Mit den Prognosen ist das so eine Sache. Vor fünf Jahren gingen Experten davon aus, dass nicht mehr als 35 Prozent aller Familien einen Kitaplatz für Kinder zwischen ein bis drei Jahren in Anspruch nehmen würden. Die Realität der vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass bis zu 50 Prozent der Radolfzeller Familien einen solchen Betreuungsplatz möchten. Mütter wollen oder müssen arbeiten. Der Rechtsanspruch stärkt die Position der Eltern, die Kommunen müssen nachbessern. Auch Radolfzell spürt diese fehlerhafte Prognose nun am eigenen Leib.

Dabei wäre der Bedarf an Kita- und Kindergartenplätzen einfach zu ermitteln. Die Rechnung geht so: 295 Neugeborene hat Radolfzell im vergangenen Jahr dazugewonnen, in spätestens drei Jahren gibt es 295 Kindergartenkinder, in sechs Jahren 295 Grundschulkinder. Da immer mehr Kinder geboren werden und immer mehr Familien in die Neubaugebiete ziehen, reichen die bestehenden Plätze nicht mehr aus. Radolfzell möchte sich als familienfreundliche Stadt präsentieren, rechnet aber in ihrer Planung fest mit einem Ende des Kindersegens. Für alle, die schon hier sind, müssen Übergangslösungen im Bestand genügen. Ob sich Paare an diese Kalkulation halten werden, wird man in einigen Jahren sehen. Schon einmal hat die Stadtverwaltung eine fehlerhafte Prognose zu spüren bekommen. Sollte sie auch jetzt erneut daneben liegen, würden viele Familien das nicht mehr verzeihen.

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