Der Termin fängt vielversprechend an. Im unteren Konzilsaal haben sich rund 50 Zuhörer eingefunden, die meisten sind interessierte Bürger. Es geht um die Zwangsversteigerung des Gasthauses Löwen in Wollmatingen samt dem großen Biergarten und zwei benachbarten Doppelhaushälften. Alles befindet sich im Besitz der Familie Trummer.

Schnell wird deutlich, wer die Hauptfiguren an diesem Vormittag sind: Zum einen Bernhard Trummer, einer der Söhne der Familie, der die Erbengemeinschaft auflösen möchte, und dessen Anwalt Friedrich Horsch, zum anderen Bernhards Bruder Stefan und seine Mutter Erika. Und natürlich Rechtspflegerin Monika Schönbucher, die sich am Konstanzer Amtsgericht um Zwangsversteigerungen kümmert.

„Entgegen der Ankündigung gehört das Inventar (...) nun doch nicht zur Versteigerung“, sagt Rechtspflegerin Monika Schönbucher.
„Entgegen der Ankündigung gehört das Inventar (...) nun doch nicht zur Versteigerung“, sagt Rechtspflegerin Monika Schönbucher. | Bild: Kirsten Astor

Heute geht es im Konzil um einiges: Der Verkehrswert für das gesamte Ensemble im Wollmatinger Zentrum liegt bei über drei Millionen Euro. „Entgegen der Ankündigung gehört das Inventar, also Zigaretten- und Geldspielautomaten sowie die Küchenausstattung, nun doch nicht zur Versteigerung“, verkündet Monika Schönbucher.

Und noch etwas gibt sie den Interessenten mit: „Wer ernsthafte Absichten hat, muss mindestens die Hälfte des Verkehrswertes bieten. Das ist gesetzlich geregelt.“ Bestehende Miet- und Pachtverträge müsse der neue Eigentümer mit übernehmen.

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Dann schaut Monika Schönbucher auf ihre eigens mitgebrachte Uhr und startet das Verfahren. Mindestens 30 Minuten haben die Interessenten jetzt Zeit zu bieten. Erstmal tut sich gar nichts. Schließlich tritt ein Mann im Anzug und mit Rollkoffer nach vorne und weist sich aus.

Er heißt Timo Sommerfeld und ist nach eigenen Angaben ein ehemaliger Konstanzer. „Ich biete 700.000 Euro für den Löwen und 440.000 Euro für den Biergarten“, sagt er. Ein erstes Tuscheln ertönt sich im Konzilsaal, manche verlassen den Raum.

Stephanie Omelic (links) ist eine der Interessenten für das Ensemble rund um das Gasthaus Löwen. Rechts im Bild mit rotem Cappy ist der ...
Stephanie Omelic (links) ist eine der Interessenten für das Ensemble rund um das Gasthaus Löwen. Rechts im Bild mit rotem Cappy ist der Erbe Stefan Trummer zu sehen, links daneben verdeckt seine Mutter Erika. | Bild: Kirsten Astor

Kurz darauf meldet sich eine andere Bieterin: „1,5 Millionen für das gesamte Paket“, ruft Stephanie Omelic. Mit ihrem Mann betreibt sie eine Grundstücksverwaltung in Konstanz, außerdem ist dieser der Inhaber der Tipico-Sportwetten am Zähringerplatz.

Timo Sommerfeld überlegt, dann stellt er Fragen an Stefan Trummer: Wie viele große Bäume im Biergarten seien und ob das Obergeschoss des Gasthauses leer stehe. Dann sagt er: „Ich biete 20.000 Euro mehr für das gesamte Ensemble.“

Das Verfahren nimmt Fahrt auf

Plötzlich geht es Schlag auf Schlag. Ein weiteres Konstanzer Ehepaar wirft seinen Hut in den Ring. „800.000 Euro für das Gasthaus Löwen!“ Stephanie Omelic zieht nach: „450.000 Euro für den Biergarten!“ Das Verfahren gewinnt an Schwung.

Das Ehepaar kontert: „1.150.000 Euro für die Gaststätte.“ Am Ende überbieten sich nur noch Stephanie Omelic und Timo Sommerfeld in kleinen Schritten, bis die letzte Summe auf dem Tisch liegt: „1.850.000 Euro für Gasthaus, Biergarten und die beiden Doppelhaushälften“, sagt Stephanie Omelic.

Mitsteigern darf, wer volljährig ist und bei Rechtspflegerin Monika Schönbucher seinen Ausweis abgibt – so wie hier Stephanie ...
Mitsteigern darf, wer volljährig ist und bei Rechtspflegerin Monika Schönbucher seinen Ausweis abgibt – so wie hier Stephanie Omelic (links). | Bild: Kirsten Astor

Monika Schönbucher lässt ihre Finger über den Taschenrechner fliegen: Nach jedem Zwischenruf muss sie neue Mindestgebote für einzelne Gebäude und das Gesamt-Angebot verkünden. Dann schaut sie auf die Uhr. Um 12.11 Uhr ist Schluss der Versteigerung.

Doch ein neuer Eigentümer ist nicht gefunden, denn Bernhard Trummers Anwalt beantragt die einstweilige Einstellung des Verfahrens. Dafür muss er keine Gründe angeben. Monika Schönbucher sagt: „Oft wird dieser Weg gewählt, wenn die abgegebenen Angebote dem Antragsteller zu niedrig sind.“ Nach eineinhalb Stunden Jonglieren mit Zahlen ist somit wieder alles auf Anfang.

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Die Beteiligten gehen unterschiedlich mit dieser überraschenden Wende um. So sagt Erbe Stefan Trummer: „Das ist unbefriedigend. Das Verfahren läuft nun schon seit 2020, die erste Zwangsversteigerung wurde auch zurückgenommen. Das Ganze ist zermürbend.“

Seine Mutter Erika dagegen atmet auf: „Ich bin gottfroh“, sagt sie dem SÜDKURIER. „Stellen Sie sich vor, Ihr Elternhaus wird zwangsversteigert!“ Erika Trummer bewirtete das Gasthaus selbst lange mit ihren Eltern.

Das sagen die Bieter dazu

Und die Bieter? Timo Sommerfeld nimmt seinen Rollkoffer und verlässt den Saal. Welche Absichten er mit dem Gasthaus und dem Biergarten hegte, möchte er nicht verraten. Nur so viel: „Ich wollte mal mitbieten und fand das bis zu einer gewissen Summe ganz spannend.“

Stephanie Omelic findet es schade, dass sie trotz des höchsten abgegebenen Gebots nicht die neue Eigentümerin ist. Genaue Pläne hatte aber auch sie nicht: „Ich hatte mir noch keine Gedanken darüber gemacht, denn der Bebauungsplan für die Wollmatinger Ortsmitte steht ja noch nicht fest“, sagt sie.

Auch ist noch unklar, ob das Gasthaus Löwen Denkmaleigenschaften erfüllt. Nach und nach verlassen alle das Konzil. So bleibt dem Justizwachtmeister Michael Röller nur noch eine Aufgabe: Taschenrechner, Gesetzbücher und die große Uhr wieder einpacken.

Das alles haben Rechtspflegerin Monika Schönbucher und Justizwachtmeister Michael Röller extra mitgebracht: Taschenrechner, Uhr, ...
Das alles haben Rechtspflegerin Monika Schönbucher und Justizwachtmeister Michael Röller extra mitgebracht: Taschenrechner, Uhr, Gesetzbücher und Hygiene-Artikel. | Bild: Kirsten Astor