Interessenten sind gut. Wer eine Wahl gewinnen will, muss sie erreichen und bei ihnen eine Botschaft platzieren. Unterstützer sind besser. Wer Politik macht, für den vervielfachen sie das Sprachrohr. Fans aber, die sind das Wichtigste. Sie treten ohne Gegenleistung, ohne Aufforderung und voll eigener Überzeugung für einen Kandidaten ein.

Das ist in jedem Wahlkampf so, und im bisherigen Wettstreit um Aufmerksamkeit und Vernetzung vor der Konstanzer Oberbürgermeisterwahl lässt es sich fast lehrbuchmäßig ablesen. Was Konstanz erlebt, das ist ein Mobilisierungswahlkampf.

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Was heißt das? Wer die Oberbürgermeisterwahl am 27. September gewinnen will, muss eben nicht darum kämpfen, dass die Mehrheit der Bürger von ihm als Person oder von seinem Programm überzeugt ist. Vielmehr reicht es, eine hinreichend große Minderheit so in Bewegung zu setzen, dass sie am heimischen Küchentisch oder im Wahllokal dann auch für einen abstimmen.

Denn wer immer gewählt wird – er wird nicht der Oberbürgermeister einer Mehrheit der Konstanzer sein. Das wissen die Kandidaten, und über diesen Mechanismus sollten sich auch die Wähler absolut im Klaren sein.

Das Rechenbeispiel zeigt, wie eine Wahl laufen kann

Ein bisschen Mathematik schadet im Wahlkampf also auch den Bürgern nicht. In etwas vereinfachten Zahlen sieht es in Konstanz so aus: 66.000 Personen dürfen wählen (alle Deutschen und EU-Bürger ab 16 mit Erstwohnsitz hier). 50 Prozent von ihnen gehen zur Wahl (seit 1988 lag die Beteiligung nie über 51,7 Prozent).

Im ersten Wahlgang gewinnt, wer mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigt. Bei 33.000 Wählern sind das im Rechenbeispiel 16.501. Auf jede Stimme, die der neue Oberbürgermeister erringen konnte, kommen bei 66.000 Berechtigten also drei, die er nicht bekam.

Im zweiten Wahlgang wird es noch brenzliger

Gehen wir einen Schritt weiter in der Modellrechnung. Angenommen, im ersten Wahlgang hat niemand die absolute Mehrheit errungen. Dann hängt das Ergebnis im zweiten Durchgang dann davon ab, wie viele Bewerber noch dabei sind und wie sich diese auf die politischen Lager verteilen. Denn nun reicht eine relative Mehrheit: Es genügt dann, einfach die meisten Stimmen einzusammeln.

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Wenn nun, nur als Beispiel, zwei Bewerber aus dem bürgerlichen Lager im Rennen bleiben, kann einer aus dem linken Spektrum schnell der lachende Dritte sein. Oder in Zahlen: 12.000 für den bürgerlichen Bewerber A und 8.000 Stimmen für den bürgerlichen Bewerber B, und schwupps wäre der linke Bewerber mit nur 13.000 Stimmen im Amt.

Warum niemand erst mal die erste Runde abwarten sollte

Wenn die Wahlbeteiligung höher ist als 50 Prozent, steigt die Hürde (und zugleich verbessert sich die Legitimation des Gewählten). Läge die Beteiligung dagegen nur bei jenen deprimierenden 42,0 Prozent des ersten Wahlgangs vor acht Jahren, reichen bei den ganz korrekt 67.160 Wahlberechtigten für einen Durchmarsch am 27. September gerade einmal 14.104 Stimmen.

Wenn man also Konstanzer reden hört, sie wollten sich dann im zweiten Wahlgang entscheiden, oder der X oder der Y schaffe das doch sowieso, sollte man ihnen entgegnen: Weit gefehlt, jede Stimme zählt. Und zwar schon am ersten Wahltermin.

Luigi Pantisano: Hauptsache, die Nische ist groß genug

Die Kandidaten wissen das übrigens sehr genau. Vor allem Luigi Pantisano führt einen reinen Mobilisierungswahlkampf. Natürlich wirbt auch er um jede Stimme, aber seine Strategie zielt auf eine Verbreiterung seiner eigenen Basis ab.

Er kennt seine Zielgruppen, Netzwerke und Kreise, die ihm ohnehin nahestehen, sehr genau. Dort gibt es Menschen, die er vom potenziellen Wähler über den Unterstützer zum Fan entwickeln kann. Sie kann er mit Ideen begeistern – auch weil ihm als Neuankömmling Fragen zur bisherigen Konstanzer Leistungsbilanz erspart bleiben.

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Pantisano weiß also: Die Minderheit, die ihn unterstützt, muss nur groß genug, laut genug und vor allem hoch aktiv sein. Der Schulterschluss mit Fridays For Future ist so gesehen ein Geniestreich. Denn den FFF-Leuten mag es an manchem fehlen. Aktivität, Engagement und Mobilisierungswille gehören aber ganz sicher nicht dazu.

Uli Burchardt: Hauptsache, die Mitte schweigt nicht

Uli Burchardt arbeitet anders herum, und da wird es asymmetrisch. Er kann die Unzufriedenheit mancher Konstanzer mit seiner Arbeit schwerlich in eine Leistungsbilanz umkehren. Also kann er nur diejenigen ansprechen, die mit ihrem Leben in Konstanz doch ganz zufrieden sind. Auch dafür gibt es viele potenzielle Wähler, die er nun an sich binden muss.

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Um einige von ihnen zu Unterstützern und dann zu Fans zu machen, muss er auch persönlich begeistern. Denn ein OB, dem man zuspricht, dass er keine großen Fehler gemacht hat, wird allein damit ja keine Bewegung oder gar Begeisterung auslösen. Burchardt versucht also, mit Integrationsstärke, Solidität und Ehrlichkeit punkten. Alles Eigenschaften, die viele Wähler mehr schätzen als Polarisierung, Träumerei oder Ideologie.

Auch Hennemann, Matt und Martin wissen: Jede Stimme zählt

Auch Andreas Hennemann, Andreas Matt und Jury Martin stehen vor der Aufgabe, möglichst viele Menschen in ihrem Sinne zu mobilisieren. Ob auf dem Wochenmarkt oder bei Veranstaltungen, ob über digitale Kanäle oder auf ganz konventionellen Wegen: Ihre Herausforderungen sind nicht kleiner als die von Uli Burchardt als Amtsinhaber oder von Luigi Pantisano als seinem politisch am extremsten positionierten Widersacher.

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Was alle fünf Kandidaten aber verbindet, ist das Wissen: Auf jede einzelne Stimme kommt es an. Dass diese Botschaft bei allen Bürgern ankommt, liegt aber nicht nur in ihrem Interesse, sondern in dem aller – ob man nun etwas herbeiführen oder etwas verhindern will.