Das ist bitter: Da sind viele Menschen bereit, Mitmenschen zu helfen und damit unter Umständen Leben zu retten. Und dann dürfen sie nicht. Genau dies geschah am Dienstag, 27. September, auf der Insel Reichenau.

Eigentlich sollte dort wieder einmal ein Blutspendetermin stattfinden. Doch Spendenwillige, die sich angemeldet hatten, fanden an der Tür ein Plakat, auf dem stand: „Der heutige Termin findet nicht statt! Dem Blutspendedienst steht im Moment zu wenig Personal, besonders Ärzte, zur Verfügung. Der Termin wurde sehr spontan abgesagt.“ Und das ist kein Einzelfall, wie eine SÜDKURIER-Recherche ergab.

Information kam sehr kurzfristig

Nicole Peter, Bereitschaftsleiterin beim Ortsverband Reichenau des Roten Kreuzes, erfuhr selbst sehr kurzfristig von der Absage des Termins. Sie und die anderen ehrenamtlichen Helfer sind für die Registrierung der Spender, den Auf- und Abbau zuständig.

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Peter schreibt: „Uns wurde der Termin erst einen Tag vorher abgesagt. Es hätten sich rund 180 Blutspender anmelden können, und es waren auf jeden Fall schon über 150 registriert.“ Das Personal musste den Spendenwilligen per E-Mail absagen.

„Deshalb haben wir auch nicht mitbekommen, wie die Reaktionen waren“, so Nicole Peter. „Einige wenige Bürger kontaktierten mich dann direkt und fragten, ob sie helfen könnten. Aber das waren alles keine Ärzte. So konnte ich nur erklären, dass die Terminabsage nicht an uns liegt.“ Normalerweise seien in der Inselhalle immer drei Ärzte anwesend, doch so viele standen dieses Mal nicht bereit.

Fehlende Ärzte und Personal

Martin Oesterer, Bereichsleiter Spenderbeziehungsmanagement und Kommunikation beim Blutspendedienst Baden-Württemberg und Hessen des Deutschen Roten Kreuzes, erklärt die Hintergründe: „In den Monaten August und September mussten insgesamt fünf Blutspendeaktionen im Kreis Konstanz ausfallen. Grund hierfür waren zum einen hohe Krankenstände beim Entnahmepersonal, zum anderen fehlende voruntersuchende Ärzte. Hier ist die Situation beim Blutspendedienst leider ähnlich angespannt wie in anderen medizinischen Sektoren.“

In der Armbeuge wird das Blut abgenommen. Es fließt in eine Konserve neben der Liege. Der hier zu sehende Apparat sorgt dafür, dass nur ...
In der Armbeuge wird das Blut abgenommen. Es fließt in eine Konserve neben der Liege. Der hier zu sehende Apparat sorgt dafür, dass nur genau ein halber Liter abgenommen wird. | Bild: Peter Issler

Wie viel Personal pro Termin gebraucht wird, hänge von zwei Faktoren ab. Zum einen ist die Dauer der Aktion entscheidend, zum anderen die erwartete Spenderzahl. „Beispielsweise werden für einen Termin, der auf fünf Stunden angesetzt ist und bei dem 120 Spender erwartet werden, vier Entnahmekräfte, ein Fahrer mit zusätzlicher Labortätigkeit und zwei voruntersuchende Ärzte benötigt“, so Oesterer. Dazu kommen vier bis fünf ehrenamtliche Helfer des DRK.

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Dabei müssen die Entnahmekräfte keine Ärzte sein; es handelt sich meist um Schwestern oder Pfleger. Durch diese Personalausstattung werde sichergestellt, dass das entnommene Blut die erforderliche Qualität hat. Außerdem werde so die Sicherheit von Spendern und Empfängern gewahrt.

