Fußgänger haben es nicht leicht in Konstanz. Hecken, die auf den Gehweg ragen, E-Scooter und Fahrräder, die das Trottoir versperren, so dass kaum ein Durchkommen ist, und dann die Fahrradstraßen, für die es Geschick und Leichtfüßigkeit braucht, um diese in Stoßzeiten queren zu können. Ein Lied davon singen kann beispielsweise Manuela Pruß, wobei sie noch größere Schwierigkeiten hat als sportliche Mitmenschen, denn: Sie ist blind.

Taktile Bodenleitsysteme sind für blinde und sehbehinderte Menschen wichtig, damit sie sich sicher im öffentlichen Raum bewegen können, ...
Taktile Bodenleitsysteme sind für blinde und sehbehinderte Menschen wichtig, damit sie sich sicher im öffentlichen Raum bewegen können, stellt Manuela Pruß, Mitglied des Beirats für Menschen mit Behinderung der Stadt Konstanz, fest. Sie selbst ist darauf angewiesen. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Eine meiner Bekannten ist viel in der Stadt unterwegs. Sie sagt, dass es in der Innenstadt sehr gefährlich ist“, berichtet Manuela Pruß, Mitglied im Beirat für Menschen mit Behinderung der Stadt Konstanz. Pruß selbst hat einen Fahrradstraßen-Test in der Schottenstraße unternommen. „Fahrradstraßen im Allgemeinen haben es in sich, denn man muss die Ohren spitzen, damit man sicher rüberkommt.“ Auch wenn sie immer mit ihrem Blindenstock als sichtbares Zeichen für ihr Handicap geht, musste sie nach ihrem Test feststellen: „Es hält fast nie ein Fahrradfahrer an.“

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„Auch in den schmalsten Durchgängen in der Fußgängerzone kesseln Radfahrer durch, oft gerade die älteren Damen und Herren auf ihren E-Bikes. Wenn ich aus der Haustüre komme, werde ich oft fast umgenietet“, so die plastische Schilderung von Stephan Grumbt, Behindertenbeauftragter der Stadt Konstanz, der am Augustinerplatz wohnt. Bereits während der Sitzung des Technischen und Umweltausschusses, als der aktuelle Planungsstand des Handlungsprogramms Fußverkehr vorgestellt wurde, hatte er auf den Missstand hingewiesen, dass die Schere Radfahrer/Fußgänger auseinanderklaffe.

Grumbt: „Jetzt müssen Taten folgen!“

„Die Kommunalpolitik hat in den letzten Jahren sehr viel für den Radverkehr getan und dabei die Fußgänger ein bisschen vergessen“, stellt Stephan Grumbt fest. Das Handlungsprogramm, in dem bereits Maßnahmen skizziert sind, befindet er als gut, aber: „Jetzt müssen halt auch Taten folgen!“ Er fordert „pragmatische, schnell umsetzbare Lösungen“ zugunsten von Kindern, Familien mit Kinderwagen, Senioren und Menschen mit Handicaps. Sein Ziel: „Gemeinsam mit der Fußverkehrsbeauftragten möchte ich versuchen, eine kleine Task Force, besser ein kleines Expertenteam zusammenzustellen, um die Prioritäten festzusetzen.“

Bei der Stadtverwaltung ist die Brisanz des Themas schon angekommen. Frank Conze, Abteilungsleiter Straßenverkehrsbehörde, ist sensibilisiert. Seit 15 Monaten wohnt er in der Bruder-Klaus-Straße und musste feststellen: Der Blindenstreifen direkt beim Alemannenplatz wird immer wieder von Autofahrern zugeparkt. „Die meisten haben keinen blassen Schimmer, was das ist. Manche meinen wohl, es wäre Bodenmalerei. Dabei müssten sie eigentlich spüren, dass da was ist“, schildert er.

