Die Vorbereitungszeit war denkbar kurz. Am 23. Februar findet die vorgezogene Bundestagswahl nach dem Zerbrechen der Ampelregierung statt. Die Parteien stellen sich auf einen kurzen, aber zugespitzten Wahlkampf ein. Wie sieht das im Wahlkreis Konstanz aus? Worauf stellen sich die Kandidaten ein und gibt es Sicherheitsvorkehrungen, die sie treffen?
Bundesweit gibt es Anzeichen für eine aufgeheizte Stimmung: In Berlin kam es im Dezember zu einem Angriff von Rechtsextremen auf SPD-Wahlkampfhelfer. Im Januar wurde FDP-Chef Christian Lindner von einem Mitglied der Linken mit Schaum beworfen.
Andreas Jung, Bundestagsabgeordneter und Kandidat der CDU im Wahlkreis, bezeichnet den „Wahlkampf in Zeitraffer“ als Herausforderung. „Ich versuche ohnehin, in jede Gemeinde zu kommen“, erklärt Jung, das sei für ihn als Abgeordneter wichtig. „Jetzt ist das bei 22 Gemeinden in der kurzen Zeit im Wahlkampf allerdings schwierig. Ich werde das aber schaffen.“
Jung spricht von einem dicht gedrängten Programm und vielen thematischen Veranstaltungen, an denen er teilnehme oder die er selbst anbiete: von der Landwirtschaft über die Wirtschafts- bis zur Pflegepolitik. Dabei nehme er bei den Besuchern ein stark erhöhtes Interesse an Politik wahr.
Sicherheitsvorkehrungen habe er nicht getroffen, er nehme das Thema aber sehr ernst. „Es wird heftig diskutiert, aber bisher gab es keine tätlichen Angriffe.“ Die Polizei habe ein Augenmerk auf die Wahlkampf-Veranstaltungen. Bislang habe es Schmierereien an Plakaten gegeben.

SPD-Kandidatin: „Stimmung ist aufgeheizter“
Lina Seitzl, Bundestagsabgeordnete und Kandidatin der SPD, hat ebenfalls bisher noch von keinerlei Angriffen gegen ihre Helfer gehört. „Die Stimmung ist aufgeheizter, aber das ist sie allgemein im Moment.“ Zwischen den Kandidaten der demokratischen Parteien verlaufe der Wahlkampf jedoch wie gewohnt fair.
Auch Seitzl verweist darauf, dass sie als Abgeordnete häufig in den Gemeinden unterwegs sei. Hinzu komme, dass die Ortsvereine gerade sehr motiviert seien, „die Ehrenamtlichen plakatieren und organisieren die Infostände, ich komme so oft es geht dazu“. Nach der Geburt ihrer Tochter sei sie dankbar für die engagierte Hilfe.
Bisher habe sie keine Podiumsdebatte, zu der sie eingeladen wurde, absagen müssen. „Aber ich vermute, dass deren Zahl geringer ist als sonst.“ Bei aller Knappheit der Zeit investiert die Sozialdemokratin auch in ihre Präsenz auf sozialen Netzwerken: „Tiktok funktioniert über Videos, die muss man eben drehen.“ Für sie seien dies ein Kanal, der gut geeignet sei, junge Menschen zu erreichen und durch den diese sich direkt bei ihr meldeten.
Ann-Veruschka Jurisch, Bundestagsabgeordnete und Kandidatin der FDP, berichtet, dass entlang der Mainaustraße in Konstanz Wahlplakate abgerissen oder besprüht worden seien. Das sei nicht zu vergleichen mit einem Angriff gegen Personen, „aber das ist keine Art“.
Auf dem Konstanzer Wochenmarkt wiederum stoße der FDP-Wahlkampfstand auf Interesse. Sie sei mit vielen Bürgern ins Gespräch gekommen. Andere aber äußerten in irritierender Tonlage: „Das interessiert mich nicht.“ Ein Hinweis auf eine große Distanz einiger Bürger zur Politik.

