Flipper ist wohl der bekannteste Fernsehdelfin in Deutschland. Auch Lassie, der treuherzige Langhaarcollie, hat als Hauptfigur unzähliger TV-Serien Kinder und Jugendliche mit seinen Abenteuern verzaubert. Und spätestens mit der Verfilmung der Asterix und Obelix Comics hat es deren kleiner, kluger und tierischer Kumpan Idefix auch auf die große Leinwand geschafft. Doch wohl die wenigsten Fernsehzuschauer kennen Samura, die Kuh. Zugegeben, für ihre bisherigen Auftritte hat sie noch keine Auszeichnung wie etwa die fiktive Goldene Wiederkäuerin erhalten. Dennoch kann sie sich in die lange Liste von tierischen Filmstars einreihen.
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Über ein Jahr hinweg hat das ZDF Samura, die auf dem Hottenlocher Hof in Mühlingen lebt, für eine Dokumentation über freilebende Weidekühe begleitet, die im April ausgestrahlt wurde. Und dies aus gutem Grund wie Landwirt Alexander Zulic empfindet. Denn Samura ist keine Kuh wie jede andere. „Sie ist unsere Grande Dame des Hofes“, sagt Alexander Zulic.
Langsam? Mitnichten, eher besonnen! Einfältig? Nie im Leben! Plump? Samura doch nicht! Er beschreibt die 13-jährige Weidekuh als neugierig und aufgeweckt. Er nennt sie „eine liebe, alte Dame mit Autorität und Ausstrahlung“. Samura ist das älteste Rindvieh auf dem Hof und somit so etwas wie die Anführerin der schwarz-weißen Kuh-Gruppe. Insgesamt gibt es dort 45 Milchkühe.
Eine Kuh mit vielen Facetten
„Samura ist eine Charakter-Kuh, sie gibt der Herde Stabilität“, betont Alexander Zulic. Sie sei neugierig, gruppenfähig, sozial und wenn es sein muss auch impulsiv. „In allererster Linie ist Samura aber ein Verdauungstier“, so Zulic. Soll heißen: Wenn sie frisst oder satt ist, gleicht sie eher einem behäbigen und zufriedenen Dickhäuter anstatt einem rasanten Wildpferd. „Wenn kein Stressfaktor entsteht, sind sie ruhig. Bei Gefahr können sie aber auch schnell munter und flott werden und durchaus auch wehrhaft“, sagt der Landwirt. Dann können sie auch zu einem tierischen Wirbelwind werden.

Als wären diese Eigenschaften nicht Grund genug, um aus Samura dem schwarz-weißen Rindvieh, Samura den Fernsehwiederkäuer zu machen, hat es die Grande Dame des Hottenlocher Hofes auch aus einem anderen Grund durch das Casting geschafft: Samura ist eine Weidekuh. Sie verbringt nicht ihr ganzes Leben in einem Stall. Jeweils ein halbes Jahr steht sie draußen auf der Weide. Die andere Hälfte in einem Außenklimastall, der an beiden Enden geöffnet ist. Denn die Hofgemeinschaft in Mühlingen ist ein Demeter-Betrieb.
„Die Kuh an sich ist ein Naturgeschöpf. Sie braucht die Natur, dort gehört sie hin“, sagt Alexander Zulic. Nur auf der Weide könnten sich die Nutztiere so richtig ausleben.
Alleine schon die Tatsache, dass die Kühe selektiv Fressen könnten, sich also ihre Nahrung selbst aussuchen, mache sie zu glücklicheren und gesünderen Tieren. „Ein Stall ist immer ein Kompromiss, egal wie gut er ist“, sagt Zulic. Gefüttert werde im Stall ausschließlich Heu und Gras, Kraftfutter stehe nicht auf Samuras Speiseplan.
