Ein lauer Sommerabend am Wochenende in der Konstanzer Altstadt: Alle Tische des Restaurants sind besetzt, ein Pulk Menschen wartet auf einen Platz, Handtasche an Handtasche. Sie kennen sich offensichtlich nicht.

Schutzmaske unterm Kinn

Der Kellner bittet sie um einen Moment Geduld, seine Schutzmaske hängt ihm unterm Kinn. Im Strandbad ist ebenfalls Hochbetrieb. Eineinhalb Meter Abstand zwischen den Handtüchern? Nicht überall.

Nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel

Szenen wie diese sind mittlerweile nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel geworden in der Stadt. Die Anzahl der Coronafälle lag lange bei null. Damit ist es jetzt vorbei. Seit vergangener Woche vergeht kaum ein Tag ohne Neuinfektionen.

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Die jüngsten sind mehrere Fälle im Parkstift Rosenau sowie ein Fall in der Wessenbergschule. Betrachtet man den Rest des Kreises, sticht Konstanz hervor: Von 33 positiv getesteten Personen im Kreis leben 30 in der Konzilstadt.

Wessenbergschule in Konstanz.
Wessenbergschule in Konstanz.

Die Ampel steht auf gelb

Wenn das Infektionsgeschehen in Konstanz eine Ampel wäre, sagte Oberbürgermeister Uli Burchardt gestern auf einer Pressekonferenz mit dem Landratsamt, stände die jetzt „auf gelb“. Die Stadt will deshalb eine Kampagne starten. Die Bevölkerung soll aufgerufen werden, jene drei Regeln wieder einzuhalten: Abstand, Hygiene, Alltagsmaske.

Präventionsteams sollen für Aufklärung sorgen

„Wir werden schnellstmöglichst Präventionsteams auf die Straße schicken, die die Leute informieren sollen, mit T-Shirts, Flyern und Plakaten“, erklärte Burchardt, „die Botschaft ist: Corona ist wieder zurück in Konstanz.“ In Kitas, Altenheimen, Schulen. „Es hat nichts mit Nachtleben oder Party zu tun, es ist eher diffus“, sagte der Stadtchef.

Plan B: Wieder striktere Regeln

Derzeit arbeitet die Stadt auch an einem Plan B, falls die Fallzahlen weiter zunehmen sollten. Uli Burchardt kündigte an: „Es kann sein, dass wir wieder zu strikteren Maßnahmen übergehen müssen.“ Als Beispiel nannte er eine Beschränkung von Gruppengrößen im öffentlichen Raum. Derzeit werde mit dem Landratsamt ein Maßnahmenplan erarbeitet, der „wie ein Baukastensystem“ je nach Infektionsgeschehen angewendet werden könne.

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Freundlichkeit, kein Befehlston

Start ist die Aufklärungskampagne in der Innenstadt. „Es soll so schnell wie möglich losgehen“, sagte Burchardt, „der Zeitpunkt hängt davon ab, ob ich freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finde.“ Wichtig dabei: „Wir wollen freundliche Menschen, die durch die Stadt gehen, die Menschen ansprechen und sagen: ‚Hallo, wir sind‘s, wir haben hier ein paar Informationen, passen Sie gut auf sich auf.‘“ Also nichts Hoheitliches, keine Konfliktintervention, kein Befehlston.

OB: „Auch mir ist die Stadt zu voll“

Landrat Danner lobte die Idee – gerade die vielen Touristen, die im Urlaub sicherlich keine Zeitung lesen würden, könnten so erreicht werden.

Konstanz ist beliebt bei den Reisenden, vielleicht umso mehr in diesem Jahr, in dem so viele ihre Auslandsurlaube streichen mussten und nun nach schönen Orten im eigenen Land suchen.

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„Ich finde die Stadt im Moment auch zu voll“, sagte der Oberbürgermeister. Aber man könne niemandem verbieten, nach Konstanz zu kommen. „Weil wir natürlich eine bevorzugte Region sind, sind wir umso mehr gefragt, ein gutes Miteinander zu finden.“ Eine grundsätzliche Lösung gebe es nicht. „Wir machen keine Touristenwerbung für die Hochsaison, schon lange nicht mehr.“ Man sei auch der fachlichen Meinung, dass die Stadt nicht voller werden dürfe.

Gastronomen müssen besser mitmachen

Um Infektionsketten auch bei Touristen nachvollziehen zu können, müssen die Gastronomen mitmachen. Uli Burchardt sagte: „Die Gäste müssen ihre Daten hinterlassen, das darf nicht zu lax gehandhabt werden.“ Und der Landrat ergänzte: „Gerade in eigener Sache: Gastronomen trifft ein Lockdown besonders hart.“

Burchardt appellierte: „Ich bin zuversichtlich, dass die Masse der Menschen den Maßnahmen folgen wird, die ihre Behörden ihnen nahelegen und vielleicht auch auferlegen. Es liegt an uns allen.“

Jüngste Fälle gut im Griff

Die jüngsten Fälle im Kinderhaus am Salzberg, der Chérisy-Kita, der Berchenschule und dem Margarete-Blarer-Haus konnten die betroffenen Einrichtungen und das Gesundheitsamt gut eindämmen.

Neuer Fall in Wessenbergschule

Seit dem Wochenende gibt es einen Fall in der Wessenbergschule. Ein Schüler des Wirtschaftsgymnasium wurde positiv auf Corona getestet. „Das Landratsamt hat allen 38 Schülern und Lehrkräften, die mit der Person Kontakt hatten, empfohlen einen Test zu machen“, sagte Schulleiter Martin Pohlmann-Strakhof. Wer ein negatives Testergebnis habe, dürfe wieder an die Schule kommen. „Alle Testergebnisse, von denen ich weiß, sind negativ“, so der Schulleiter.

Zufrieden mit Hygienekonzept

Das Hygienekonzept der Schule gilt als besonders gut. Deshalb müssen die Kontaktpersonen des Infizierten auch nicht in Quarantäne. „Wir haben ständigen Durchzug, mit offenen Fenstern und Türen in den Klassenzimmern, Schüler gehen nur mit Mund-Nasen-Schutz durchs Schulhaus“, zählte Pohlmann-Strakhof auf. Dazu das Einbahnwegesystem, die Abstandsregeln. „Wir freuen uns, dass das Gesundheitsamt unser Hygienekonzept als gut bewertet.“

Regulärer Schulbeginn im September bereitet Sorge

Er sei sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit, sowohl mit dem Amt, als auch dem Landrat, der sich noch am Wochenende telefonisch eingeschaltet hätte. Sorgen bereitet ihm die Wiederaufnahme des regulären Schulbetriebs ab September. „Zwei Dinge ändern sich: Erstens werden bei uns viel mehr Schüler sein – und das gute Wetter ist vorbei. Das heißt, wir wechseln von Dauerlüftung zu Stoßlüftung.“

„Es liegt an unserer Selbstdisziplin“

Ob das Konzept aufgeht und es an den Schulen ab September keine weiteren Coronafälle gibt? Martin Pohlmann-Strakhof ist überzeugt: „Es liegt an unserer Selbstdisziplin. Wir alle, die Lehrer, die Schüler, sind dafür verantwortlich, ob es eine zweite Welle gibt oder nicht.“

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Ebenfalls mit Coronainfektionen zu kämpfen hat derzeit die Senioreneinrichtung Parkstift Rosenau. Es handelt sich laut Stiftsdirektor Herbert Schlecht um mehrere Mitarbeiter und zwei Bewohner. „Gut ist, dass wir keine schweren Verläufe haben“, sagte er. Die Testungen laufen noch bis Donnerstag.