Eine Bank mit Blick auf einen Mülleimer, eine Umrandung mit sichtbaren Schäden, ein tonnenschwerer Findling, der von einem Steinhaufen gestützt wird. Der Hussenstein im Paradies soll an die Verbrennungen der Reformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag erinnern.
Der frühere CDU-Stadtrat und Schulleiter Wolfgang Müller-Fehrenbach sowie der Bildhauer und aktive Bürger Alexander Gebauer sind sich sicher: Dieser Ort spiegelt in keinster Weise das für ganz Europa bedeutende Ereignis wider. Es sei unwürdig, wie der beiden Freidenker gedacht werde, die sich gegen Autoritäten auflehnten und deren Gedanken sich später durchsetzen. Sie sind überzeugt: Die Stadt muss handeln.
Wolfgang Müller-Fehrenbach und Alexander Gebauer fordern, den gesamten Platz neu zu gestalten und eine wirklich würdige Gedenkstätte zu schaffen. Sie haben einen entsprechenden Brief an Oberbürgermeister Uli Burchardt sowie die Bürgermeister Andreas Osner und Karl Langensteiner-Schönborn geschickt.
Beide Konstanzer wollen dabei mit anpacken
Sie schlagen darin ein Freiraumkonzept vor sowie Tafeln, welche über die geschichtlichen Hintergründe aufklären. Beide sagen, es wäre naheliegend, die Leiter des Stadtarchivs und der Museen einzubeziehen.„Alexander Gebauer und ich wären gern auch bereit, sich zu beteiligen, wenn es gewünscht würde“, schreibt Wolfgang Müller-Fehrenbach.
Beide halten es für notwendig, die Gedenkstelle so neu zu gestalten, dass sie zum Verweilen einlädt und anregt, sich zu informieren. Derzeit gibt es nur einen spröden Hinweis, der sich auf dem verwitterten Stein kaum entziffern lässt.
Wolfgang Müller-Fehrenbach hatte sich schon dafür eingesetzt, dass die vergessene Geschichte um die ehemalige Klosterkirche in Petershausen wieder ins Gedächtnis gerufen wird. Auf seine Initiative hin wurden ein stilisiertes Kirchenportal aufgestellt und eine Informationsstele. So eine sollte es doch auch am Hussenstein geben. Alexander Gebauer und Müller-Fehrenbach regen dazu an, sich damit auseinanderzusetzen, wie der Stein auch schon präsentiert wurde.
Auf einem alten Stich ist zu sehen, wie der Hussenstein beim Aufstellen 1862 aussah. Damals ruhte der große Findling auf einem Berg von kleineren Findlingen. Heute erscheint das 350 Zentner schwere Denkmal, als würde es über einer Wolke von Blumen schweben, wie es Alexander Gebauer ausdrückt. „Das ist doch grotesk.“
Wolfgang Müller-Fehrenbach nimmt die Stützsteine unter dem Felsbrocken ins Visier. Das schaue aus, als hätte man dem Lehrling gesagt, er solle mal Lücken stopfen. Tatsächlich heben sich die Stützsteine deutlich von dem schwärzlichen Findling aus Kalkstein ab, der bei Hegne gefunden wurde. 30 Jahre lang kämpfte der frühere Bürgermeister Hüetlin darum, von der badischen Regierung die Zustimmung für eine Gedenkstätte zu bekommen. Erst 1862 war es dann so weit.
Der Hussenstein wurde im Paradies aufgestellt. Er erinnert an die Hinrichtung der beiden Reformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag in den Jahren 1415 und 1416 während des Konstanzer Konzils. Beide wurden der Ketzerei bezichtigt und verbrannt.
Der Priester und Prediger Jan Hus gilt als der Wegbereiter der Reformation. Er lehnte den weltlichen Besitz und den Ablasshandel der Kirche ab, er trat für Gewissensfreiheit ein und sah die Bibel (nicht den Papst) als letzte Instanz in Glaubensfragen an. Der Gelehrte Hieronymus von Prag war ein Gefährte von Hus. Er stiftete die Menschen dazu an, selbst zu denken.
„Hier wurde europäische Geschichte geschrieben“
Heute sei der ganze Platz einfach lieblos gestaltet, bemängelt Wolfgang Müller-Fehrenbach. „Das ist eine unwürdige Situation.“ Als Symbol für die Gleichgültigkeit sieht er eine Bank an, die mit dem Rücken zum Stein steht und den Blick auf einen Hydranten und einen Mülleimer öffnet. Das drücke doch schon aus: „Was geht mich der Stein an?“ Dieser dürfe auch nicht so daliegen, dass er zur Pinkelstelle für Hunde werde. „Keiner der beiden weltgeschichtlich bedeutenden Personen wird diese seltsam nebensächliche Gedenkstätte gerecht.“
Sie biete die Chance, auch mal an Hieronymus von Prag zu erinnern, der meist nur als Begleiter von Jan Hus wahrgenommen werde. „Er ist aber ein bedeutendes Vorbild für freiheitliches Denken, für die geistige Auseinandersetzungen und für den Mut, Lehrmeinungen und Autoritäten qualifiziert zu widersprechen. Er ist damit auch heute ein Symbol gegen jede Form von Unterdrückung.“
Auch Gebauer unterstreicht: „Hier wurde europäische Geschichte geschrieben. Die wenigsten Menschen wissen das.“ Es sei Zeit, entsprechend daran zu erinnern. Die Kirche im Mittelalter glaubte, durch das Verbrennen der Personen und das Verteilen der Asche im Seerhein auch deren Gedanken zu zerstören. Doch die hussitischen Lehren verbreiteten sich, führten dazu, dass über Gemeingut, eine Kirche ohne Hierarchien, Armut der Priester und Brüderlichkeit nachgedacht wurde.
Diese Bedeutung müsse sich am Hussenstein ablesen lassen. Es sei traurig, dass am Denkmal fast nichts zusammenpasse. Da wuchere ein Busch und verdecke einen Teil des Steins, da liege eine verwitterte Platte mit Inschriften, am Platz des Denkmals liegen verstreut große Steine. Insgesamt mache das doch einen „jämmerlichen“ Eindruck.