Die Hörner bleiben dran
Wer sich Samuras Freunde aus der Herde anschaut, dem fällt auf: Alle Hörner sind noch dran. Und das aus gutem Grund. Alexander Zulic verzichtet im Vergleich zu vielen anderen Höfen in Deutschland bewusst auf eine Enthornung. Dass die Rindviecher vielerorts ihrer Hörner entledigt würden, habe oft finanzielle Gründe. Eine enthornte Kuh braucht laut Zulic im Stall nicht so viel Platz wie eine mit Hörnern. Um aber möglichst viele Kühe im Stall unterzubringen und um dadurch mehr Ertrag zu generieren, entscheiden sich viele Bauern für die Variante: Hörner ab. Für den Betriebsleiter des Mühlinger Hofes kommt dies nicht in Frage, denn so sieht artgerechte Haltung seiner Meinung nach nicht aus.
Samura ist kein Leichtgewicht. Sie wiegt um die 600 Kilogramm. Mit ihren 13 Jahren ist sie im Schnitt älter, als ihre ausschließlich im Stall lebenden Artgenossen. Diese werden laut Zulic nur halb so alt. „Das liegt mitunter auch an der täglichen Bewegung und der Fitness“, sagt Alexander Zulic. Und dieser gesunde Lebensstil bringe zudem eine nicht ganz unwichtige Nebenerscheinung mit sich: Gesunde Kühe produzieren laut Zulic schmackhaftere Milch.
Zweimal am Tag wird gemolken. Jede Kuh produziert etwa 6000 Liter Milch pro Jahr. Dass Alexander Zulic dafür eine erheblicheren Mehraufwand leisten muss, ist ihm bewusst: „Man braucht für die Weidehaltung definitiv mehr Zeit.“ Bis zu zwei Stunden Mehrarbeit pro Tag sei ihm das zufriedene Kuhwohl aber wert.
Auf dem Hottenlocher Hof gilt: einmal Mitglied, immer Mitglied, vor allem für Kälbchen. Laut Zulic werden möglichst alle im Betrieb geborenen Kälber auch dort aufgezogen. „Das ist bei reinen Milchviehbetrieben längst nicht üblich. Da der Milchbauer die Milch braucht, werden viele Kälber meist schon im Alter von zwei bis drei Wochen an Viehhändler verkauft“, sagt er.
Alexander Zulic hat sich bewusst für diesen Weg entschieden. Dennoch bleibt er Realist. Er weiß, dass die Betriebsgröße häufig mit dem Wunsch nach artgerechter Haltung kollidiere. Mit 45 bis 60 Kühen sei eine Weidehaltung ohne größere Schwierigkeiten möglich. „Bei mehr Tieren ist das schon eine erhebliche Platzfrage“, sagt er.
Samura und ihren tierischen Wegbegleitern dürften die Diskussionen um Vor- und Nachteile der Weidehaltung gänzlich egal sein. Sie genießen ihre Freiheit. Samura kann sich trotz ihres fortgeschrittenen Alters bei Bedarf austoben und das tun, was sie am liebsten tut: fressen und eine glückliche, zufriedene Kuh sein.
Und wer weiß, vielleicht flattert irgendwann doch noch eine Nominierung für die Goldene Wiederkäuerin auf den Hottenlocher Hof. Alexander Zulic würde es freuen: „Wir sind total stolz auf unsere Star-Kuh Samura!“
Die Heimat von Samura
Der Hottenlocher Hof ist eine Hofgemeinschaft. Neben Alexander Zulic, der mit seiner sechsköpfigen Familie dort lebt, wohnt dort auch Dennis Hahn mit seiner Familie. Er umfasst 36 Hektar Acker, 105 Hektar Wiese und Weideland sowie rund 500 Streuobstbäume. Neben Kuh Samura und ihren 45 Artgenossen zählen zwei Schweine, eine kleine Schafsherde und 30 bis 40 Hühner zur Hofgemeinschaft. Laut Alexander Zulic, der wie Dennis Hahn Betriebsleiter ist, sind auf dem Hof 110 Tiere untergebracht. (mgu)