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Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das taktile Bodenleitsystem wichtig für die Orientierung und für die Vorwarnung, dass gleich eine Straße kommt. „Auch viele ältere Menschen mit leichteren Seheinschränkungen, orientieren sich an diesen Leitlinien“, fügt Stephan Grumbt an. Frank Conze macht die Folgen des widerrechtlichen Parkens auf dem Blindenleitsystem pragmatisch deutlich: „Sehbehinderte laufen gegen das Auto.“

Genau das ist Manuela Pruß kürzlich passiert. Es war zwar kein abgestelltes Auto auf einem taktilen Leitsystem. Aber mitten auf dem Gehweg stand ein Lieferfahrzeug. Mit dem Blindenleitstock gelangte sie unter das Fahrzeug und bemerkte deshalb nicht, dass etwas im Weg stand: „Ich bin volle Kanne gegen das Auto gelaufen. Ich dachte, mir fallen die Zähne aus“, erzählt Manuela Pruß.

Rechtswidrig mitten im Weg geparkt hat dieser Audi-Fahrer. Ein unvermutetes Hindernis für Manuela Pruß.
Rechtswidrig mitten im Weg geparkt hat dieser Audi-Fahrer. Ein unvermutetes Hindernis für Manuela Pruß. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Fußgänger sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer“, stellt Frank Conze fest, der jetzt gemeinsam mit seinem Team stärker durchgreifen will, um die Fußgänger besser zu schützen. Dabei kommt er noch einmal auf das Parken auf Blindenleitsystemen zu sprechen, bei dem es sich verkehrsrechtlich „um eine schwere Behinderung“ im Straßenverkehr handle. Das Problem allerdings sei: Im Bußgeldkatalog gebe es keinen extra Tatbestand für das Parken auf Blindenleitsystemen.

„Ich wäre dankbar, wenn es ein entsprechendes Gesetz gäbe, damit dies im Bußgeldkatalog ein eigener Tatbestand ist“, sagt Manuel Lopez vom Gemeindevollzugsdienst. Für viele sei gar nicht ersichtlich, was sie eigentlich getan haben, wenn auf dem Bußgeldbescheid lediglich „schwere Behinderung“ als Begründung vermerkt sei. Wichtig ist den Beteiligten, alle Verkehrsteilnehmer zu sensibilisieren und ein Bewusstsein zu schaffen, um Unfälle zu vermeiden; dazu gehören auch Verwarnungsgelder. Manuel Lopez stellt nämlich fest, dass die Erhöhung der Verwarnungsgelder bereits eine gewisse Wirkung zeigten.

Auch das Zurückschneiden von Hecken, die auf die Gehwege ranken, haben die Ordnungshüter im Visier. Und das ist gut so, findet Stephan Grumbt, der auf den Rollstuhl angewiesen ist. Sofort denkt er dabei an eine Ecke in der Neuhauser Straße und schildert plastisch: „Je nach Jahreszeit fährst du da in einen Busch.“ Manuela Pruß pflichtet bei: „Es ist nicht toll, wenn du plötzlich im Gesicht eine Hecke spürst.“

Heikle Situationen sollen entschärft werden

Wichtig sie auch eine Entschärfung der Situation an der nördlichen Seite der Fahrradbrücke (Herosé), damit Fußgänger den Fahrradweg queren können. Die Verwaltung habe bereits zugesichert, einen Fußgängerüberweg vom Herosé-Park zum gegenüberliegenden Gehweg zu markieren und mit einem taktilen Leitsystem auszustatten, berichtet Manuela Pruß.

Derartiges erachtet sie auch bei der Unterführung am Sternenplatz als wichtig, sinnvoll und hilfreich. Dort seien zwar gelbe Fußabdrücke markiert, um den Radlern zu signalisieren, dass Fußgänger queren, aber sehbehinderte und blinde Menschen bräuchten an dieser frequentierten und engen Gefahrenstelle ebenfalls einen Blindenstreifen.

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