„Zirkus ja, Tiere nein!“ Und: „Liebe bedeutet, das Wohl des anderen in den Vordergrund zu stellen!“ Diese und weitere Rufe schallen am Freitagnachmittag, 18. August, durch ein Megafon am Sportgelände Entengraben in Litzelstetten. Denn dort hat der Circus Alessio seine Zelte und Zäune aufgeschlagen. Zäune, hinter denen Pferde, Kängurus, Zebras und viele weitere Tiere leben.
Genau das hat acht Aktivisten der Tierschutzorganisation Peta auf den Plan gerufen, die an diesem brütend heißen Nachmittag unweit des Zirkusgeländes demonstrieren. Gewaltvolle Dressuren, kleine Gehege und ständige Transporte – einige von vielen Vorwürfen, welche die Organisation gegen Zirkusbetriebe anbringt. „Unsere Forderung ist es, dass Tiere nicht mehr zu finanziellen Zwecken ausgebeutet werden“, sagt Dayana Benz, Leiterin des Peta Teams in Konstanz.
Peta: „Zirkus ja, aber ohne Tiere!“
André Kaiser, der Zirkusdirektor, hatte die Aktivisten zuvor eingeladen, jederzeit auf dem Gelände vorbeizuschauen und sich selbst ein Bild von den Haltungsbedingungen zu verschaffen. Angenommen haben die Tierschützer dieses Angebot bislang nicht. Es sei zwar gut gemeint, aber: „Er versteht nicht, worum es uns geht“, sagt Dayana Benz.
„Es mag ja sein, dass er sich gut um seine Tiere kümmert und sie nicht schlägt“, sagte sie. Trotzdem müssten sie bei der Hitze auftreten, Leistung bringen und unnatürliche Kunststücke erlernen. Das Leben im Zirkus entspräche schlichtweg nicht dem, was die Tiere brauchen. Die 35-Jährige betont jedoch ausdrücklich: „Wir sind für den Zirkus, aber ohne Tiere.“

Dayana Benz ist überzeugt, dass es genügend andere Wege gibt, Menschen im Zirkuszelt zu begeistern. Dafür müssten keine Tiere ausgebeutet werden, findet die 35-Jährige. „Es gab in Konstanz zum Beispiel mal eine Zaubershow“, erinnert sie sich. „Auch in einem Zirkuszelt, aber ohne Tiere. Und die Leute waren begeistert.“ Zebras, Tiger oder Kamele könne man beispielsweise auch durch Hologramme – also dreidimensionale Laser-Projektionen – abbilden.
Besucher durch Aktion verunsichert
Der Circus Alessio hingegen setzt nach wie vor auf echte Tiere. Und diese ziehen an jenem Tag jede Menge Besucher nach Litzelstetten – laut Zirkusdirektor André Kaiser ganze 400. Trotzdem scheint die Anwesenheit der Tierschützer die Menschen zu verunsichern. Die meisten von ihnen wechseln die Straßenseite, um zum Eingang des Zirkus zu gelangen. Dayana Benz hat dafür eine Vermutung: „Sie haben ein Ziel und werden dann ertappt. Deshalb haben sie oft eine sehr abwehrende Haltung.“
Was an jenem Tag außerdem deutlich wird: Die Meinungen zum Thema in der Bevölkerung gehen weit auseinander: „Das ist doch seine Existenz“, ruft beispielsweise ein Radfahrer auf der anderen Straßenseite. Ein anderer wiederum fährt lächelnd und mit erhobenem Daumen an der Demonstration vorbei.

Ein emotionales Thema
Auch Hannah Eymann ist eine der acht Aktivistinnen und Aktivisten, die am Freitag mit Plakaten und Megafon auf dem Radweg in Litzelstetten stehen. Ihre Hauptmotivation sei es, friedlich zu demonstrieren und das System Tierzirkus als solches zu hinterfragen. „Es ist ein emotionales Thema, weil es um eine Existenz geht“, sieht auch die 26-Jährige. Aber: „Zebras und Kamele mitten in Konstanz, das ist nicht richtig“, findet sie.

Dreimal haben die Tierschützer am Wochenende vor dem Zirkus demonstriert. Und das friedlich, was nach eigenen Angaben beiden Parteien wichtig war. Eine Sache ist André Kaiser dennoch sauer aufgestoßen: „Sie halten Plakate hoch, auf denen Tiger zu sehen sind. Ich habe gar keine Tiger. Sollen sie doch bitte meine Tiere nehmen.“ Dass die Aktivisten zudem durch das Megafon rufen, seine Tiere lebten getrennt von Artgenossen, finde er nicht in Ordnung. „Ich habe nicht ein Tier in Einzelhaltung“, so Kaiser.
„Ich habe nichts persönlich gegen die Tierschützer“, betont der 37-Jährige. „Würden sie vor einem Schlachthof demonstrieren, stünde ich vielleicht selbst dabei“, sagt Kaiser sogar, der nach eigenen Angaben seit vielen Jahren vegetarisch lebt. „Aber man sollte bei der Wahrheit bleiben und anderen nicht dermaßen schaden“, meint er.
Die Aktivisten von Peta haben rigorose Forderungen – nämlich, Tiere in Zirkussen komplett abzuschaffen. Ist das eine Option für den Zirkusdirektor? „Auf gar keinen Fall“, sagt André Kaiser. „Diese Tiere sind für mich Familienmitglieder.“ Als Zirkuskind in der neunten Generation könne er sich nicht vorstellen, sich von ihnen zu trennen. „Entweder mache ich Zirkus mit meinen Tieren – oder ich mache ihn gar nicht.“

Kompromiss scheint unmöglich
Die Meinungen beider Parteien gehen so weit auseinander, dass eine Annäherung unmöglich erscheint. Und trotzdem – Zirkusdirektor André Kaiser wiederholt sein Angebot im Nachgang der Demonstrationen noch einmal: „Ich würde gern ein vernünftiges Gespräch mit Peta führen.“ Natürlich gebe es in jeder Branche schwarze Schafe, sagt er. Aber vielleicht hätten einige Aktivisten schlichtweg ein falsches Bild von modernen Zirkussen.
Dann fügt er an: „Vielleicht haben sie ja auch Argumente, von denen ich lernen kann. Man wird mit den Jahren auch betriebsblind. Aber wenn man sich von vorneherein nicht mit jemandem auseinandersetzen will, ist das schwierig“, findet er.