Anna-Maria Schneider und Isabelle Arndt

Diese Zahlen machen Monika Laule noch keine Sorgen: Im Krippen-Bereich für unter Dreijährige fehlen zum Start des Kita-Jahres in Radolfzell 17 Plätze, im Kindergartenbereich für über Dreijährige fehlen zum Stichtag 1. September 27 Plätze. "Wir hatten auch schon deutlich höhere Zahlen", sagt Bürgermeisterin Monika Laule. Susanne Pantel ist Vorsitzende des Gesamtelternbeirats Kindertageseinrichtungen der Stadt und sieht dennoch Grund zur Sorge: "Die Stadt hat den Bedarf jahrelang verschlafen oder ignoriert und ist jetzt viel zu spät dran." Schon jetzt würden sich regelmäßig Eltern an sie wenden, die keinen passenden Betreuungsplatz haben. "Ich gehe davon aus, dass die Plätze künftig vorne und hinten nicht reichen werden."

Alle Einrichtungen sind voll

Anfang nächsten Jahres sollen in der Nordstadt 20 weitere Plätze für Kinder unter drei Jahren entstehen. Hierfür werden in der Nordstadt mobile Wohnmodule aufgestellt. Von diesen 20 Plätzen sind laut Stadtverwaltung zehn bereits vergeben, zehn sind noch offen. "Die Zahl der fehlenden Plätze sind überschaubar, aber unsere Einrichtungen sind voll. Wer hier neu herzieht, hat ein Problem", sagt Anette Hemmie, Leiterin der Kindertagesbetreuung bei der Stadtverwaltung. Da Radolfzell ein großes Zuzugs- aber auch Wegzugsgebiet sei, könne man schwer planen. "Wir können viele Anfragen bedienen, aber es gibt keine Garantie", so Hemmie.

Wohnmodule statt Neubau

Langfristig wird das Hin- und Herrechnen auch nicht aufhören, denn laut Bürgermeisterin Monika Laule plane die Stadt keinen dauerhaften Ausbau der Kindertagesbetreuung. Geplant sei die Aufstockung der Entdeckerkiste in der Nordstadt, wo drei neue Gruppen in ein weiteres Stockwerk ziehen können. Dann sollen aber die mobilen Wohnmodule wieder abgebaut werden. Die Module haben eine maximale Standzeit von fünf Jahren. Ansonsten will die Stadt selbst nicht Bauherr einer neuen Einrichtung sein. "Bei Neubau-Objekten könnten wir schauen, ob wir Räume anmieten können, um dort eine Kinderbetreuung einrichten zu können", sagt Laule. Man habe auch angefangen, nach leerstehenden Wohnungen zu schauen, die kurzfristig umfunktioniert werden können. Mit Blick auf den Radolfzeller Wohnungsmarkt gibt selbst die Bürgermeisterin zu, dass dies keine leichte Aufgabe sei.

Sozialbürgermeisterin glaubt, der Babyboom sei zeitlich begrenzt

Trotz steigender Geburtenzahlen, steigender Bevölkerungszahlen und etlichen Neubaugebieten in Radolfzell, rechnet Laule damit, dass der Baby-Boom nur zeitlich begrenzt ist. "Bevor man neu baut, gilt es eher temporäre Lösungen zu finden", sagt Laule. Flexibilität sei hierbei besonders wichtig. Aus diesem Grund habe man bei der Raumstruktur darauf geachtet, dass man je nach Bedarf jede Art von Kinderbetreuung unterbringen kann. So könne man flexibel auf den aktuellen Bedarf reagieren, erklärt Laule.

GEB: "Stadt kommt ihrer Aufgabe nicht ausreichend nach"

Man stehe laut Anette Hemmie auch in permanenter Abstimmung mit den freien Trägern, um kurzfristig Lösungen für Neuzugänge zu finden. Das ist für Susanne Pantel als Gesamtelternbeiratsvorsitzende aber keine Lösung: "Es ist Aufgabe der Stadt, Plätze zur Verfügung zu stellen, und der kommt sie nicht ausreichend nach." Freie Träger seien zwar eine komfortable Lösung. Doch anders als städtische Einrichtungen gebe es für diese eine Finanzierungslücke von vier Prozent, die meist über Vereinsmitgliedschaften oder Gebühren aufgefangen werden müsse.

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Angebot passt nicht zum Lebensalltag der Familien

"Was die Stadt braucht, ist ein langfristiges Gesamtkonzept – und das fehlt", sagt Pantel. Die Stadt habe Glück, dass sie angesichts eines Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung noch nicht verklagt worden sei. Sie selbst habe erst mit einer Klage drohen müssen, bis sie einen Platz für ihr Kind angeboten bekam. Dabei hätten Eltern oft keine große Wahl: Die Stadt habe ihre Aufgabe formal erfüllt, wenn sie beispielsweise Eltern aus Böhringen einen Platz in Möggingen anbiete. Doch das passe nicht zum Lebens- und Arbeitsalltag von Familien. Pantel kritisiert, dass die Stadterweiterung Nord und St. Meinrad gänzlich ohne Betreuungsplätze geplant worden seien. Dabei würden dort viele Familien mit Kindern einziehen, weil es für Kinder entscheidende Punkte im Vergabesystem der Baugruppen gebe.

Engpässe beim Personal

Auch die Suche nach geeignetem Personal sei manchmal nicht ganz einfach, berichtet Anette Hemmie. Aktuell seien vier Stellen unbesetzt. Immer wieder gebe es Engpässe. Da hauptsächlich Frauen den Beruf des Erziehers wählen würden, diese aber wegen der Familie gerne in Teilzeit arbeiten würden, gebe es vor allem Probleme, die Nachmittage besetzt zu bekommen. In Radolfzell teilen sich 120 Erzieherinnen und Erzieher insgesamt 78 Vollzeitstellen.

Monika Laule sieht die Stadt im Bereich Kinderbetreuung gut aufgestellt. Man habe viele neue Einrichtungen mit modernen Raumkonzepten und unterschiedlichen pädagogischen Angeboten. Im Vergleich zu anderen Städten habe Radolfzell ein gutes Angebot, behauptet Laule. Pantel hingegen findet vor allem für die Grundschulbetreuung positive Worte: "Da tut sich was." Nachdem der Hort vor einigen Jahren geschlossen worden sei, gebe es nun in allen Grundschulen eine Kinderzeitbetreuung.

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