Ähnlich wie Andreas Jung setzt Jurisch auf eigene inhaltliche Veranstaltungen mit einem Schwerpunkt bei Wirtschaftsthemen. „Das bewegt die Menschen im Moment am meisten.“ Bei diesen Veranstaltungen drückten Bürger ihre Unzufriedenheit aus. „Sie sagen das aber nicht so, dass man sich persönlich angegriffen fühlt“, so Jurisch. Sie spüre ein abnehmendes Vertrauen, aber auch den großen Wunsch, dass das Land demokratisch regiert bleibe.
Auch Jurisch kümmert sich selbst um die Kanäle der sozialen Netzwerke – wie Youtube oder Instagram. Von den Nutzern bekomme sie relativ viele Rückmeldungen.
Rosa Buss, Kandidatin der Grünen, sieht eine der größten Herausforderungen in der Knappheit der Zeit. Die Helfer müssten sehr viel in sehr kurzer Zeit stemmen, schreibt sie in einer E-Mail. „Ob Plakatieren, Flyer verteilen oder Veranstaltungen organisieren – alles muss in nur drei Monaten erledigt werden.“ Es bleibe weniger Zeit für den Austausch mit den Menschen und alle Kandidaten müssten mit einer hohen Taktung an Terminen klarkommen.
Den Wahlkampf organisieren die Grünen in einem Mix aus bewährten und innovativeren Formaten. So kämen zu den klassischen Infoständen auf Wochenmärkten Veranstaltungen wie ein Frauenstammtisch oder auch Lagerfeuergespräche. Der Haustürwahlkampf bleibe ein wichtiger Bestandteil und soziale Netzwerke würden in diesem Wahlkampf noch stärker bedient, um junge Menschen zu erreichen.
Angriffe gab es auch bei den Grünen nicht, aber Rosa Buss spricht von „anonymen Anfeindungen im Netz“, die zum politischen Alltag geworden seien. Zur Sicherheit der Wahlkampfhelfer sei es üblich, zu zweit unterwegs zu sein, weitere Vorsichtsmaßnahmen gebe es aber nicht.
Wahlkampf als ideelle Aufgabe
Sibylle Röth, Sprecherin des Kreisverbands der Linken, kann in diesem Wahlkampf zumindest bisher nicht von schlechten Erfahrungen berichten. Dass es mal eine unfreundliche Äußerung am Infostand gebe oder ein hupendes Auto beim Plakatieren, gehöre dazu. Wichtig sei dem Wahlkampfteam der Haustürwahlkampf, weil er eine Möglichkeit biete, mit den Menschen direkt ins Gespräch zu kommen.
Für den Kandidaten der Linken, Lars Hofmann, sei der Wahlkampf eine neue Erfahrung. Röth sieht es als ideelle Aufgabe, dass die Linke einen Kandidaten aufstellt, auch wenn dieser kaum Chancen auf einen Sitz im Bundestag habe. „Wir haben ein politisches Angebot zu machen“, sagt Röth und die Kandidatur sei eine Chance, die eigenen Positionen darzustellen.
AfD-Kandidat Bernhard Eisenhut klagt darüber, dass es schwierig gewesen sei, kurzfristig Wahlkampfmittel zu bekommen. Außerdem sei die Zeit für die Planung des Wahlkampfs äußerst knapp gewesen. Als einziger der Kandidaten berichtet Eisenhut auch von Beleidigungen bei seinen Auftritten.
So wurde der AfD-Bundestagskandidat bei einer Podiumsdiskussion in Hegne von Vertretern der Antifa mit Schimpfworten bezeichnet und während der Veranstaltung zum Teil am Weitersprechen gehindert. Am Ende der Diskussion wurde er unter Polizeischutz zu seinem Fahrzeug begleitet.