Während früher viele freiberuflich tätige Ärzte bei Blutspendeterminen eingesetzt wurden, ist dies aus sozialversicherungstechnischen Gründen nun nicht mehr möglich, sagt Martin Oesterer. „Wir dürfen nur noch fest angestellte Ärzte einsetzen“, sagt er. Angestellt werden diese bei der Medizinischen Dienstleistungsgesellschaft. „Da werden zwar derzeit neue Verträge unterschrieben, aber die Ärzte müssen erstmal eingearbeitet werden“, sagt der Bereichsleiter des Blutspendedienstes.

Die Lage war im Sommer dramatischer

Es wird also zunächst personell eng bleiben bei den Blutspendeterminen, auch im Kreis Konstanz. Kleine Stellschrauben gibt es aber dennoch: Eigentlich darf ein Arzt eine bestimmte Anzahl von Vorgesprächen pro Stunde mit den Blutspendern nicht überschreiten. „Wir können im Einzelfall aber schauen, ob ein erfahrener Arzt zur Verfügung steht, der ein paar mehr Gespräche leisten kann“, erklärt Oesterer.

(Archivbild) Voruntersuchung bei einer Blutspendeaktion: Thomas Dippong vom DRK-Blutspendedienst nimmt Dominique Hahn einen Tropfen Blut ...
(Archivbild) Voruntersuchung bei einer Blutspendeaktion: Thomas Dippong vom DRK-Blutspendedienst nimmt Dominique Hahn einen Tropfen Blut von der Fingerkuppe ab. | Bild: Peter Issler | SK-Archiv

Eine andere Möglichkeit, um eine Absage des Termins zu verhindern: Die Zahl der buchbaren Spendenbetten reduzieren. Doch all dies reichte auf der Insel Reichenau nicht aus, der Termin musste ausfallen. „Natürlich ist es schlecht, Spendenwillige wieder auszuladen“, sagt Martin Oesterer. „Auch für die ehrenamtlichen Helfer ist das keine schöne Situation. Aber wir können leider nichts machen, sondern müssen um Verständnis bitten.“

Martin Oesterer vom Blutspendedienst Baden-Württemberg und Hessen des Deutschen Roten Kreuzes.
Martin Oesterer vom Blutspendedienst Baden-Württemberg und Hessen des Deutschen Roten Kreuzes. | Bild: Helmut Mitter

Laut DRK werden allein in der Bundesrepublik jeden Tag rund 15.000 Blutspenden verbraucht. Doch die Lage sei derzeit nicht so dramatisch wie noch im Juni dieses Jahres. „Damals befanden sich viele Spendenwillige in Quarantäne, sodass die Versorgung der Kliniken mit Blutspenden auf einem kritischen Niveau war“, sagt Oesterer. Derzeit seien Nachfrage und Angebot eher in Balance – auch deshalb, weil an den Kliniken selbst einige Ärzte fehlen und somit weniger operiert werden kann. Das sei aber regional ganz unterschiedlich.

Klinikum setzt auf Blutmanagement

Im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz jedenfalls schlagen die ausgefallenen Blutspendetermine nicht akut zu Buche. So sagt Pressesprecherin Andrea Jagode: „Im Klinikum Konstanz ist uns kein Fall bekannt, wo wir im Laufe dieses Jahres aus Mangel an Blutkonserven eine Operation verschieben mussten.“

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Übrigens setzt das Klinikum Konstanz auf das Konzept des Patientenblutmanagements. Dabei werden, grob gesagt, die Transfusionen von Fremdblut vermieden, wann immer dies möglich ist. Das reduziert nicht nur den Einsatz von Blutkonserven, sondern wird auch deshalb eingesetzt, weil jede Transfusion immunologische Risiken birgt.

Trotz der Pandemiesituation mit Maskenpflicht und vorheriger Terminreservierung und trotz der Personalengpässe in der Ärzteschaft sei die Bereitschaft, sich anzapfen zu lassen, ungebrochen: „Wir gehen davon aus, dass durch umfassende Aufklärungsarbeit das Thema Blutspende auch weiterhin einen hohen Stellenwert im sozialen Engagement der Bevölkerung genießt“, sagt Martin Oesterer. Allein im Oktober sind im Kreis Konstanz acht Blutspendetermine geplant.