr Handlungsmöglichkeiten nehmen wir uns.“ Susan Rößner ist heute in der Umweltbildung und in der Beratung von Unternehmen tätig, die Abfälle reduzieren wollen. Sie gehörte 2019 zu den Mitbegründerinnen des Silo. Seit 2013 lebt sie selbst ohne Plastik.
Unverpackt Konstanz gibt es ab August 2023 nicht mehr
Für Unverpackt Konstanz, dem ersten Geschäft dieser Art, das vor sechs Jahren öffnete, läuft die Zeit ab. Es schließt Ende der Woche. Anfangs saß der Laden noch in der Fürstenbergstraße in Konstanz, dann in der Mosbruggerstraße im Paradies. Sladjana Peerebooms, im Hauptberuf Altenpflegerin, hatte den Laden aufgebaut.

Sie glaubt an zwei maßgebliche Gründe, warum sie ihn jetzt aufgeben muss. Erstens müssten viele Bürger wegen der Inflation sparen. „Ich bin nicht enttäuscht. Viele müssen auf jeden Cent schauen. Es gibt Potenzial, aber nicht genügend.“ Zweitens vermutet sie, dass der Aufwand, eigene Gläser mitzunehmen, abschreckt.
Sie sieht, wie Menschen aus dem Supermarkt um die Ecke Tüten schleppen, und sie erlebt, wie viele junge Menschen kaum mehr ein Geschäft betreten. „Die sind so bequem geworden. Die bestellen per Internet.“ Sladjana Peerebooms lebt selbst seit vielen Jahren weitgehend ohne Plastik.
Alle Versuche, einen Nachfolger für das Geschäft in der Mosbruggerstraße zu finden, seien gescheitert, erklärt sie. Eine Hoffnung bleibe aber – und zwar, dass nun wenigstens das Silo an der Laube erhalten bleibt. Peerebooms schließt allerdings nicht aus, dass sie sich geschäftlich irgendwann wieder dem Thema Unverpackt zuwendet. Sie mache aber erst einmal Pause und beobachte, wie sich der Markt entwickelt.